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EZB-Neubau in Frankfurt
Viertel wird zur Sperrzone

Morgen wird das neue Hochhaus der Europäischen Zentralbank in Frankfurt offiziell eingeweiht. 8.000 Polizisten errichten eine weitläufige Sperrzone - aus Angst vor Protestaktionen. Für die Nachbarn bedeutet das schlicht Ausnahmezustand. Abiturprüfungen sowie Volkshochschulkurse werden verlegt, Busse und Bahnen fahren nicht.

Von Ludger Fittkau | 17.03.2015
    Im letzten Licht des Tages überragt der Neubau der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main (Hessen) am 12.01.2015 die Bankenskyline der Mainmetropole.
    Angst vor Störaktionen: Viele Geschäfte rund um das neue EZB-Hochhaus liegen in jenem Bereich, der morgen von rund 8.000 Polizisten abgesperrt wird. (dpa / picture-alliance / Boris Roessler)
    Der Flur der Volkshochschule Frankfurt am Main. Es herrscht großes Gedränge, die Sprachkurse für Migranten sind besonders beliebt. Das Volkshochschulgebäude liegt an der Sonnemannstraße im Frankfurter Ostend. Gleich schräg gegenüber steht das neue Hochhaus der Europäischen Zentralbank. Auf dem Tresen vor der Pförtnerloge der VHS liegen gelbe Zettel. In Deutsch und Englisch wird mitgeteilt: "Offizielle EZB-Eröffnung am Mittwoch – mit Verkehrsbehinderungen und Personenkontrollen ist zu rechen." Henriette Fischer wird es gar nicht erst versuchen, ihren Englisch-Kurs in der Volkshochschule zu erreichen:
    "Wir kommen nicht hier her, es ist alles Sperrzone. Und wir haben das diskutiert und das ist hier beschlossen worden. Leider."
    "Kann man übrigens aus jedem Winkel in Frankfurt sehen"
    Dennoch hat Henriette Fischer auch ein gewisses Verständnis für die Protestler, die anlässlich der offiziellen EZB-Eröffnung nach Frankfurt kommen:
    "So richtig verstehe ich die nicht, weil man dagegen eigentlich nichts machen kann. Gegen diese EZB, gegen diese Währungsunion, gegen Europa, gegen die Krisen. Und die Banken sind ungeheuer wichtig, aber sie haben uns eben alle über den Tisch gezogen und unser Vertrauen missbraucht."
    Die drei jungen Afro-Frankfurter im Rapper-Outfit am Eingang zum nahegelegenen S-Bahnhof Ostendstraße sehen das ganz ähnlich. Von ihrem Treffpunkt aus können sie das nahegelegene EZB-Gebäude gut in den Blick nehmen:
    "Allein schon die Tatsache, dass das Gebäude hier in Deutschland hochgezogen wurde. Weil Frankfurt ist die Stadt der Banken. Und das ist einfach beschlossene Sache und dagegen wird man nicht mehr viel machen können. Die werden von hier sehr viel leiten. Im Radio und im Fernsehen hört man tagtäglich EZB entscheidet hier, EZB gibt da Finanzspritzen. Das Gebäude ist gewollt, kann man übrigens aus jedem Winkel in Frankfurt sehen. Und das sagt schon alles."
    Die "Frankfurt School of Finance" liegt ebenfalls nur wenige hundert Meter vom neuen EZB-Gebäude entfernt. Auch die Studierenden dieser renommierten privaten Wirtschaftsuniversität diskutieren in diesen Tagen verstärkt darüber, was Blockupy mit den Protesten gegen die EZB erreichen will. Das sagt Angelika Werner, Sprecherin der Uni, die versuchen will, während der Eröffnungsfeierlichkeiten im EZB-Gebäude den Betrieb aufrecht zu erhalten:
    "Wir bereiten uns vor. Wir informieren die Studierenden, die Gäste, die Besucher und natürlich auch die Kolleginnen und Kollegen, dass es eben zu großen Verkehrsbelästigungen kommen wird und natürlich auch zu Polizeikontrollen hier im Ostend."
    Zusätzliche Belastungen für Abiturienten
    Die Verkehrsbehinderungen machen auch den Abiturienten im Viertel Sorgen, für die am Mittwoch Prüfungen angesetzt sind. Mathe-Abi-Prüfungen sind zwar ganz aus dem Ostend in andere Viertel verlegt worden. Abiturienten, die ihren Namen nicht nennen wollen, diskutieren vor ihrem Schulgebäude in der Nähe der EZB nun, was das für die Abi-Prüfung konkret bedeutet:
    "Keine gewohnte Umgebung und dementsprechend ja noch der zusätzliche Weg mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, die ja wahrscheinlich auch nur eingeschränkt fahren werden."
    Viele Geschäfte rund um das neue EZB-Gebäude werden morgen gar nicht erst öffnen, weil sie hinter den Absperrungen liegen, die die Demonstrierenden von der Zentralbank fernhalten sollen. Dass die Proteste lautstark werden können, schreckt Horst Jost nicht. Er arbeitet ohnehin tagtäglich inmitten lärmender Druckmaschinen und Kopiergeräte in seinem Copyshop an der Sonnemannstraße. Denn Laden will er morgen erst einmal wie gewohnt aufsperren:
    "Normal haben wir die Tür offen. Das bleibt auch so. Wenn es uns zu unangenehm wird, dann machen wir sie wieder zu. Aber wir müssen ja für unsere Kunden da sein und deshalb wird ganz normal geöffnet."
    Gleich nebenan genießt der Tourist José Lopez aus Buenos Aires bei einem Cappuccino draußen vor einem Café die wärmende Frühlingssonne. Er verstehe, warum sogar einige Busse mit Demonstranten aus Südeuropa zur EZB-Eröffnung nach Frankfurt am Main kommen, sagt Jose Lopez. Er verstehe insbesondere die Lage der Griechen deswegen, weil er in Argentinien in den letzten Jahren erlebt habe, was eine Wirtschaftskrise für den Alltag der Menschen bedeutet:
    "Ich sehe die Wirtschaftslage in der Welt. Es sind nur wenige Länder weltweit in einer guten wirtschaftlichen Lage. Die meisten Menschen müssen jedoch sehr hart kämpfen, um einigermaßen komfortabel zu leben."