Mittwoch, 24. April 2024

Archiv

Fall Böhmermann
Erdogans Anwalt will bis zur letzten Instanz gehen

Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan erhöht den Druck in der Böhmermann-Affäre und will notfalls alle Rechtsmittel ausschöpfen. Man wolle in jedem Fall eine Verurteilung des Satirikers Jan Böhmermann erreichen, so sein Anwalt. Derweil geht die öffentliche Debatte um den ZDF-Satiriker weiter.

Von Gudula Geuther | 13.04.2016
    Der Moderator Jan Böhmermann
    Der Moderator Jan Böhmermann (imago)
    Im Streit um das Schmähgedicht gegen Recep Tayyip Erdogan will der türkische Staatschef in jedem Fall eine Verurteilung des Satirikers Jan Böhmermann erreichen. Sein Anwalt Hubertus von Sprenger sagte am Abend im ZDF, er werde, wenn nötig den Instanzenweg ausschöpfen. Möglich ist das unabhängig davon, wie sich die Bundesregierung im konkreten Fall verhält. Denn zusätzlich zum Strafverlangen, das die Türkei wegen Beleidigung ihres Staatsoberhaupts gestellt hat, hat Erdogan auch persönlich Strafanzeige wegen Beleidigung gestellt. Über ein solches Verfahren entscheiden die Gerichte – sprich: das Amtsgericht Mainz –, ohne dass eine Ermächtigung durch die Bundesregierung nötig wäre. Zum Ziel der Klagen sagte Erdogans Anwalt von Sprenger:
    "Er wird sicherlich keine erhebliche Strafe bekommen, sondern es wird eine Strafe sein, die erforderlich ist, um ihn auf den rechten Weg wieder zurückzuführen: Satire zu machen, und nicht mehr plumpe Beleidigungen."
    Eine Verurteilung hält auch der Medienrechtsanwalt Ralf Höcker nach der "Beleidigungsorgie", wie er es nennt, für wahrscheinlich. Dass die minutenlange Aufzählung von Schmähbegriffen völlig überzogen und damit nicht ernst gemeint war, ließ er im Gespräch mit dem Deutschlandfunk nicht gelten.
    "Natürlich meint Böhmermann nicht, dass Erdogan mit Ziegen kopuliert"
    "Dass man etwas nicht ernst meint, das spielt überhaupt keine Rolle. Natürlich meint Herr Böhmermann nicht, dass Herr Erdogan mit Ziegen kopuliert. Aber er verwendet diese Begriffe und will damit seine Missachtung ausdrücken."
    Andere sehen das Gedicht dagegen als von der Kunstfreiheit umfasst an. Welche Qualität die Entscheidung der Bundesregierung zur Strafverfolgung nach Paragraph 103 Strafgesetzbuch hat, der Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts, ist weiterhin umstritten. Auch zwischen den Anwälten Höcker und von Sprenger.
    Die Bundesregierung wird sich vor allem an politischen Zweckmäßigkeitserwägungen ausrichten.
    "Das ist ein rein formales Prüfen, ob die Voraussetzungen für ein solches Verfahren bestehen oder nicht. Aber keine inhaltliche Auseinandersetzung, die hat schließlich ein Richter zu treffen."
    Mit Blick auf die Medien- und Kunstfreiheit fordert Ralf Stegner, Angela Merkel solle ihre Zustimmung verweigern. Im ZDF sagte der SPD-Vize:
    "Ich finde, wir sollten dann sehr bald darüber nachdenken, den Paragraphen 103 zu streichen. Denn das passt eher zu einer feudalistischen Ordnung und nicht so sehr zu einer Demokratie, wie wir das sind."
    Aus Brüssel kommt Kritik am türkischen Staatschef
    Den Vorschlag hatte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann gestern gemacht. Er stellte sich offenbar vor, das solle mit Wirkung auch für das laufende Verfahren geschehen – was ungewöhnlich wäre. Seine Parteifreundin Malu Dreyer, Ministerpräsidentin in Rheinland-Pfalz und Chefin der Länder-Rundfunkkommission, betonte derweil den Wert der Freiheit von Presse, Meinung und Kunst. Sie sei vom Grundgesetz geschützt und nicht verhandelbar. Aus Brüssel kommt unterdessen Kritik am türkischen Staatschef. Dass wegen eines satirischen Liedes der deutsche Botschafter einbestellt werde, könne er überhaupt nicht nachvollziehen, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Und wörtlich: "Das bringt die Türkei nicht näher an uns heran, sondern entfernt uns voneinander." Auch der Vorsitzende der Liberalen im EU-Parlament Guy Verhofstadt, kritisierte Erdogan und warnte: "Wir haben ihm schon die Schlüssel zu Europas Toren gegeben. Nun laufen wir Gefahr, ihn auch unsere Redaktionen und Medien kontrollieren zu lassen."