Beweise spielten zwar vor Gericht eine Rolle - nicht aber bei Nachrichtendiensten, so Herter. Der Begriff der "Plausibilität" sei gängig, um Erkenntnisse der Dienst zu bezeichnen. Was eine jeweilige Regierung dann daraus mache, sei offen. Dafür gebe es einige Beispiele, wie etwa beim Irak Anfang der Nullerjahre. Damals erschien es den amerikanischen Diensten plausibel, dass das Regime von Saddam Hussein Massenvernichtungswaffen habe - Beweise habe es nicht gegeben, Konsequenzen wurden dennoch gezogen.
Auch die Äußerungen des britischen Botschafters Sir Sebastian Wood im Interview mit dem Deutschlandfunk beruhten auf Indizien. "Falls er diese Woche noch einen schlagenden Beweis präsentieren sollte, würde mich das überraschen", sagte Herter.
Zwei Versionen - keine Beweise
Für beide Versionen der Geschichte - die russische sowie die britische - gebe es Argumente, sagte Herter. Großbritannien könne sich etwa auf einen russischen Chemiker als Zeugen berufen, der es für sehr unwahrscheinlich hält, dass das Gift in die Hände von Kriminellen geraten sei. Somit wäre eine Verantwortung des russischen Staates wahrscheinlicher.
Russland wiederum beziehe sich auf einen Fall in den 90er-Jahren: Dabei sei das Gift von einem ehemaligen Mitarbeiter des russischen Chemiewaffen-Programms synthetisiert worden und an Kriminelle verkauft worden. So etwas wäre dann auch heute möglich.
Neue Erkenntnisse der Briten?
Für Dlf-Sicherheitsexperte Gerwald Herter stellt sich die Frage, von wann die von Wood geäußerten Erkenntnisse über ein angebliches Geheimprogramm mit dem Giftstoff Novichok stammen. Denn dass es so etwas in der Vergangenheit gegeben habe, sei schon seit den 90er-Jahren bekannt. Falls der britischen Regierung Erkenntnisse vorlägen, dass es das auch heute noch gebe, sei das etwas Neues.