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Fall Anis Amri
"Vertuschung rückhaltlos aufklären"

Die Vertuschung eines Aktenvermerks im Fall des Berliner Attentäters Anis Amri dürfe nicht den Eindruck erwecken, dass der Anschlag hätte verhindert werden können, sagte CDU-Innenexperte Burkard Dregger im DLF. Gleichfalls müsse die Vertuschung rückhaltlos aufgeklärt werden.

Burkard Dregger im Gespräch mit Christine Heuer | 23.05.2017
     Burkard Dregger, Innenexperte der CDU
    Burkard Dregger, Innenexperte der CDU, warnt davor, im Fall Amri vorschnelle Schlüsse zu ziehen (dpa / Rolf Zöllner)
    Christine Heuer: Anis Amri, der Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, ist den Behörden gleich mehrfach durch die Lappen gegangen: Behördenfehler, Fehleinschätzungen und Verspätung all überall. In Nordrhein-Westfalen kümmert sich seit Monaten ein Untersuchungsausschuss um den Fall und nun auch einer im Berliner Abgeordnetenhaus. Der Vorwurf hier: eine absichtliche Vertuschung von - ja was - Pannen, oder bewusster Nichtverfolgung durch die Behörden? Fakt ist: Im Landeskriminalamt wurde ein Vermerk über Anis Amri rückwirkend verändert und verharmlost. Sonst hätte man den Mann vor dem Attentat nicht nur festnehmen können, sondern wohl festnehmen müssen. Am Telefon ist Burkard Dregger, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Guten Morgen, Herr Dregger.
    Burkard Dregger: Guten Morgen!
    Sehr gewagte These des Innensenators
    Heuer: Ein Beamter fälscht nachträglich einen Vermerk, auf dessen Grundlage der Mann vor dem Attentat hätte verhaftet werden können. Warum macht man so etwas?
    Dregger: Das ist mir völlig unbegreiflich. Ich habe dafür keine Erklärung. Ich muss aber nach der gestrigen Sitzung des Innenausschusses hinzufügen: Es ist eine sehr gewagte These, die der Innensenator aufgestellt hat mit dem Vorwurf an die eigene Polizei. Er hat bereits den Eindruck erweckt, dass das so gewesen sei, und er befindet sich hier auf sehr dünnem Eis, was die zu ermittelnden Tatsachen anbetrifft. Nach meinen Erkenntnissen war auch die Staatsanwaltschaft informiert über den Anfangsverdacht eines gewerbsmäßigen Drogenhandels, der möglicherweise Anlass hätte geben können, einen Haftbefehl zu beantragen. Und dass wirklich diese merkwürdige Veränderung des Vermerkes dazu geführt hat, dass der Terroranschlag nicht verhindert worden ist, dafür gibt es bis heute keinerlei Erkenntnisse.
    Heuer: Warum, Herr Dregger, verändert man einen solchen Vermerk? Dafür kann es doch keinen anderen Anlass geben als Vertuschung, oder?
    Dregger: Das kann ich Ihnen auch nicht sagen. Die Frage ist nur, was und aus welchem Interesse vertuscht werden sollte. Das muss rückhaltlos aufgeklärt werden. Aber ich wehre mich auf der Grundlage des bisherigen Erkenntnisstandes dagegen, den Eindruck zu erwecken, dadurch wäre der Terroranschlag nicht verhindert worden. Diese Kausalität kann man gar nicht aufstellen und da hat sich der Berliner Innensenator ein bisschen weit aus dem Fenster gelehnt. Sollte es so gewesen sein, dann muss man es aufklären. Das ist völlig richtig. Aber es ist falsch, vorschnelle Schlüsse zu ziehen und auf die eigene Polizei zu zeigen, ohne auf einem sicheren Tatsachenfundament zu stehen. Insgesamt sind wir dafür, dass diese Dinge aufgeklärt werden, und da wir das Vertrauen in den Aufklärungswillen und die Transparenz des Innensenators verloren haben, haben wir als CDU-Fraktion gestern auch uns für die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses ausgesprochen.
    "Es fehlen objektive Erkenntnisse"
    Heuer: Herr Dregger, aber die Frage bleibt ja: Warum tut man das? Es gibt ja viele, die vermuten, dass es Anweisungen von oben gab, dass aus irgendeinem Grund Anis Amri vielleicht sogar geschützt werden sollte, vielleicht, weil er ein V-Mann war, vielleicht, weil man Informationen von ihm brauchte oder abgreifen wollte. Halten Sie das für komplett unplausibel?
    Dregger: Nein, unplausibel ist so was nicht. Das wäre ein Erklärungsversuch. Leider fehlen uns bisher jegliche objektiven Erkenntnisse dazu. Und es wird auch Aufgabe des Untersuchungsausschusses sein, hier Untersuchungen vorzunehmen, um festzustellen, ob das so gewesen ist. Aber an Spekulationen möchte ich mich nicht beteiligen. Auch der in Berlin tätige Sonderermittler Bruno Jost warnt davor, voreilige Spekulationen zu nähren. Da hat er auch Recht, denn wir müssen ja auch eins sehen: Wenn wir hier spekulativ arbeiten, auf diese Weise, und es stellt sich nachher heraus, dass es nicht so gewesen ist, dann haben wir nur eins erreicht, nämlich nicht Aufklärung, sondern wir haben im Grunde das Ansehen unserer Sicherheitsbehörden nachhaltig beschädigt, und daran werde ich mich jedenfalls nicht beteiligen.
    Heuer: Okay. Aber worüber wir schon sprechen können, weil es ja diesen gefälschten Vermerk definitiv gegeben hat, ist die politische Verantwortung. Innensenator in der fraglichen Zeit war Ihr Parteikollege Frank Henkel. Hat der einen Fehler gemacht?
    Dregger: Mir ist kein Fehler bekannt. Aber wenn ein Fehler durch den Untersuchungsausschuss aufgeklärt werden sollte, dann wird der nicht vertuscht, sondern klar herausgearbeitet. Unsere Aufgabe ist es nicht, Personen zu schützen, sondern unsere Aufgabe ist, die Umstände, die zu dem Attentat am Breitscheidplatz führen konnten, aufzuklären. Das schulden wir den Opfern und ihren Angehörigen und da gibt es keinerlei Rücksichtnahme auf das Ansehen einzelner Personen. Daran können Sie uns und daran können Sie mich auch persönlich messen, wenn wir unsere Arbeit als Untersuchungsausschuss aufnehmen.
    Heuer: Burkhard Dregger, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Vielen Dank für das Interview.
    Dregger: Ich danke Ihnen.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.