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Familienfreundlichkeit als Wettbewerbsvorteil

Der mehrfach für seine Familienfreundlichkeit ausgezeichnete Textilbetrieb Gerhard Röschs in Tübingen zeigt seit über 30 Jahren, wie Betriebe einen sinnvollen Ausgleich zwischen Arbeitswelt und familiären Verpflichtungen leisten können. Die Politik könne allein an Wirtschaft und Gesellschaft appellieren, familienfreundliche Bedingungen zu schaffen.

Moderation: Bettina Klein |
    Die Einsicht der Verbände müsse zunehmen, dass im internationalen Wettbewerb auch Frauen als Arbeitskräfte benötigt werden, um die Konkurrenzfähigkeit zu erhalten. Es könne nicht sein, so Rösch, dass ein Teil der Bevölkerung von der Arbeitswelt ausgeschlossen werde, der zur Wirtschaftskraft beitragen könne.

    Bettina Klein: Berufswelt und Familienleben, die sollten eigentlich nicht auf zwei verschiedenen Planeten stattfinden. Angesichts sinkender Geburtenraten wird aber nun auch in der Politik wieder stärker darüber nachgedacht, wie man zwei manchmal unvereinbar scheinende Lebensbereiche doch miteinander versöhnen könnte. Den Worten folgen oft nur spärlich Taten und in der Pflicht befinden sich ja auch die Unternehmen selbst. Wir wollen heute ein positives Beispiel für eine familienfreundliche Unternehmenspolitik präsentieren. Der Tübinger Textilhersteller Rösch ist dafür schon mehrfach ausgezeichnet worden. Gerhard Rösch ist der Inhaber dieses Betriebes mit 400 Mitarbeitern. Herr Rösch, was haben Sie denn zum Beispiel Eltern oder alleinerziehenden Angestellten zu bieten in Ihrer Unternehmenskultur?

    Gerhard Rösch: Wir haben vor allem den Eltern zu bieten, dass wir verschiedene Arbeitszeitmodelle anbieten, dass wir darauf eingehen, wenn ein Mitarbeiter oder eine Mitarbeiterin familiäre Pflichten hat, die Familie zu versorgen, Kinder zu versorgen. Wir wollen einfach, dass diese Probleme nicht in den Betrieb getragen werden, sondern dass sie gelöst werden. Wenn die Probleme gelöst sind, dann ist auch der Mitarbeiter zufrieden und leistet auch wieder.

    Klein: Wie genau können Sie denn im Betrieb helfen, familiäre Probleme zu lösen?

    Rösch: Wir haben einmal einen Betriebskindergarten schon seit über 30 Jahren. Das ist natürlich für die Frauen, die hier arbeiten, eine große Erleichterung, wenn ihr Kind in der Nähe und gut versorgt ist. Dann bieten wir sehr viele verschiedene Arbeitszeitmodelle an. Das heißt, wir gehen immer auf die individuellen Erfordernisse des Mitarbeiters ein. Ein Mitarbeiter muss jemand zu Hause versorgen, muss ein Kind betreuen oder ein Kind abholen. Das muss einfach gelöst werden, denn es handelt sich ja um ein Problem. Ein Unternehmen ist ja dazu da, Probleme zu lösen.

    Klein: Das heißt ich kann bei Ihnen auch als Mutter, alleinerziehende Mutter meinetwegen eines Kindes, das vielleicht gerade krank geworden ist, damit rechnen, dass ich vielleicht zwei Tage frei bekomme, die irgendwann nacharbeiten kann, oder wie sieht das genau aus?

    Rösch: Auf jeden Fall, weil wir können ja solche Probleme nicht unter den Teppich kehren. Wenn Sie mit diesem Problem in den Betrieb kommen, hat ja das Unternehmen ein Problem, und das können wir ja nicht zulassen. Also müssen wir das Problem anpacken und lösen.

    Klein: Gerade beim Stichwort Betriebskindergarten, das Sie vorhin genannt haben, das ist eigentlich vollkommen aus der Mode geraten. Es werden immer wieder finanzielle Probleme angeführt und auch, dass sich das vielleicht nicht rechnet. Weshalb rechnet sich das bei Ihnen?

    Rösch: Wir hatten vor 35 Jahren mal ein Betriebsjubiläum und da haben wir uns überlegt: Sollen wir eine Ausschüttung an die Mitarbeiter machen oder etwas Bleibendes schaffen. Mein Vater hat damals mit seinen Söhnen beschlossen, einen Betriebskindergarten zu errichten, weil das auch späteren Generationen von Mitarbeitern zu Gute kommt. Das hat sich bewährt. Die Mitarbeiter, die hier ihre Kinder unterbringen können, sind sehr glücklich darüber.

    Klein: Sie bieten auch ganzen Familien günstige Kantinenessen. Sie unterhalten einen Änderungs-, einen Reinigungs- und einen Bügelservice. Wie finanzieren Sie das?

    Rösch: Alle diese familienfreundlichen Maßnahmen kosten uns nichts. Deshalb gibt es auch nichts zu finanzieren. Das einzige, was etwas kostet, was finanziert werden muss, ist der Betriebskindergarten. Das ist richtig.

    Klein: Das verstehe ich jetzt nicht. Weshalb kostet das nichts?

    Rösch: Weil das einfach organisatorische Maßnahmen sind. Da müssen die Mitarbeiter mitdenken. Das muss organisiert werden und dann funktioniert das auch. Zum Beispiel verschiedene Arbeitszeitmodelle: Was soll das kosten? Ich werde da immer wieder gefragt, wie können Sie sich so was leisten, einfach gerade das mit den Arbeitszeitmodellen. Aber wenn jemand halbtags arbeitet und den halben Lohn bekommt, kostet das letztendlich nichts. Im Gegenteil: der Mitarbeiter ist dann noch leistungsfähiger: Erstens mal, weil seine Probleme gelöst sind, und zweitens, weil er in kurzer Zeit auch eine größere Leistung bringen kann, so wie ein Kurzstreckenläufer auch schneller läuft als ein Langstreckenläufer.

    Klein: Was denken Sie, weshalb funktioniert das bei Ihnen und weshalb tun sich andere kleinere mittelständische und auch größere Unternehmen so schwer mit diesen Maßnahmen?

    Rösch: Das funktioniert deshalb relativ gut, weil wir eine lange Tradition in Familienfreundlichkeit haben. Schon durch den Kindergarten, den wir ja vor 35 Jahren gebaut haben. Die Gespräche, die wir immer mit Mitarbeitern führen, um auch persönlich zu erfahren, wo der Schuh drückt, das ist eine alte Tradition. Der zweite Punkt ist, dass wir bei uns den kontinuierlichen Verbesserungsprozess installiert haben. Das bedeutet: Alle Probleme müssen kontinuierlich angepackt und verbessert werden.

    Klein: Da sind Sie sicherlich alle einig und die Politik versucht im Moment einiges, das auch zu erreichen. Tut sie genug? Tut sie das Richtige?

    Rösch: Ja gut, die Politik kann nur an die Bürger appellieren. Das ist klar. Insofern tut sie das Richtige. Die Einsicht der Verbände und der Industrievertreter wird dann sicher zunehmen, nämlich die Einsicht darin, dass man im internationalen Wettbewerb auch die Frauen als Arbeitskräfte in Zukunft verstärkt benötigen wird. Wir müssen ja konkurrenzfähig sein und müssen alle Leute, die etwas leisten können, zur Verfügung haben. Wir können doch nicht einen Teil der Bevölkerung ausschließen vom Arbeitsleben, vor allem wenn dieser Teil der Bevölkerung etwas Vernünftiges dazu beitragen kann.

    Klein: Nun sagen die Arbeitgeber gerade, dass das mit der Elternzeit von drei Jahren vielleicht doch nicht so eine gute Idee war, weil man schneller doch Eltern wieder in die Berufstätigkeit zurückbringen sollte. Auf der anderen Seite war das ja vielleicht auch gerade ein Modell, eine Möglichkeit, das eine mit dem anderen zu vereinbaren?

    Rösch: Diese Dinge betreffen uns nicht so sehr, weil wir haben auch, wenn eine Mitarbeiterin Elternzeit in Anspruch nimmt, ständig den Kontakt zu der Mitarbeiterin, dass die auch während der Elternzeit immer wieder uns besucht im Betrieb, dass sie auch während der Elternzeit vielleicht schon anfängt zu arbeiten oder Dinge mit nach Hause nimmt, um sie zu Hause zu erledigen, so dass sie also dem Betrieb unbedingt verbunden bleibt in dieser Zeit.

    Klein: Weshalb ist es so schwierig, ein Umdenken vielleicht auch in den Betrieben selber zu erzeugen. Es gibt immer wieder Berichte wo gesagt wird ja, da werde ich von meinem Chef belächelt, weil ich jetzt hier als Vater mich ausklinke, nicht an meiner Karriere arbeite, sondern mich um meine Kinder kümmere. Das ist ja auch etwas, was sich in den Köpfen abspielt und was vielleicht auch mit Gesetzen nicht einfach umzupolen ist.

    Rösch: Wir haben ja so ein Audit-Team, also Audit Familie und Beruf, die sich immer um die Familienfreundlichkeit kümmern, die immer wieder zusammen kommen und besprechen, wo es Probleme gibt. Die tragen natürlich auch dazu bei, dass mit der Zeit ein Umdenken erfolgt. Diese Denkblockaden gibt es natürlich auch bei uns im Unternehmen. Das ist klar. Es ist eine Frage der Zeit, dass das besser wird.

    Klein: Und wenn Sie sagen es gibt auch bei Ihnen diese Art Denkblockaden, wie Sie es nennen. Wie gehen Sie da vor und versuchen, dort ein anderes Bewusstsein auch zu erzeugen?

    Rösch: Ich bin auch schon belächelt worden, als ich die Nachfolge der Finanzabteilung einer jungen Frau übertragen wollte. Da wurde dann gesagt, diese junge Frau wird ja bald schwanger, dann fällt sie wieder aus, das können sie unmöglich tun, Herr Rösch. Dann habe ich es trotzdem gewagt damals. Sie ist dann in der Tat nach kurzer Zeit als Leiterin der Finanzabteilung schwanger geworden und hat dann in dieser Zeit, als sie Elternzeit in Anspruch genommen hat, ihre Abteilung aus der Ferne gesteuert, indem sie die Mitarbeiter zur Besprechung zu sich nach Hause eingeladen hat oder telefoniert hat oder ab und zu mal einen Besuch gemacht hat. Als sie zurückkam, war die Abteilung so gut organisiert und so hoch motiviert, dass diese Buchhaltungsleiterin dann Karriere bei uns gemacht hat und praktisch Dank ihrer Elternteilzeit von der Buchhaltungsleiterin zur Finanzchefin der ganzen Unternehmensgruppe aufgestiegen ist.

    Klein: Gerade bei solchen Fällen heißt es ja oft, Frauen in Führungspositionen, das schließt sich sozusagen aus mit einem Kinderwunsch oder auch mit Mutterschaft.

    Rösch: Genau! Es besteht bei einer Frau – so sagt man – das Risiko, dass sie ein Kind bekommt und dann ausfällt in der Führungsposition. Aber wenn sie einen Mann in diese Führungsposition nehmen, besteht das Risiko genau so, denn die Karrierehopper, die von Stelle zu Stelle hoppen, um irgendwo mehr zu verdienen, bei denen besteht ja auch das Risiko, dass sie eines Tages nicht mehr im Betrieb sind.

    Klein: Wie lassen sich Berufswelt und Familienleben vereinbaren? – Das war das Beispiel des Tübinger Textilherstellers Gerhard Rösch.