Dirk Müller: Wer ist denn nun Schuld, Michael Ballack selbst, oder Jogi Löw, oder der DFB, oder alle Seiten ein bisschen? Ein ehrenvoller Abschied stand auf dem Spielplan, doch dieser ist inzwischen verschossen. Stattdessen stehen Aussage gegen Aussage, stehen Anschuldigungen gegen Anschuldigungen: der Spieler gegen den Trainer, der Spieler gegen die Funktionäre des Deutschen Fußballbundes. Der DFB hatte am Wochenende behauptet, bereits im März sei dem früheren Mannschaftsführer signalisiert worden, das war's mit uns, du wirst nicht mehr gebraucht in der Nationalmannschaft. Daraufhin kontert Michael Ballack schriftlich: Das alles ist schlichtweg nicht wahr. Michael Ballack war einst der Garant für die Leistung der Nationalmannschaft, bei zahlreichen Europa- und Weltmeisterschaften der Garant dafür, dass ein Führungsspieler das Team auf dem Platz zusammengehalten hat und in Phasen der Krisen wieder nach vorne bringen konnte. Mit einem Freundschaftsspiel als einem würdigen Abschied will sich der Profi von Bayer Leverkusen nicht abspeisen lassen.
Ballack und der DFB. Am Telefon ist nun Ex-Nationalspieler Olaf Thon, Weltmeister von 1990. Guten Morgen!
Olaf Thon: Einen wunderschönen guten Morgen!
Müller: Herr Thon, geht man so mit einem verdienten Ex-Kapitän um?
Thon: Natürlich nicht und man hätte alles viel besser regeln können, wenn man miteinander gesprochen hätte, ganz offen und ehrlich. Aber das ist halt so. Die Vergangenheit, glaube ich, ist schuld, weil Jogi Löw auch mal Co-Trainer war unter Jürgen Klinsmann, wo Ballack seine Hochzeit hatte, und da bestand ein ganz anderes Verhältnis. Michael Ballack als Kapitän war der King und Jogi Löw war damals sozusagen nicht der Fußabtreter, aber doch eher in der zweiten, dritten Reihe, und dadurch war das Machtverhältnis ganz anders, als es jetzt gekommen ist. Und daher hat auch Michael Ballack ein ganz anderes Verhältnis zu Jogi Löw, und deswegen gab es auch keine, leider keine klare Aussage. Jeder weiß, dass die Nationalmannschaft ohne Michael Ballack klarkommt, aber diesen Abschied hat er einfach nicht verdient.
Müller: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, gehen Sie davon aus, dass es auch so etwas wie eine persönliche Revanche von Jogi Löw ist?
Thon: Eine Revanche weniger, sondern ein Rumgeeiere, was keiner eigentlich gebraucht hätte: Michael Ballack nicht, er ist ein Weltstar, hat alles erreicht, gut, ein paar Titel zu wenig, Jogi Löw hat die Nationalmannschaft richtig nach vorne gebracht, etabliert, ist anerkannt, und keiner von beiden hätte dieses nötig gehabt und Michael Ballack hätte ein tolles Abschiedsspiel gegen Brasilien verdient gehabt. Und dass man jetzt darauf rumreitet, über Ehre zu sprechen und über verletzte Eitelkeiten? Keiner gewinnt dabei, es gibt keinen Gewinner, nur Verlierer.
Müller: Jetzt hat ja selbst Rudi Völler gesagt, der ja versucht hat, in diesem Konflikt zu vermitteln, Michael Ballack, der ist richtig stur. Stimmt das?
Thon: Ja! Er ist richtig stur. Der Bundestrainer ist auf seine Weise stur, der DFB insgesamt zeigt wieder seine alten verkrusteten Strategien, und von daher gibt es auf allen Seiten nur Verlierer. Letztendlich ist das im Sommerloch so ein Thema, was hochgekocht wird und was ich persönlich gar nicht mal so als schlimm empfinde. Ältere Spieler, die aufhören, dieses Problem hat immer Wellen geschlagen und jetzt auch wieder bei Michael Ballack. Das ist für manche interessant, für mich persönlich tut es mir nur leid, weil Michael Ballack, den hätte ich gerne gesehen über 90 Minuten gegen Brasilien, aber seine Leistung ist halt leider nicht mehr entsprechend, dass er in der Nationalmannschaft da der Capitano sein kann, und schade eigentlich, dass er durch eine Verletzung nur rausgeschmissen wurde. Von daher wünsche ich mir, dass er ein Zeichen setzt, und ich wünsche mir, vielleicht hört er es heute Morgen, oder er liest es, und ich würde ihm zurufen zu sagen, Mensch, auch wenn er enttäuscht ist, eitel ist, um zu sagen, es hätte anders laufen können in den persönlichen Gesprächen, ich nehme dieses Geschenk und dieses freundschaftliche Angebot des Spiels gegen Brasilien an, auch, wenn ich enttäuscht bin, spiele ich für meine Fans, wie er selber gesagt hat, das bin ich denen schuldig, spiele ich dieses Spiel und mache mein 99. und letztes Länderspiel.
Müller: Kramen wir, Olaf Thon, vielleicht noch ein bisschen in der Vergangenheit herum. Sie haben das eben angesprochen: Verkrustete Strukturen beim DFB, die seien nach Ihrer Sicht jetzt wieder auch zum Ausbruch gekommen. Hat es etwas Vergleichbares zu Ihrer Zeit gegeben?
Thon: Ich persönlich habe das auch erfahren, als ich mit 36 Jahren nicht mehr in der Lage war, mit den jungen Spielern mitzuhalten, und dann die Gespräche mit Managern, mit Trainern zu führen. Die laufen dann halt nicht so, wie man sich das vorstellt, und dann ist man natürlich enttäuscht. Ich glaube, Michael Ballack hätte die Größe besitzen müssen, einfach zu sagen, okay, das war's, es gab keine klare Aussage, ich spiele jetzt meine Saison in Leverkusen zu Ende, habe einen tollen Abschied mit diesem Länderspiel gegen Brasilien, und gar nicht mehr auf irgendwelche Telefonate, SMS oder Aussagen des DFB zu reagieren, einfach sein Ding durchzuziehen. Das hätte ich ihm gewünscht, ist leider nicht so gekommen, wie so oft.
Müller: Hat Michael Ballack in der Rolle als Kapitän, als er darin noch unumstritten war, zu sehr seine Führungsrolle, zu sehr seine Dominanz innerhalb der Mannschaft ausgeübt?
Thon: Ja das ist oft so, wenn man so ein Alphatier ist, reingetrieben wurde. Man hat ja oft bemängelt, dass er nicht ein Typ ist wie Matthäus, wie Effenberg, sondern eher der besonnene Ballack. Es zeigt sich jetzt, dass er in diese Rolle hineingedrängt wurde, die er gar nicht darstellte. Ich habe ihn immer kennengelernt als sehr sympathisch ruhigen eloquenten Typen. Wie gesagt, das wäre ein Wunschtraum von mir, dass er alles bereinigen könnte, indem er jetzt Rolle rückwärts macht und einfach sagt, für die Fans mache ich mein letztes Spiel.
Müller: Hat Jogi Löw Probleme mit Führungsspielern, die Ecken und Kanten haben? Wir haben Michael Ballack jetzt in der aktuellen Diskussion, es gab ja auch die Auseinandersetzung um Torsten Frings, da scheint ja auch einiges kommunikativ zumindest schief gelaufen zu sein. Hat Löw Probleme?
Thon: Ich glaube nicht, dass Jogi Löw Probleme hat, weil, er hat wirklich einen großen Anteil, dass die deutsche Nationalmannschaft so unangefochten an der Spitze steht und jetzt auch die Qualifikation zur Europameisterschaft schaffen wird. Ich glaube, das geht dahin zurück, dass er Co-Trainer war zu der Zeit, als diese Spieler, Frings, Ballack, richtig stark waren, dominant waren und eine Führungsrolle im DFB gespielt haben, und nichts anderes.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Ex-Nationalspieler Olaf Thon, Weltmeister von 1990. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Thon: Danke schön! Tschüß!
Dradio aktuell: Bundestrainer Löw beendet Ballacks Nationalmannschaftskarriere
Ballack und der DFB. Am Telefon ist nun Ex-Nationalspieler Olaf Thon, Weltmeister von 1990. Guten Morgen!
Olaf Thon: Einen wunderschönen guten Morgen!
Müller: Herr Thon, geht man so mit einem verdienten Ex-Kapitän um?
Thon: Natürlich nicht und man hätte alles viel besser regeln können, wenn man miteinander gesprochen hätte, ganz offen und ehrlich. Aber das ist halt so. Die Vergangenheit, glaube ich, ist schuld, weil Jogi Löw auch mal Co-Trainer war unter Jürgen Klinsmann, wo Ballack seine Hochzeit hatte, und da bestand ein ganz anderes Verhältnis. Michael Ballack als Kapitän war der King und Jogi Löw war damals sozusagen nicht der Fußabtreter, aber doch eher in der zweiten, dritten Reihe, und dadurch war das Machtverhältnis ganz anders, als es jetzt gekommen ist. Und daher hat auch Michael Ballack ein ganz anderes Verhältnis zu Jogi Löw, und deswegen gab es auch keine, leider keine klare Aussage. Jeder weiß, dass die Nationalmannschaft ohne Michael Ballack klarkommt, aber diesen Abschied hat er einfach nicht verdient.
Müller: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstanden habe, gehen Sie davon aus, dass es auch so etwas wie eine persönliche Revanche von Jogi Löw ist?
Thon: Eine Revanche weniger, sondern ein Rumgeeiere, was keiner eigentlich gebraucht hätte: Michael Ballack nicht, er ist ein Weltstar, hat alles erreicht, gut, ein paar Titel zu wenig, Jogi Löw hat die Nationalmannschaft richtig nach vorne gebracht, etabliert, ist anerkannt, und keiner von beiden hätte dieses nötig gehabt und Michael Ballack hätte ein tolles Abschiedsspiel gegen Brasilien verdient gehabt. Und dass man jetzt darauf rumreitet, über Ehre zu sprechen und über verletzte Eitelkeiten? Keiner gewinnt dabei, es gibt keinen Gewinner, nur Verlierer.
Müller: Jetzt hat ja selbst Rudi Völler gesagt, der ja versucht hat, in diesem Konflikt zu vermitteln, Michael Ballack, der ist richtig stur. Stimmt das?
Thon: Ja! Er ist richtig stur. Der Bundestrainer ist auf seine Weise stur, der DFB insgesamt zeigt wieder seine alten verkrusteten Strategien, und von daher gibt es auf allen Seiten nur Verlierer. Letztendlich ist das im Sommerloch so ein Thema, was hochgekocht wird und was ich persönlich gar nicht mal so als schlimm empfinde. Ältere Spieler, die aufhören, dieses Problem hat immer Wellen geschlagen und jetzt auch wieder bei Michael Ballack. Das ist für manche interessant, für mich persönlich tut es mir nur leid, weil Michael Ballack, den hätte ich gerne gesehen über 90 Minuten gegen Brasilien, aber seine Leistung ist halt leider nicht mehr entsprechend, dass er in der Nationalmannschaft da der Capitano sein kann, und schade eigentlich, dass er durch eine Verletzung nur rausgeschmissen wurde. Von daher wünsche ich mir, dass er ein Zeichen setzt, und ich wünsche mir, vielleicht hört er es heute Morgen, oder er liest es, und ich würde ihm zurufen zu sagen, Mensch, auch wenn er enttäuscht ist, eitel ist, um zu sagen, es hätte anders laufen können in den persönlichen Gesprächen, ich nehme dieses Geschenk und dieses freundschaftliche Angebot des Spiels gegen Brasilien an, auch, wenn ich enttäuscht bin, spiele ich für meine Fans, wie er selber gesagt hat, das bin ich denen schuldig, spiele ich dieses Spiel und mache mein 99. und letztes Länderspiel.
Müller: Kramen wir, Olaf Thon, vielleicht noch ein bisschen in der Vergangenheit herum. Sie haben das eben angesprochen: Verkrustete Strukturen beim DFB, die seien nach Ihrer Sicht jetzt wieder auch zum Ausbruch gekommen. Hat es etwas Vergleichbares zu Ihrer Zeit gegeben?
Thon: Ich persönlich habe das auch erfahren, als ich mit 36 Jahren nicht mehr in der Lage war, mit den jungen Spielern mitzuhalten, und dann die Gespräche mit Managern, mit Trainern zu führen. Die laufen dann halt nicht so, wie man sich das vorstellt, und dann ist man natürlich enttäuscht. Ich glaube, Michael Ballack hätte die Größe besitzen müssen, einfach zu sagen, okay, das war's, es gab keine klare Aussage, ich spiele jetzt meine Saison in Leverkusen zu Ende, habe einen tollen Abschied mit diesem Länderspiel gegen Brasilien, und gar nicht mehr auf irgendwelche Telefonate, SMS oder Aussagen des DFB zu reagieren, einfach sein Ding durchzuziehen. Das hätte ich ihm gewünscht, ist leider nicht so gekommen, wie so oft.
Müller: Hat Michael Ballack in der Rolle als Kapitän, als er darin noch unumstritten war, zu sehr seine Führungsrolle, zu sehr seine Dominanz innerhalb der Mannschaft ausgeübt?
Thon: Ja das ist oft so, wenn man so ein Alphatier ist, reingetrieben wurde. Man hat ja oft bemängelt, dass er nicht ein Typ ist wie Matthäus, wie Effenberg, sondern eher der besonnene Ballack. Es zeigt sich jetzt, dass er in diese Rolle hineingedrängt wurde, die er gar nicht darstellte. Ich habe ihn immer kennengelernt als sehr sympathisch ruhigen eloquenten Typen. Wie gesagt, das wäre ein Wunschtraum von mir, dass er alles bereinigen könnte, indem er jetzt Rolle rückwärts macht und einfach sagt, für die Fans mache ich mein letztes Spiel.
Müller: Hat Jogi Löw Probleme mit Führungsspielern, die Ecken und Kanten haben? Wir haben Michael Ballack jetzt in der aktuellen Diskussion, es gab ja auch die Auseinandersetzung um Torsten Frings, da scheint ja auch einiges kommunikativ zumindest schief gelaufen zu sein. Hat Löw Probleme?
Thon: Ich glaube nicht, dass Jogi Löw Probleme hat, weil, er hat wirklich einen großen Anteil, dass die deutsche Nationalmannschaft so unangefochten an der Spitze steht und jetzt auch die Qualifikation zur Europameisterschaft schaffen wird. Ich glaube, das geht dahin zurück, dass er Co-Trainer war zu der Zeit, als diese Spieler, Frings, Ballack, richtig stark waren, dominant waren und eine Führungsrolle im DFB gespielt haben, und nichts anderes.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Ex-Nationalspieler Olaf Thon, Weltmeister von 1990. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Thon: Danke schön! Tschüß!
Dradio aktuell: Bundestrainer Löw beendet Ballacks Nationalmannschaftskarriere