Dienstag, 23. April 2024

Archiv

Faber mit "I fucking love my life"
Jetzt auch mit Streichern

Der Schweizer Sänger Julian Pollina alias Faber provoziert gerne in seinen Songs. Um die Single „Das Boot ist voll“ gab es zuvor einigen Trubel. Doch wer erwartet, dass Faber auf seinem neuen Album „I fucking love my life“ in diesem Stil weitermacht, wird überrascht.

Von Sarah Mahlberg | 26.10.2019
Singer-Songwriter Faber mit Gitarre auf der Bühne im Scheinwerferlicht
Liedermacher Faber bei einem Live-Konzert (imago stock&people (Ben Kriemann / Popeye 10105341))
Die klassische Blaskapellen-Balkan-Musik ist geblieben. Schon vor seinem Debütalbum "Sei ein Faber im Wind" aus dem Jahre 2017 brachte dieser Klang Fans dazu, auf Konzerten wild auf und ab zu springen. Dazu sind auch einige Lieder auf dem zweiten Album geradezu prädestiniert.
Zum ersten Mal ein Synthesizer
Aber neben dem vertrauten Klang gibt es auch Neuerungen auf dem zweiten Album. Zum Beispiel hat es zum ersten Mal ein Synthesizer in die Lieder von Faber geschafft und zwar in "Komm her" und "Das Leben sei nur eine Zahl"
"Das sind auch beides Songs, wo ein Saxofon mitspielt, das Saxofon hat sogar ein mehrminütiges Solo, was man seit den 80ern nicht mehr durfte eigentlich. Das sind so ein bisschen die neuen Elemente auch, über die ich mich schon sehr freue auch. Obwohl man sagen kann, es sei ein bisschen trashy und so…"
Eine harte Sprache
Auch Streicher und Klaviermusik ergänzen den Sound auf "I fucking love my life", was das Album ruhiger und, wie Faber selbst sagt, eleganter macht. Das mag vielleicht überraschen, wenn man die Single "Das Boot ist voll" bedenkt, die in ihrer ersten Version nun eher weniger durch ihre Eleganz auffiel. Faber betont, dass er den alten Song so nicht habe vertreten können und ihn deshalb nach seiner Veröffentlichung noch mal geändert habe. Dennoch ist seine explizite, harte Sprache inzwischen zu seinem Markenzeichen geworden.
"Das sind ja nicht erfundene Sachen, sondern das sind Sachen, die man halt jeden Tag auch hört überall. Und dann fand ich ja so ey, wenn so viele Leute so sprechen, darf das nicht vor der Popmusik, vor der supergeschönten, feinen Popmusik nicht haltmachen. Mittlerweile weiß ich nicht, ob ich nicht vielleicht auch falsch lag."
Obwohl im Netz noch immer Aufnahmen und sogar Coverversionen des ersten Songs kursieren: Auf dem Album befindet sich die neue Version. Und auch die kann einem zusetzen. "Das Boot ist voll" handelt von der Seenotrettung im Mittelmeer und von Menschen, die in Europa in Sicherheit sitzen und keine weiteren Flüchtlinge mehr aufnehmen wollen. Es ist trotz allem ein wütender Song geworden.
Aus der Sicht einer Frau
Thematisch wird neben der Seenotrettung auf dem Album auch das Thema Sexismus auf verschiedene Weisen aufgegriffen, zum Beispiel in dem Song "Vivaldi", der – noch eine Premiere bei Faber – zum ersten Mal aus der Sicht einer Frau gestaltet ist. Und zwar aus der Perspektive eines aufdringlichen Fans, der kein "Nein" akzeptieren will.
"Die Idee im Song war eher so, ja stell dir vor du wirst jeden Abend so eklig angemacht, wie du jeden Abend Leute eklig anmachst, sozusagen "als Mann", stell dir das…, dreh mal die Sache um, wie würde sich das anfühlen"
Und auch die dritte Single "Top" spielt mit Klischees. Sie verballhornt chauvinistische Männerbilder aus dem Hip-Hop und kritisiert sie damit auf humorvolle Weise.
"Alles, was erfolgreich ist, ist so eigentlich. Ich wollte da ne Karikatur machen, also hab ich‘s gemacht. Und es ist schon witzig, es klingt so ganz klar nach einem Schema gemacht so ."
"I fucking love my life" ist definitiv nicht nach einem Schema gemacht. Es trifft thematisch den aktuellen Zeitgeist und erweitert Fabers Musikstil um neue Komponenten. Das geht an manchen Stellen jedoch auf Kosten der Tanzbarkeit, was einige Fans vielleicht enttäuschen wird. Dennoch ist Faber das gelungen, woran Musiker mit ihrem zweiten Album häufig scheitern: An die Qualität des Erstlings anzuknüpfen.
Sarah Mahlberg hat noch länger mit Julian Pollina alias Faber gesprochen - hören Sie hier die Langfassung des Gesprächs