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EZB-Entscheidung zum Ende der Anleihekäufe
"Das ist eine geldpolitische Zäsur"

Nach Jahren im Krisenmodus peilt die Europäische Zentralbank (EZB) ein Ende ihrer umstrittenen Anleihekäufe zum Jahresende 2018 an. Sparer müssen allerdings noch bis mindestens Sommer 2019 mit dem Zinstief leben. Das machten die Währungshüter nach ihrer auswärtigen Sitzung in der lettischen Hauptstadt Riga deutlich.

Klemens Kindermann im Gespräch mit Birgid Becker | 14.06.2018
    Die Euro-Skulptur am Willy-Brandt-Platz vor der EZB-Zentrale in Frankfurt am Main
    Skulptur vor der EZB-Zentrale in Frankfurt am Main (dpa /picture alliance / Daniel Kalker)
    Birgid Becker: "Ende des Jahres soll es das also gewesen sein mit den Anleihekäufen der EZB. Erst einmal geht die EZB ja behutsam vor, sie fährt das Kaufprogramm langsam zurück. Ist das trotzdem eine Wende in der Geldpolitik der EZB?"
    Klemens Kindermann: "Das ist sie, weil jetzt die riesige Tresortür der EZB endgültig den Schwung bekommen hat in Richtung Schließen der Geldkammer. Diese Tresortür – um im Bild zu bleiben - kann jetzt nicht mehr so schnell den Drive in die andere Richtung bekommen. Die EZB hat sich festgelegt: die Anleihekäufe enden noch in diesem Jahr. Und das ist deshalb eine geldpolitische Zäsur, weil wir uns bisher immer noch im Bereich der Anleihekäufe bewegten, die zwar schon reduziert wurden, aber die auch hätten hochgefahren werden können. Wenn Sie mal bedenken, dass die EZB für wirklich unvorstellbare 2,4 Billionen Euro Anleihen gekauft hat, dann wären da nochmalige Änderungen bei den jetzt 30 Milliarden Euro schweren monatlichen Ankäufen gar nicht so sehr ins Gewicht gefallen. Dass jetzt die 30 Milliarden ab Oktober auf 15 Milliarden reduziert werden, das ist nur noch Kosmetik. Wichtig ist das, worauf so viele gewartet haben: dass sie überhaupt beendet werden. Das ist seit heute klar, und dieser Tag wird in die Geschichte der neueren Geldpolitik eingehen".
    Becker: "Wie ist denn Ihre Bewertung: Ist das die richtige Entscheidung der EZB?"
    EZB muss sich wieder Handlungsspielräume schaffen
    Kindermann: "Ja, das ist eine richtige Entscheidung und eine kluge Entscheidung. Die Eurozone braucht dringend eine Normalisierung der Geldpolitik. Wir sehen kräftig wachsende Volkswirtschaften. Wir sehen eine Inflation im Euroraum von 1,9 Prozent, hier in Deutschland sogar 2,2 Prozent, da sind die Anleihekäufe einfach das falsche Mittel. Die sind schwerfällig, die sollen auf mittlere und längere Sicht Geld ins System pumpen und die Unternehmen ausfinanzieren. Das ist ein Instrument für Weltwirtschaftskrisen, aber nicht mehr für normale Konjunkturschwankungen oder rezessive Phasen. Die kann man mit den normalen Mitteln der Geldpolitik bekämpfen, also mit Leitzinssenkungen etwa.
    Aber diesen Handlungsspielraum, den hat ja die EZB bei ihrer langen Politik von 0,0 Prozent Zinsen gar nicht mehr. Den muss sie sich aber zurückholen, so wie es die US-Notenbank gerade macht, die gestern Abend die Leitzinsen erhöht hat. Um sie senken zu können in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, muss man sie ja nun mal vorher irgendwann auf ein Niveau gebracht haben, von dem aus man das machen kann. Also: jetzt die Anleiheblase stoppen, dann im nächsten Jahr an die Zinsen ran, vielleicht ist es schon zu spät, aber dass das heute endlich passiert ist, ist ohne Zweifel richtig und klug."
    Becker: Also die Geldflut endet. Ist das eine gute oder schlechte Nachricht für alle Eurozonen-Staaten? Auch für die, die es eher mit den Schulden haben?"
    Kindermann: "Für die einen ist es eine gute Entscheidung, für die anderen eine schlechte. Staaten, die Geld brauchen, kamen dank der Geldschwemme und Nullzinsen billiger daran. Jetzt wird es teurer werden. Und das betrifft insbesondere Länder mit hohen Schuldenständen, die die Zeit des billigen Geldes auch nicht wirklich dazu benutzt haben, den Schuldenstand abzubauen. Allen voran Italien. Die neue Koalition aus Fünf-Sterne-Bewegung und rechtspopulistischer Lega will ja vor allem eins: Geld ausgeben. Das wird jetzt schwieriger. Und da muss man sagen: Chapeau für den Italiener Mario Draghi, den Chef der EZB: Auf seine Landsleute hat er definitiv keine Rücksicht genommen".
    Sparer müssen noch warten
    Becker: Was bedeutet die Entscheidung nun für die Sparer?"
    Kindermann: "Zunächst: Auch in diesem Jahr und im größten Teil des nächsten Jahres dürften die Zinsen nicht steigen. Sie werden der EZB zufolge bis mindestens Sommer 2019 wohl auf dem Rekordtief von null Prozent bleiben. Das wirklich Bittere: Die Inflation steigt – schon über 2 Prozent – das heißt, das Geld wird weiter aufgefressen, wird weniger. Aber seit heute gibt es zumindest den Lichtstreif am Geldhorizont: Es wird besser.
    Becker: "Und die umgekehrte Sichtweise - wie sind Kreditnehmer betroffen?"
    Kindermann: "Spiegelverkehrt genau anders herum: Besonders die, die Ratenkredite für Autos oder neue Möbel oder anderes in Anspruch nehmen, können sich freuen: die Konditionen werden erst einmal niedrig bleiben. Anders ist das für die Käufer von Immobilien. Die Zinsen von Hypothekendarlehen in Deutschland orientieren sich vor allem an der Verzinsung von Bundesanleihen mit zehnjähriger Laufzeit. Wenn jetzt aber die EZB ihre Käufe von Anleihen reduziert, dann könnten die Zinsen dieser Papiere steigen. Und das bedeutet, dass Immobilienkredite teurer werden. Also jetzt schon einmal nachdenken, beim Hauskauf doch vielleicht einen Tick zulegen. Bei Anschlussfinanzierungen vielleicht mal an ein Forward Darlehen denken, mit denen man sich günstige Konditionen von heute für später sicher kann – gegen Aufschlag. Wichtig: Nichts überstürzen, immer auf den Preis der Immobilie achten, viele sind jetzt schon zu teuer".