Donnerstag, 25. April 2024

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Fall Khashoggi und Trump
"Innenpolitisches Klima belastet Trump zunehmend"

Nach dem Verschwinden des saudischen Journalisten Jamal Khashoggi stehe US-Präsident Donald Trump vor den Scherben einer "einseitigen, blauäugigen" Saudi-Arabien-Politik, sagte Bastian Hermisson von der Heinrich-Böll-Stiftung. Auch republikanische Senatoren verlangten eine "ernsthafte Aufklärung" des Falles.

Bastian Hermisson im Gespräch mit Sandra Schulz | 18.10.2018
    US-Präsident Trump geht neben dem saudischen König Salman zum Gipfeltreffen in Riad
    Die USA unter Donald Trump sind mit Saudi-Arabien verstrickt - nach dem Fall um den verschwundenen Journalisten Jamal Kashoggi führt das zu Diskussionen auch unter Republikanern. (dpa, picture-alliance Evan Vucci)
    Sandra Schulz: Aufklärung fordert US-Präsident Donald Trump im Fall des verschwundenen und mutmaßlich ermordeten saudischen Journalisten Jamal Khashoggi. Unterstützung bei der Aufklärung hat US-Außenminister Pompeo jetzt auch der Türkei angeboten. Er erwarte, die Wahrheit bis zum Ende der Woche zu erfahren, meinte Trump jetzt. Wer oder was der Wahrheit allerdings ans Tageslicht verhelfen sollte, das sagte er nicht.
    Trumps Haltung gegenüber Riad, einem wichtigen politischen und auch wirtschaftlichen Partner, die changiert zwischen polternd und mild, und ich kann darüber jetzt mit Bastian Hermisson sprechen. Er leitet das Büro der Heinrich-Böll-Stiftung in Washington. Schönen guten Morgen beziehungsweise bei Ihnen ja guten Abend!
    Bastian Hermisson: Guten Morgen, Frau Schulz.
    Schulz: Wie nervös muss der Fall Khashoggi Donald Trump machen?
    Hermisson: Es ist schon erstaunlich innerhalb der letzten zwei Wochen, dass sich das von einzelnen Medienberichten zu mittlerweile einer wirklich handfesten politischen Krise ausgewachsen hat – gerade in einem Klima, wo hier oft ein politisches Thema das andere jagt und nach drei Tagen schon wieder durch ist.
    Das hängt natürlich auch stark damit zusammen, dass die Medien in diesem Fall nicht locker lassen, allen voran die "Washington Post", für die Khashoggi zuletzt als Kolumnist gearbeitet hat. Er hat ja in den USA gelebt zuletzt. Die behalten das Thema seit Wochen auf Seite eins. Andere Medien folgen dann.
    Das hat natürlich auch den Hintergrund, dass es hierbei um einen unabhängigen Journalisten geht, und das in einem Klima, in dem Journalisten weltweit zunehmend verfolgt werden, auch übrigens ja in der Türkei, wo viele Journalisten im Gefängnis sitzen, und vor dem Hintergrund einer Trump-Regierung, welche die freie Presse als Lügenpresse beschimpft, versucht, Journalisten ihrerseits einzuschüchtern.
    Da ist dieser Fall Khashoggi mittlerweile ein Symbol, dass wir in offenen, freien Gesellschaften nicht hinnehmen können, dass Journalisten, wenn Dissidenten eingeschüchtert oder verfolgt werden, zum Schweigen gebracht werden. Das hat eine Dimension gewonnen, die jetzt schon wirklich zu großen diplomatischen Verwicklungen führt und wo nicht ganz klar ist, wie aus der Sache die Akteure auch wieder rauskommen sollen.
    Kolumnist für Trump-kritisches Medium
    Schulz: Welche Rolle spielt es denn, dass Khashoggi ja für die "Washington Post" geschrieben hat, die nun wiederum ein Blatt ist, das die Regierungsarbeit von Donald Trump auch ausgesprochen kritisch begleitet?
    Hermisson: In der Tat, und nicht nur die Regierungspolitik von Donald Trump in dem Fall, sondern im Fall von Khashoggi auch die Regierungspolitik der saudi-arabischen Regierung. Das ist ja offensichtlich auf jeden Fall der Zusammenhang des Verschwindens von ihm. Die "Washington Post" ist aber dennoch eine absolut seriöse Zeitung, die mit großem Aufwand investigativen Journalismus betreibt, insgesamt schon auch hoch anerkannt ist. Aber wenn die persönlich auch noch betroffen ist von so einem Fall, wo es um die Verwicklung mit Trump und der Trump-Regierung selbst geht, dann bleiben die da natürlich besonders hart dran.
    Es ist aber nicht nur die "Post", sondern mittlerweile auch die "New York Times", die intensiv recherchiert, und der Fall spielt auch in konservativen Medien wie bei "Fox News" im Fernsehen täglich eine Rolle. Es ist mittlerweile nicht nur eine Angelegenheit der "Washington Post".
    Schulz: Wir sehen jetzt die Forderungen nach Offenlegung der Finanzbeziehungen Donald Trumps zu Saudi-Arabien. Das fordern jetzt US-Demokraten. Wie wird er damit umgehen?
    Hermisson: Ich halte es für ausgeschlossen, dass da irgendwas in absehbarer Zeit veröffentlicht wird. Die Demokraten fordern, wie Sie sagen, eine Offenlegung der Finanzbeziehungen. Das geht ja weit zurück, dass Trump als Unternehmer immer wieder auf saudische Investoren auch zurückgegriffen hat. Auch viele russische Investitionen gab es da seinerzeit. Aber Trump hat seit dem Wahlkampf und bis jetzt standhaft sich geweigert, auch seine Steuererklärung offenzulegen, was bei allen Präsidenten seit Richard Nixon eigentlich üblich war.
    Das könnte dann sich verändern, wenn bei den Zwischenwahlen, die in wenigen Wochen hier stattfinden, die Demokraten eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus haben sollten, denn dann könnten sie Donald Trumps Steuererklärung einfordern, wenn sie eine Mehrheit dort haben, und dann könnte auch mehr Licht in die ganzen Finanzgeschäfte von Trump und seiner Familie kommen. Das ist natürlich auch eine Nebengeschichte in dieser ganzen Frage.
    "Einseitige, blauäugige" Saudi-Arabien-Politik
    Schulz: Wenn wir jetzt auf den Fall Khashoggi selbst noch mal schauen, da gibt es jetzt den Wunsch oder die Forderung nach Aufklärung, gerichtet an Riad. Kann sich Trump damit zufrieden geben?
    Hermisson: Trump hat ja dem saudischen Königshaus an dieser Stelle einen Vertrauensvorschuss erst mal ausgesprochen und gesagt, die werden das aufklären. Das ist natürlich absurd, da wird ja der Bock zum Gärtner gemacht. Wenn jemand ein Mord vorgeworfen wird, ist es ja nicht üblich, dass derjenige selbst mit der Untersuchung dessen beauftragt wird.
    Das zeigt, dass für Trump die Wahrheit immer das ist, was ihm politisch genehm ist, dass ihm das jetzt aber auch ein Stück weit auf die Füße fällt, denn es geht hier ja auch um eine Quittung für die Politik Trumps, das extrem enge Verhältnis mit Saudi-Arabien, in das er viel investiert hat. Er hat die erste Auslandsreise dorthin gemacht, kein Wort je zur innenpolitischen Situation in Saudi-Arabien geäußert, das in irgendeiner Weise kritisch war, und stattdessen regelmäßig mit großen Rüstungsdeals mit Saudi-Arabien geprahlt – über 100 Milliarden Dollar.
    Da steht er jetzt ein Stück weit vor den Scherben dieser einseitigen, blauäugigen Politik und damit wird es tatsächlich nicht getan sein. Es gibt etliche Untersuchungen ja auf der türkischen Seite. Auch die amerikanischen Geheimdienste werden Trump morgen einen vorläufigen Bericht vorlegen.
    Ich persönlich denke, es würde in so einer schwierigen geopolitischen Situation aber auch gut und wichtig sein, eine internationale Kommission einzurichten, die diesen Fall untersucht, um eine größere Legitimität zu schaffen. Da gibt es viele Vorbilder, wie so was im Rahmen der Vereinten Nationen möglich ist, durch den Sicherheitsrat oder auch durch den UN-Menschenrechtsrat autorisiert. Das wäre sicher der beste Weg. Danach sieht es im Moment noch nicht aus, aber ich könnte mir vorstellen, dass es auch in die Richtung irgendwann sich bewegt.
    Trump auch bei Republikanern unter Druck
    Schulz: Das ist jetzt auch das Problem, das Donald Trump hat, dass der Eindruck entsteht, er würde seine schützende Hand über Saudi-Arabien halten. Ist das denn wirklich ein Problem für Donald Trump? Ist die Empörung darüber in Washington, in den USA denn überhaupt so erheblich?
    Hermisson: Aufgrund der starken Medienberichterstattung ist der öffentliche Druck doch gewachsen und auch auf den Kongress übergesprungen. Das haben wir in den letzten Tagen deutlich gesehen hier. Und zwar nicht nur von Seiten der Demokraten, sondern auch von Seiten der Republikaner gibt es zunehmend Kritik an der engen Bindung an Saudi-Arabien, aber vor allem am Umgang mit diesem Fall durch das saudische Königshaus und laxem Umgang der Trump-Regierung in dieser Frage.
    Trump hat ja seinen Außenminister Pompeo gerade nach Riad geschickt am Dienstag, der dort eingestanden hat, dass er sich mit den Fakten eigentlich nicht beschäftigen wollte, sondern einfach mal hören wollte, wie die Lage so ist, und sich versichern lassen wollte, dass die Saudis diesen Fall ernst nehmen. Das wurde auch von vielen Republikanern hier kritisch gesehen.
    Auch dazu muss man wiederum wissen: In wenigen Wochen gibt es Wahlen. Dieser Fall bewegt die amerikanische Öffentlichkeit und da möchten auch republikanische Senatoren und Abgeordnete nicht so dastehen, als ob sie überhaupt nichts tun in der Sache, sondern zeigen, sie sind besorgt, sie verlangen eine ernsthafte Aufklärung. Und es steht sogar die Möglichkeit von Sanktionen, die der Kongress gegen Saudi-Arabien verhängen könnte, auch gegen den Kronprinz selbst im Raum.
    Das heißt, das innenpolitische Klima belastet Trump zunehmend, auch von Seiten des Kongresses und auch von Seiten der Republikaner.
    "Internationale Untersuchung wäre sicher der beste Weg"
    Schulz: Trump selbst hat ja, als die Geschichte anfing, groß zu werden, schon davon gesprochen, wenn es klar sei, dass Saudi-Arabien hinter diesem Mord stecke, dass es dann auch nicht folgenlos bleiben würde. Wie kommt Trump aus der Sache wieder raus?
    Hermisson: Er kommt da zunächst mal gar nicht mehr ohne Weiteres wieder raus, wenn die Beweise an der Stelle jetzt immer belastender werden sollten. Ich denke, das Wichtige ist, bevor jetzt über Sanktionen entschieden wird oder derzeitige Fragen, dass tatsächlich Beweise und Fakten auf den Tisch kommen, und dafür sind Untersuchungen notwendig. Eine internationale Untersuchung wäre sicher der beste Weg.
    Im Moment geht es ja darum, dass es auf Seiten der türkischen Regierung, der türkischen Geheimdienste angeblich Audio- und Video-Beweise gibt. Das sind aber alles Spekulationen und Berichte aus zweiter Hand. Es liegt ja immer noch nichts vor, auf dem dann die nächsten Schritte, auch mögliche Sanktionen oder schwerwiegendere außenpolitische Folgen basieren könnten, und deswegen ist das an der Stelle der nächste Schritt.
    Ich glaube aber nicht, dass Trump daran vorbeikommt, sich solchen ernsten Untersuchungen auch zu stellen, früher oder später.
    Schulz: Bastian Hermisson, der Leiter des Washingtoner Büros der Heinrich-Böll-Stiftung, heute Morgen hier bei uns im Deutschlandfunk. Ganz herzlichen Dank dafür.
    Hermisson: Danke Ihnen, Frau Schulz.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.