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"Draghi zündelt mit Feuer in einem Papierhaus"

Der von der Europäischen Zentralbank angekündigte Anleihenkauf berge große Gefahren, sagte der AfD-Europapolitiker Joachim Starbatty im DLF. Sollte die Inflationsrate dadurch tatsächlich steigen, würden sich das Halten niedrig verzinster Staatsanleihen nicht mehr lohnen.

Joachim Starbatty im Gespräch mit Jürgen Zurheide | 17.06.2015
    Der Europa-Abgeordnete der AfD Joachim Starbatty.
    Der Europa-Abgeordnete der AfD Joachim Starbatty. (imago/Mauersberger)
    Jürgen Zurheide: Wir wollen beim Thema bleiben und uns fragen, wie das Ganze politisch gewertet werden muss, und das wollen wir tun mit Joachim Starbatty. Er sitzt für die AfD im Europaparlament, ist gleichzeitig Wirtschaftsprofessor. Zunächst sage ich guten Abend, Herr Starbatty.
    Joachim Starbatty: Guten Abend Herr Zurheide.
    Zurheide: Fangen wir doch mal an mit der ersten Frage an Sie als Universitätsprofessor. Welche Noten würden Sie denn für dieses Urteil vergeben, wenn Sie das benoten müssten?
    Starbatty: Das hängt vom Standpunkt ab. Wenn Sie den Euro um jeden Preis retten wollen, sagen Sie prima. Wenn Sie sagen, was ist das Recht, worauf baut jetzt die Europäische Zentralbank, ist das, was sie tut, rechtens, dann würden Sie sagen nicht prima, mangelhaft.
    Zurheide: Das heißt, Sie sagen auch der Satz Geldpolitik, nicht Fiskalpolitik, Sie drehen das auch um?
    Starbatty: Es ist so: Es ist völlig klar, dass die EZB sich aufgefordert sieht, den Euro zu retten und die Eurozone zusammenzuhalten, und deswegen auch die Ankündigung, Staatsanleihen aufzukaufen whatever it takes, was auch immer es kostet. Das ist das Credo und wer hinter diesem Credo steht, findet das Urteil des EuGH, des Europäischen Gerichtshofes richtig.
    "Probleme der Länder nicht gelöst"
    Zurheide: Jetzt könnte man natürlich sagen, Herr Draghi hat das seinerzeit genauso gesagt, wie Sie es gerade ausgesprochen haben, und immerhin, eigentlich ist dieses Programm ja auch nie eingesetzt worden. Man könnte sagen, na ja, seine Drohung alleine hat gereicht. Das beeindruckt Sie gar nicht?
    Starbatty: Nun, es ist völlig verständlich. Jeder weiß, wenn Herr Draghi gesagt hat, "Whatever it takes", und er hat noch hinzugefügt, "Believe me, it will be enough", dann weiß jeder, die Europäische Zentralbank hat so tiefe Taschen, da kannst Du gar nicht gegen an. Insofern reicht es, das in den Raum zu stellen. Das reicht aber nicht, um die Probleme, die in diesen Ländern gegeben sind, zu lösen.
    Zurheide: Auf der anderen Seite könnte man sagen, in der Tat, Griechenland lassen wir mal außen vor, ist ein Sonderfall. In Italien, in Spanien, aber auch in Portugal haben sich die Märkte, auch die Zinsmärkte beruhigt, die Anleihemärkte. Ist das ein Erfolg oder nicht?
    Starbatty: Ja, sie haben Recht. Diese Zinsmargen oder die Zinsspreads, wie die Techniker sagen, haben sich zurückentwickelt, weil man davon ausgeht, dass die EZB eingreift und dass hier eine Gemeinschaft entsteht, die nicht auseinanderbrechen soll. Wenn Sie hier sich aber die wirtschaftlichen Fakten anschauen, Staatsverschuldung, aufgelaufene Staatsverschuldung, Nettostaatsverschuldung pro Jahr, Arbeitslosigkeit, Wachstumsraten, internationale Wettbewerbsfähigkeit, dann stehen diese Länder schlechter da als im Jahre 2010. Das sind die Fakten und wenn das offenkundig wird, dann werden auch die Spreads wieder steigen, wenn man glaubt, dass diese Länder Wackelkandidaten sind.
    "Enorme Gefahren durch die Dicke Bertha"
    Die Euro-Skulptur am Willy-Brandt-Platz vor der EZB-Zentrale in Frankfurt am Main
    Die Euro-Skulptur am Willy-Brandt-Platz vor der EZB-Zentrale in Frankfurt am Main (dpa /picture alliance / Daniel Kalker)
    Zurheide: Ihr Argument könnte natürlich stimmen, wenn wir die juristische Seite sehen, nicht bezogen auf dieses Programm, was quasi nie eingesetzt worden ist, sondern auf das, was Herr Draghi aktuell betreibt. Das ist ja was anderes. Das stand aber jetzt gerade nicht in Luxemburg vor Gericht. Ist das nicht eine etwas kuriose Situation?
    Starbatty: Das ist in der Tat kurios. Gemessen an dem, was Draghi gesagt hat und was er heute tut, da besteht ein Riesenunterschied, und was er jetzt macht, ein Programm aufzulegen, 1,14 Billionen Euro Staatsanleihen anzukaufen. Das ist natürlich Staatsfinanzierung. Wenn man damit die Zinsen Richtung null treibt bei allen Ländern, dann ist klar, dass man dadurch diesen Ländern hilft, die schwierigen strukturellen Hausaufgaben, die sie vor sich haben, zu vermeiden. Und es ist klar: Wenn man für Geld nicht zu zahlen braucht, warum soll man sich anstrengen, um dann wirklich schwierige Dinge zu lösen. Das ist nun mal das politische Leben, dass man da kurzfristig denkt und nicht an das Morgen.
    Zurheide: Sie nehmen ihm nicht ab, dass er das "nur" getan hat, um die Inflation wieder ein bisschen anzuheizen, denn wir rutschten ja möglicherweise in eine Deflation? Dieses Argument halten Sie nicht für stichhaltig?
    Starbatty: Wenn man jetzt die Zahlen sich genau anschaut, dann sind es ja die Landwirtschaftspreise und es sind vor allen Dingen die Energiepreise, die den Preisindex nach unten gedrückt haben, und es waren dann die Schwierigkeiten in einigen Ländern. Einerseits sagt man, man braucht Unterschiede bei der Preisentwicklung, damit die einen, die nicht wettbewerbsfähig sind, wieder wettbewerbsfähig werden dadurch, dass sie geringe Preissteigerung haben, und dann will man das nicht mehr haben. Wissen Sie, wenn Sie mich als Ökonomen fragen, war das eine Begründung, um einfach das zu tun, was Herr Draghi tun möchte, nämlich Staatsanleihen aufzukaufen.
    Zurheide: Jetzt ziehen wir einen Strich unter das alles. Was kann das Bundesverfassungsgericht jetzt noch tun? Oder anders herum gefragt: Was wird es tun? Damit steht der Konflikt ja im Moment, dass möglicherweise das Bundesverfassungsgericht demnächst anders entscheiden wird als der Europäische Gerichtshof. Erwarten Sie das?
    "Bundesverfassungsgericht muss Halt rufen"
    Starbatty: Ja ich glaube nicht, dass das Bundesverfassungsgericht sich jetzt frontal gegen den EuGH stellt. Das wäre eine Schwierigkeit, die auch die Märkte registrieren würden. Ich nehme an, dass sie jetzt nach einem Ausweg suchen. Allerdings kommen jetzt ja Klagen, die sich jetzt nicht gegen die sogenannten Primatory Traductions, also die angekündigten Staatsankäufe richten, sondern jetzt gibt es Klagen, die sich gegen die sogenannte Dicke Bertha von Herrn Draghi richten. Der versucht ja, mit eben diesem Gewaltprojekt 1,14 Billionen Euro in die Märkte zu pumpen, um irgendwie wieder die Inflation nach oben zu bringen.
    Und lassen Sie mich hinzufügen, Herr Zurheide. Gesetzt den Fall, Herr Draghi hätte Erfolg und er würde die Inflationsrate von jetzt 0,5 oder 0,6 auf zwei Prozent oder 2,5 Prozent bringen, wer hält dann noch Staatsanleihen, die unter einem Prozent oder bei einem Prozent rentieren? Da wird sich doch jeder sagen, nur schnell weg mit den Papieren, ehe auch die anderen das tun. Was Herr Draghi zurzeit macht, das ist Zündeln mit dem Feuer in einem Papierhaus. So würde ich es nennen.
    Zurheide: Und das Bundesverfassungsgericht, was glauben Sie werden die dann tun? Sie werden versuchen, irgendwelche Leitplanken einzubauen aus Ihrer Sicht?
    Starbatty: Das Bundesverfassungsgericht hat immer zwei Sätze: Der Bundestag muss entscheiden, er darf nicht übergangen werden, und die Risiken, die daraus für die nationalen Haushalte hervorgehen, die müssen überschaubar sein. Und was Herr Draghi jetzt macht, das geht meines Erachtens über die Überschaubarkeit weit hinaus. Wenn das Bundesverfassungsgericht sich ernst nimmt, dann muss es hier Halt rufen.
    Zurheide: Herzlichen Dank. - Das war der Europapolitiker Joachim Starbatty. Das Interview haben wir kurz vor der Sendung aufgezeichnet.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.