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Fahrverbote
"Der Diesel wird bis 2040 eine wichtige Rolle spielen"

In vielen Großstädten wird wegen der Feinstaub-Belastung derzeit über Fahrverbote für ältere Diesel-Autos diskutiert. Willi Diez, Professor für Automobilwirtschaft, hält deren Wirkung für begrenzt. Am Dieselmotor müsse zumindest übergangsweise festgehalten werden, sage er im DLF. Er warnte zudem vor sozialen Auswirkungen solcher Verbote.

Willi Diez im Gespräch mit Sina Fröhndrich | 07.03.2017
    Schild mit der Aufschrift "Schmutzige Diesel raus!" neben einem "Verbotsschild für Dieselfahrzeuge", das von Greenpeace für die Aktion aufgestellt wurde.
    Unter anderem Greenpeace fordert schon seit Längerem Fahrverbote für Dieselfahrzeuge in bestimmten Bereichen von Innenstädten. (dpa/picture alliance/Lino Marcel Mirgeler)
    Sina Fröhndrich: SUVs und schnelle Sportwagen – der Genfer Autosalon war schon immer eine Show für schnelle Autos, auch wenn es dieses Jahr tatsächlich einige Kleinwagen gibt, die vorgestellt werden. Irgendwie geht es in der Autowelt aber trotzdem oft um möglichst viel PS. Viele der neuen Modelle in Genf sind weit davon entfernt, die EU-Vorgaben zum CO2-Ausstoß zu erfüllen.
    Der Diesel ist und bleibt beliebt, sagt Daimler-Chef Zetsche. Die Neuzulassungszahlen für Deutschland sagen aber etwas anderes. Im Februar wurden nämlich erneut weniger Diesel-Autos neu zugelassen, denn der Diesel ist umstritten. Grund dafür sind auch die möglichen Fahrverbote, die Autokäufer verunsichern.
    Wir wollen das Thema Diesel-Verbote vertiefen mit Willi Diez. Er ist Professor für Automobilwirtschaft an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Ich habe ihn heute Mittag erreicht. Herr Diez, der Absatz von Diesel-Autos geht zurück. Trotzdem werben die Autobauer dafür, sagen auch, neue Diesel sind sauber. Wie sehen Sie das?
    Willi Diez: Na ja, wir haben ein bisschen einen Schlingerkurs in Sachen Diesel. Lange Zeit wurde der Diesel hoch gelobt und gefeiert, weil er tatsächlich, wenn wir über das Thema CO2-Reduktion und damit Bekämpfung des Klimawandels reden, unbestreitbar seine Vorteile hat. Diesel-Fahrzeuge verbrauchen weniger und emittieren weniger CO2. Jetzt hat sich der Wind ein bisschen gedreht. Plötzlich steht ganz im Vordergrund das Thema Feinstaub-Belastung, Stickoxid-Belastung in Städten, und da tut sich der Diesel ein bisschen schwerer. Klar ist: Die neuen Diesel wie Euro-VI-Diesel sind deutlich sauberer als ihre Vorgängermodelle. Dass das aber noch nicht das Ende der Fahnenstange sein kann beim Thema Abgasreinigung, ist auch klar. Da müssen sicher die Automobilhersteller auch künftig noch mal weiter nachlegen, um den Diesel auch wirklich zu retten.
    "Die Zukunft gehört ganz eindeutig der Elektromobilität"
    Fröhndrich: Das heißt, nachlegen beim Diesel, oder nachlegen bei anderen Antriebstechniken?
    Diez: Sowohl als auch. Ich denke, die Zukunft gehört ganz eindeutig der Elektromobilität. Aber im Moment haben wir natürlich dort auch ein paar technische Probleme. Das muss gelöst werden. Ich bin absolut davon überzeugt, ab 2020 wird bei den Elektroautos wirklich die Post abgehen. Da wird das Angebot steigen, wird auch die Nachfrage steigen. Aber das ist natürlich immer ein Prozess, der viele Jahre dauert, um das umzustellen, und so lange brauchen wir auch vernünftige Brückentechnologien und eine davon ist sicher auch der Diesel.
    Fröhndrich: Haben Sie denn das Gefühl, dass die Automobilhersteller das erkannt haben? Weil wenn man sich die Argumentation genau anschaut, hat man nicht das Gefühl, dass der Diesel nur als Brückentechnologie bezeichnet wird, sondern insgesamt wird dem Verbrennungsmotor ja auch noch mal ein womöglich zweiter Frühling bescheinigt.
    Diez: Ja, es ist natürlich immer die Frage, wie man die Spannweite, die zeitliche Spannweite sieht. Der Diesel wird sicher noch viele Jahrzehnte, ich schätze mal zumindest bis zum Jahr 2040 eine wichtige Rolle spielen im Antriebsmix. Aber andererseits weiß natürlich auch jeder Hersteller, dass er in den nächsten Jahren sehr, sehr viel in Sachen Elektromobilität tun muss, und ich bin sicher, beim Genfer Automobilsalon 2019 werden wir dann sehr, sehr viele neue, auch wirklich kaufbare Elektroautos sehen.
    Fröhndrich: Wenn wir jetzt noch mal beim Diesel bleiben. Sie haben es gesagt, der Diesel ist ein bisschen zum Schmuddelkind verkommen, oder hat im Moment ein sehr schlechtes Image. Es wird über Fahrverbote gesprochen. Was bringen die denn tatsächlich?
    Diez: Ja, die Wirkung ist natürlich begrenzt, denn nur etwa sechs bis acht Prozent der Feinstaub-Belastung in den großen Städten kommt ja wirklich aus dem Auspuff. Alles andere ist Bremsabrieb, und der ist natürlich beim Diesel nicht anders wie beim Benziner. Da kommt das Thema Aufwirbelung dazu, das ist einfach eine Folge von fahrenden Autos, egal welchen Antrieb sie haben. Auf der anderen Seite muss man klar sehen: Die Politik muss da reagieren, denn es drohen große und erhebliche Strafen. Ich persönlich hätte die blaue Plakette für eine gute Lösung gehalten, weil damit auch klar ist, wer einen sauberen Diesel hat, der kann auch weiter in die Stadt fahren, wer nicht, der muss draußen bleiben. So haben wir natürlich jetzt ein bisschen das Problem, dass viele Menschen den Eindruck haben, Diesel geht gar nicht mehr, und das führt natürlich dann auch zu rückläufigen Verkaufszahlen beim Diesel.
    "Alle Verbote haben natürlich auch gewisse soziale Wirkungen"
    Fröhndrich: Was aber vielleicht am Ende gar nicht so verkehrt ist, weil man dann doch als Verbraucher – den Verbraucher sollte man ja auch in die Pflicht nehmen – über alternative Antriebe nachdenkt, über Hybride oder dann auch das Elektroauto.
    Diez: Gar keine Frage. Man muss diese Denkanstöße geben. Man muss auch entsprechende Akzente setzen. Nur muss man natürlich auch immer wieder sagen, alle Verbote, mit Diesel-Fahrzeugen in die Städte reinzufahren, haben natürlich auch gewisse soziale Wirkungen. Wenn wir sagen, der mit dem neuen Diesel, der darf reinfahren, der mit dem alten Diesel nicht, dann trifft das natürlich eher wieder diejenigen, die viel Geld haben. Die kaufen sich ein neues Auto, kaufen sich vielleicht dann auch das Elektroauto. Die, die nicht so viel Geld haben, müssen dann draußen bleiben. Auch das ist natürlich ein Thema, was man immer bei solchen Diskussionen mit berücksichtigen muss.
    Fröhndrich: Wenn wir noch mal kurz auf den Verbrenner schauen. Welche Zukunft hat denn der Verbrennungsmotor? Werden wir uns von dem verabschieden, oder hat er noch eine Zukunft?
    Diez: Ja, ganz klar. Der Verbrennungsmotor herkömmlicher Bauart ist ein Auslaufmodell. Das weiß eigentlich auch jeder in der Branche. Die Diskussion geht ja eher darüber, wie schnell wird dieser Prozess kommen. Noch gibt es natürlich auch Potenzial, den Verbrennungsmotor noch verbrauchssparsamer, auch noch sauberer zu machen. Das wird man sicher auch ausschöpfen. Aber ich wage jetzt mal die Prognose, im Jahr 2050 wird es sicher keine Verbrennungsmotoren mehr in Autos, zumindest nicht in Deutschland geben.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.