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Fahrzeugindustrie
Alles nur noch Software?

Die Arbeit und die Produkte der Autoindustrie sind ohne den massiven Software-Einsatz heute kaum noch denkbar. Vom Ziel, Fahrzeuge permanent autonom fahren zu lassen, ist man technologisch jedoch noch weit entfernt. Auch das Verkehrsrecht müsste dafür wohl geändert werden.

Von Jan Rähm | 12.03.2016
    Dicht gedrängt fahren Autos auf der Autobahn 9 am Inntal-Dreieck
    Durch eine Technologie namens "vernetzter Horizont" soll ein autonom fahrendes Auto von den Daten profitieren, die andere Fahrzeuge in der Umgebung bereits gesammelt haben. (picture alliance / dpa /dpaweb / Matthias Schrader)
    "Das Auto hat im Prinzip zwei direkte Verbindungen zum Internet der Dinge. Das eine ist, dass das Auto ein Sensor ist. Das heißt, das Auto stellt Daten zur Verfügung, die dann auch für verschiedenste Applikationen genutzt werden können, im einfachsten Fall für eine bessere, für eine zuverlässigere Verkehrsprognose oder eben auch für weitere Dinge, wo dann letzten Endes mein Haus weiß, dass mein Auto gerade auf dem Weg nach Hause und damit ich wohl auch auf dem Weg nach Hause bin und sich dann entsprechend auf mich oder meine Ankunft einrichten kann. Das heißt, das Auto als Sensor, und auf der anderen Seite, drehen wir den Pfeil um, auch das Auto wird ganz intensiv die Daten aus der Cloud, aus dem Internet der Dinge nutzen können, um seine eigene Performance entsprechend zu verbessern."
    Klaus Kompass leitet die Hauptabteilung Fahrzeugsicherheit bei der BMW AG. Wie das Auto die Daten mit einer Cloud und anderen Akteuren austauscht, das ist derzeit eines der großen Themen in Forschung und Entwicklung. Da gerade Fahrzeuge auf möglichst verzögerungsfreie und jederzeit zur Verfügung stehende Daten angewiesen ist, setzen die Entwickler auf einen Kniff. Sie schaffen einen virtuellen Zwilling des Autos in der Cloud. Der bekommt seine Daten vom realen Fahrzeug, wenn die Sendebedingungen gut sind – im Idealfall ununterbrochen. Und mithilfe der Daten berechnen Algorithmen in der Cloud anhand des virtuellen Modells, dem Zwilling, alle gewünschten Parameter. Die werden dann ebenfalls, wenn die Übertragungsbedingungen stimmen, wieder an das echte Auto geschickt. Das ist nur eine der Baustellen in Sachen vernetzter und automatisierter Fahrzeuge. Eine andere Baustelle ist die Datenerfassung, erklärt Matthias Schulze, der sich mit der Umgebungserkennung bei Daimler AG beschäftigt.
    "Eine ganz große Herausforderung liegt bei der Sensorik. Aktuelle Sensoren erfassen die Umgebung schon ganz hervorragend. Man ist immer wieder überrascht, wie gut Kameras auch noch unter relativ schlechten Sichtverhältnisse sehen, aber trotzdem ist das noch nicht ausreichend, um wirklich zuverlässig autonom zu fahren in allen denkbaren Bedingungen."
    Von den Daten anderer Autos profitieren
    Mehr sehen im übertragenen Sinne soll das Auto mithilfe einer Technologie, die die Entwickler den "Vernetzten Horizont" nennen. Dabei werden alle verfügbaren Daten aus Fahrzeugen in der Umgebung, Infrastruktur, Wetterbeobachtung, Topografie, Verkehrslenkung und viele weitere so kombiniert, dass das Fahrzeug sich auf das, was gleich kommt, bereits vorbereiten kann. Bremsbereit machen, weil ein Stau hinter der nächsten Kurve wartet? In den Segelmodus schalten, weil's gleich bergab geht? Solche Fragen soll der vernetzte Horizont beantworten helfen. Fragen beantworten müssen auch noch Politik und Justiz. Sie sind verantwortlich für den regulatorische Rahmen, in dem die Fahrzeuge fahren. Und der ist in Europa und Deutschland immer noch sehr eng. Daimler-Manager Matthias Schulze nennt ein Beispiel.
    "Da ist zum Beispiel die Lenkungsverordnung, die sagt, dass nur bei Geschwindigkeiten unterhalb 10 km/h automatisch gelenkt werden kann. Diese Verordnung ist in Kraft und diese Verordnung lässt es eben im Moment nicht zu, bei höheren Geschwindigkeiten autonom zu fahren."
    Um die bestehenden Hindernisse zu überwinden, sieht BMW-Ingenieur Klaus Kompass nur einen Weg: Zusammenarbeit und Standards.
    "Wir haben gerade mit dem automatisierten Fahren oder mit den neuen Funktionen die ganz große Notwendigkeit, neue Standards zu schaffen. Es macht keinen Sinn und macht keinen Mehrwert, wenn jeder Fahrzeughersteller oder jeder Zulieferer für sich irgendetwas neues erfindet, sondern wir sind ja an vielen Stellen unterwegs, wo wir definitiv eine Zusammenarbeit, eine Kooperation, eine überwettbewerbliche Kooperation brauchen."