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Fahrplan für die Zukunft Europas

Er wurde bis zum Schluss geheim gehalten, der genaue Inhalt und Wortlaut der Berliner Erklärung, die heute, am 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge in Berlin feierlich verabschiedet wurde.

Eine Sendung von Burkhard Birke, Peter Kapern, Stefan Maas, Thomas Rautenberg und Martin Zagatta |
    Die Formulierung dürfte eine diplomatische Meisterleistung gewesen sein, denn zu unterschiedlich sind die Vorstellungen der 27 Mitgliedsstaaten über das, was die Europäische Union in ihrem Kern ausmacht, in welche Richtung sich die Gemeinschaft in Zukunft bewegen will und welche gemeinsamen politischen Projekte es geben wird - und kann. Ein Streifzug durch drei europäische Länder, Frankreich, Großbritannien und Polen wird dies verdeutlichen.

    Das soziale Europa müsse in der Berliner Erklärung besonders hervorgehoben werden, forderten die Franzosen im Vorfeld. Nur dann würde sich Frankreich auch repräsentiert fühlen. Europa müsse sozialer werden, nicht nur das wirtschaftliche Fortkommen dürfe berücksichtigt werden, sondern auch der Schutz der Menschen, die in der EU leben.

    "Frankreich muss den Anspruch auf ein mächtiges, ein politisches Europa bekräftigen! Auf ein Europa, das unser Sozialmodell garantiert.
    Lassen sie uns stets dieses Ideal und diesen Willen in uns tragen."

    Die Botschaft Jacques Chiracs ist klar: Frankreich und die Franzosen wollen und müssen wieder ins Herz Europas zurückkehren. Mit seinem Nein zum EU-Verfassungsvertrag hatte sich Frankreich ins Abseits manövriert und die EU in eine tiefe Krise gestürzt, der eine Phase des Nachdenkens über Europa und die Europäische Verfassung folgte.

    Dass die Franzosen keineswegs europafeindlich eingestellt sind, belegt eine Umfrage jüngeren Datums. Darin geben 71 Prozent der Befragten an, sie seien stolz darauf, Europäer zu sein!

    Doch was erwarten die Franzosen vom Projekt Europa, das durch die Berliner Erklärung neuen Schwung erhalten soll? Darüber gibt in Frankreich ein Blick auf die Wahlkampf-Inhalte der Präsidentschaftskandidaten Auskunft.

    Ein wichtiger Punkt ist die Wahrung und Betonung der unterschiedlichen nationalen Identitäten. Nicht von ungefähr hat der konservative Präsidentschaftsanwärter Nicolas Sarkozy das Thema nationale Identität in den Vordergrund seines Wahlkampfes gestellt. Sarkozy bekennt sich zu Europa, aber er will Europa als Schutzwall gegen die negativen Auswirkungen der Globalisierung aufbauen.

    "Ich glaube an die einheitliche Währung und an Europa. Ich werde von unseren Partnern verlangen, dass man den Euro so steuert wie die Amerikaner den Dollar! Ich will, dass der Arbeit und den Arbeitern Vorrang vor der Geldwertstabilität eingeräumt wird. Der Euro muss ein Instrument im Dienste von Wachstum und Beschäftigung sein!"

    Seine sozialistische Gegenkandidatin Ségolène Royal geht sogar noch einen Schritt weiter und fordert eine Wirtschaftsregierung für Europa! Sie wünscht sich die Formulierung eines neuen Verfassungsvertrages, um Europa aus der Starre zu befreien. Anders als Nicolas Sarkozy will sie diesen aber nicht allein vom Parlament ratifizieren, sondern ebenso wie der bürgerlich- liberale Präsidentschaftskandidat Francois Bayrou, das Volk in einem neuen Referendum abstimmen lassen!

    "Ich will ein Europa, das seine Bürger schützt und ihnen hilft, Nutzen aus der Globalisierung zu ziehen. Es ist nicht akzeptabel, dass gewinnträchtige Unternehmen ihre Produktionen auslagern. Europa muss sich und muss uns schützen. Unsolidarische Konkurrenz innerhalb Europas ist noch weniger hinnehmbar! Unseren Partnern werde ich Verhandlungen über ein Sozialprotokoll vorschlagen, um die Rechte der Arbeiter zu stärken!"

    Die Werte der französischen Republik, Gleichheit, Freiheit, Brüderlichkeit, die strikte Trennung von Kirche und Staat, der Erhalt und Schutz der nationalen Identität und die Bewahrung des Sozialmodells gerade in Zeiten der Globalisierung ziehen sich wie ein roter Faden durch Programme und Erklärungen der wahrscheinlichen Bewohner des Elysée Palastes - und sollten sich - so der Wunsch der Franzosen - auch in der Berliner Erklärung finden lassen.

    Ein zu starkes Augenmerk auf das Europäische Sozialmodell würde allerdings die Briten befremden, hieß es im Vorfeld aus London. Denn die Briten sind wirtschaftsliberal und traditionell europakritisch. Einer EU-Verfassung zuzustimmen, das kommt für die meisten Briten eigentlich gar nicht mehr in Frage. Deshalb dürfte es unter anderem an London liegen, dass das "V-Wort" in der Berliner Erklärung nicht zu finden sein wird.

    Denn die EU-Verfassung ist auf der Insel längst zum Inbegriff Brüsseler Kompetenzanmaßung geworden. Versuche, dem Entwurf, selbst in abgespeckter Form, doch noch Geltung zu verschaffen, stoßen fast schon auf Unglauben. Sie taugen in London meist nur noch für Spott, etwa wenn der Tory-Politiker Liam Fox im Unterhaus darauf verweist, dass er zwar seinen Beruf als Arzt nicht mehr ausübt, aber immer noch eine Leiche erkennen könne, einen Totenschein ausstellen, - und diese Verfassung sei ein ganz eindeutiger Fall für das Leichenschauhaus.

    Die britische Regierung, der nach dem Nein der Franzosen ein Referendum erspart geblieben ist, steht im Wort, jede Art europäischer Verfassung einer Volksabstimmung zu unterziehen. Da der Ausgang absehbar wäre, hat Tony Blair daran aber kaum Interesse, und sein wahrscheinlicher Nachfolger schon gar nicht. Schatzkanzler Gordon Brown, der den Premierminister im Sommer ablösen soll, ist Informationen in London zufolge nur zu einem Reformwerk bereit, das nicht den Namen "Verfassung" trägt und kein Referendum erforderlich mache. Deshalb dürfte zumindest der Begriff "Verfassung" endgültig vom Tisch sein. Selbst so einen Vertrag auszuhandeln, dürfte aber schwer fallen. Schon deshalb, weil die EU nach Meinung der Briten eine altmodische, eine überholte Politik betreibt.

    "Für die Landwirtschaft sieben Mal soviel auszugeben wie für Technologie, Wissenschaft und Bildung zusammen, damit setzt die EU keine vernünftigen Prioritäten für ihre Ausgaben im 21. Jahrhundert."
    Dass die Briten mit dem Streichen der Subventionen für die Landwirtschaft gescheitert sind während ihrer Ratspräsidentschaft, hat ihre Vorbehalte gegen die EU nur noch vertieft: Partei übergreifend herrscht der Eindruck, sich gegen ein Europa der Geldverschwendung wehren zu müssen, gegen Bürokratie, Regulierungswut und eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Arbeitslosigkeit geradezu produziert.

    Als schwierig kann man auch der Verhältnis von Warschau und Brüssel bezeichnen. Interessant ist allerdings, dass sich zumindest Teile der polnischen Bevölkerung umso vehementer für die EU aussprechen, je mehr sich die Kaczynski-Brüder in ihrer Ablehnung verbeißen.

    Die Warschauer Nationalkonservativen haben auch ihre politischen Einwände gegen das Grundsatzdokument "Berliner Erklärung" nur unter großem Druck hintangestellt. Denn man wollte sich, so Präsident Lech Kaczynski, nicht noch einmal in Europa isolieren:

    "Wir wären wohl der einzige Staat gewesen, der unter diesen Bedingungen nicht unterzeichnet hätte. Und ich sehe keinen Grund, warum wir uns in diese Situation manövrieren sollten."

    Die polnische Regierung hätte sich - ebenso wie in der Verfassung - auch in der "Berliner Erklärung" einen Gottesbezug oder zumindest ein Bekenntnis zu den christlichen Wurzeln Europas gewünscht. Eine Position, die gegen den Widerstand vor allem von Frankreich und Belgien aber nicht durchzusetzen war. Also zeigte sich der polnische Präsident kompromissbereit:

    "Wir möchten grundsätzlich die Feststellung fixieren, dass die europäische Zivilisation auf christlichen Wurzeln beruht. Bundeskanzlerin Merkel hat bei ihrem Besuch in Warschau aber realistisch eingeschätzt, dass mit der "Berliner Erklärung" alle Staaten einverstanden sein müssten. Ich äußere mein Bedauern, das dies nicht gelungen ist, denn wir sollten unsere Geschichte, so wie sie ist, doch nicht leugnen. Und die zweite Sache, an der Polen sehr lag, ist die Frage der Offenheit der Europäischen Union für andere Staaten. Darüber soll es nun im Dokument zumindest eine Erwähnung geben."

    Polen fühlt sich als Anwalt seines östlichen Nachbarn, der Ukraine, und würde Kiew lieber heute als morgen die Möglichkeit zum EU-Beitritt gewähren.

    Bronislaw Komorowski, Vize-Sejm-Marschall und außenpolitischer Experte der liberal-konservativen PO-Opposition, schreibt das Einlenken der polnischen Regierung bei der "Berliner Erklärung" vor allem der geschickten Diplomatie von Bundeskanzlerin Merkel zu:

    "Die Kanzlerin hat sehr geschickt die polnischen Emotionen angesprochen, den polnischen Stolz, auch die polnischen Ängste und Schmerzen. Es gab Feststellungen, die besagten, der Erfolg der deutschen EU-Ratspräsidentschaft liege in polnischer Hand.
    Frau Merkel hat erreicht, dass die polnische Seite den Erfolg der deutschen Ratspräsidentschaft garantiert, wenn auch hin und wieder mit nicht ganz überzeugenden Erklärungen oder Kompromisslösungen."

    Ob sich dieser Erfolg tatsächlich einstellt, das wird sich erst im Juni erweisen, beim letzten Gipfelttreffen unter deutscher Präsidentschaft. Dann sollen die Arbeiten an einem neuen Verfassungsvertrag für die EU, die seit annähernd zwei Jahren auf Eis liegen, wieder aufgenommen werden. Mit dem Gipfeltreffen von Berlin jedenfalls hat Angela Merkel alle Voraussetzungen dafür geschaffen, dass dies auch gelingt. Der europäische Geist war rund um die Berliner Prachtmeile unter den Linden durchaus spürbar. Diese Grundüberzeugung, die auch vom Feilschen um Strukturbeihilfen und Agrarsubventionen nicht getrübt wird. Dieses Wissen darum, dass die so oft gescholtene EU den Europäern die längste Periode von Frieden und Wohlstand geschenkt hat, die der Kontinent je erleben durfte. In ihrer Rede erinnerte Angela Merkel daran, dass Krieg und Gewalt Jahrhunderte lang zum europäischen Alltag zählten. Bis vor 50 Jahren in Rom die Fundamente für das vereinte Europa gelegt wurden:

    "Wir haben uns gegenseitig verfolgt und vernichtet. Wir haben unsere Heimat verwüstet. Wir haben gefährdet, was uns heilig ist. Die schlimmste Zeit von Hass und Vernichtung liegt noch kein Menschenleben hinter uns. Heute aber, meine Damen und Herren, leben wir miteinander, wie es nie zuvor möglich war. Wir Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union, wir sind zu unserem Glück vereint."

    Genau mit diesem Satz endet die Präambel der Berliner Erklärung, die am Mittag vor prächtiger Kulisse im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums von den Staats- und Regierungschefs verabschiedet wurde. Zum Glück vereint - wie groß dieses Glück nicht nur für Europa als Ganzes, sondern auch für den einzelnen Europäer ist, auch dies machte die Bundeskanzlerin in ihrer Rede deutlich:

    "Ich war sieben Jahre alt, als die Mauer gebaut wurde. Sie teilte auch meine Familie. Ich glaubte nicht, dass ich vor meinem Rentenalter frei in den Westen würde reisen können. Wenige Meter von hier endeten meine Wege. Aber dann fiel die Mauer doch. Ich habe am eigenen Leib die Erfahrung gemacht: Nichts muss so bleiben, wie es ist."

    Und deshalb, so die Schlussfolgerung der Kanzlerin, müssen sich die Mitgliedstaaten der EU stets darum Bemühen, das Erreichte zu wahren. Freiheit und Frieden, Wohlstand und Toleranz:

    "Nichts von all dem ist selbstverständlich. Alles muss immer wieder aufs neue gestärkt und verteidigt werden. Stillstand bedeutet Rückschritt. Vertrauen aufbauen, braucht Jahrzehnte. Vertrauen enttäuschen, das geht über Nacht."

    Bis gestern Abend war an der Berliner Erklärung gefeilt worden. Zuletzt war es die spanische Regierung, die noch Änderungswünsche hatte. Erst als auf ihr Drängen auch der gemeinsame Kampf gegen die illegale Einwanderung in den Katalog der größten Herausforderungen, denen sich die EU stellen muss, aufgenommen war, konnte der Textentwurf in die Druckerei geschickt werden. Zwei Seiten füllt das Dokument. Es beschreibt die Errungenschaften Europas seit der Unterzeichnung der römischen Verträge: Frieden, Wohlstand, Demokratie, Rechtstaatlichkeit und Solidarität. Und es listet die Felder auf, auf denen sich die EU künftig bewähren muss. Die Bewahrung des europäischen Sozialmodells in den Zeiten der Globalisierung. Der Kampf gegen Terrorismus und Kriminalität, der Klimaschutz und die Sicherung der Energieversorgung. Und schließlich, und das dürfte die Kernbotschaft der Erklärung sein, dokumentiert sie den Willen aller Mitgliedstaaten, der EU binnen zwei Jahren eine neue vertragliche Grundlage zu geben.

    Dies alles ist eingekleidet in nüchterne, klare Worte. Ein lesbarer und verständlicher Text - darauf hatte Angela Merkel großen Wert gelegt. Und wer schon einmal eine der üblichen Schlussdeklarationen eines EU-Gipfels gelesen hat, der weiß warum. Der Politikwissenschaftler Josef Janning über den Substanzgehalt der Berliner Erklärung:

    "Die Berliner Erklärung ist ja nicht nur Wortgeklingel. Darin ist ja vorgezeichnet, beispielsweise, die Kompetenzen der Union ein Stück weit zu stärken, etwa, wenn es da heißt: Wir wollen in der Energiepolitik und beim Klimaschutz gemeinsam vorangehen und unseren Beitrag leisten. Wenn man dann in einer Regierungskonferenz sagt, wir werden im Bereich Energie und Klimaschutz die Union stärker ins Spiel bringen, dann kann man sich auf diese Berliner Erklärung berufen."

    Die Erklärung wird unterstützt von allen 27 Mitgliedstaaten, sie trägt aber nur drei Unterschriften: Die der Präsidentin des europäischen Rates Angela Merkel. Die des Kommissionspräsidenten Jose Manuel Barroso und die des Präsidenten des Europaparlamentes, Hans Gerd Pöttering. Beide sind enge Mitstreiter der Bundeskanzlerin, beide unterstützen ihr Vorhaben, der EU eine neue Vertragsgrundlage zu geben. Und das machte Hans Gerd Pöttering auch deutlich, als er im Schlüterhof den Willen der übergroßen Mehrheit der Europaabgeordneten formulierte:

    "Wir wollen, dass die Substanz des Verfassungsvertrages, einschließlich unserer gemeinsamen Werte, bis zu den europäischen Wahlen im Juni 2009 rechtlich verbindlich wird. Wir wollen mehr Demokratie auf allen politischen Ebenen."

    Ob diese Ziele von allen Mitgliedstaaten geteilt werden, bleibt abzuwarten. Schon in den kommenden Tagen beginnen die Vorbereitungen für den Juni-Gipfel. Trotz aller Kritik: Die Kanzlerin bleibt dabei, dass das Dossier der Vertragsreform vertraulich behandelt wird, zwischen den Staatskanzleien, unter Ausschluss der Öffentlichkeit und der Parlamente. Anders sei der Prozess nicht erfolgreich zu beenden, sagte sie nach dem Gipfel. Im Juni, wenn sich die 27 in Brüssel wiedertreffen, soll nach dem Willen Angela Merkels ein präzises Mandat für die Verhandlungen über einen Verfassungsvertrag beschlossen werden. Dieses Mandat soll zwei Teile haben. Erstens einen Zeitplan, der nach Möglichkeit so aussieht: In einer Regierungskonferenz wird der auf Eis liegende Verfassungsentwurf geändert und umgetauft. Dies bis Jahresende. Im kommenden Jahr sollen die Mitgliedstaaten den neuen Vertrag dann ratifizieren, 2009, zur Europawahl kann er dann in Kraft treten. Teil zwei des angestrebten Mandats betrifft inhaltliche Festlegungen und dürfte deshalb weit schwieriger zu vereinbaren sein. Die Bundesregierung möchte im Juni festschreiben, welche Bestandteile der Verfassung nicht wieder zur Disposition gestellt werden. Dazu gehört ihrer Auffassung nach der erste Teil der Verfassung, in dem die institutionellen Reformen festgelegt sind. Ebensowenig möchte Angela Merkel die Verteilung der Stimmgewichte auf die einzelnen Mitgliedstaaten neu verhandeln. Dieses Paket war nur unter größten Schwierigkeiten geschnürt worden, nun soll es keinesfalls wieder aufgeschnürt werden. Vor diesem Hintergrund war es ein ermutigendes Signal, dass Angela Merkel von ihrer jüngsten Polen-Visite die Zusicherung mitbrachte, das Polen nicht darauf beharrt bei der derzeit noch gültigen Stimmengewichtung des Vertrages von Nizza zu bleiben. Die Bundeskanzlerin hat also durchaus Chancen, ihre selbstgesteckten Ziele zu erreichen, so Josef Janning vom Centrum für angewandte Politikforschung:

    "Angela Merkel und ihre Regierung hat in der bisherigen Präsidentschaft ein außerordentliches Geschick bewiesen, Widerstände abzuschmelzen. Wenn Sie einmal daran denken, wie integrationsfreundlich sich der polnische Ministerpräsident und der polnische Staatspräsident nach dem Besuch Merkels in Polen geäußert haben, das ist schon bemerkenswert. Gleichzeitig kann sie und wird sie darauf setzen, dass mit neuen politischen Führungen in Großbritannien und in Frankreich auch ein neues Momentum in Gang kommt. Wenn Deutschland und Frankreich einig sind und dazu noch Großbritannien einig ist, wer will dann sich einem der führenden EU-Staaten als Anführer einer Oppositionskonstellation vorstellen."

    Zumal die Konsequenzen eines Scheiterns des Verfassungsprozesses wohl gravierend wären. Würde auch dieser Anlauf, die Union zu mehr Demokratie, Effizienz und Transparenz zu führen, im Sande verlaufen, wäre das wohl die Wiederkehr der Debatte um ein Kerneuropa. Also um eine Gruppe von Staaten, die bei der weiteren Integration voranschreiten. Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok:

    "Wir müssen sehen, dass hier der belgische Premier Verhofstadt, schon einen Vorschlag gemacht hat, im Falle eines Scheiterns des Verfassungsvertrages, eine politische Union über die Europäische Union zu setzen. Und das wären insbesondere westeuropäische Staaten. Frankreich würde in so einer Frage die Führung übernehmen. Und ich glaube nicht, dass Polen oder Großbritannien ein Interesse daran haben, ein europäisches Land zweiter Klasse zu werden. Aber es wäre die automatische Konsequenz. Damit würden wir wieder eine neue Spaltung in Europa hineinbringen. Und das wäre keine gute Entwicklung."

    Und deshalb warnte Angela Merkel heute in Berlin auch eindringlich davor. Ein Scheitern wäre ein historisches Versäumnis, sagte sie, und fügte hinzu:

    "Und so wünsche ich mir, dass die Bürgerinnen und Bürger Europas in 50 Jahren sagen werden: Damals in Berlin, da hat das vereinte Europa die Weichen richtig gestellt. Da hat die Europäische Union den richtigen Weg in eine gute Zukunft eingeschlagen. Sie hat anschließend ihre Grundlagen erneuert, um nach innen auf diesem alten Kontinent wie nach außen in dieser einen großen, kleinen Welt einen Beitrag zu leisten - für die Menschen. Das ist unser Auftrag für die Zukunft."