Freitag, 19. April 2024

Archiv

Familienministerin Schwesig
"Wir brauchen bundesweite Kita-Standards"

Obwohl sich Bund und Länder beim Kita-Gipfel nicht auf gemeinsame Standards einigen konnten, hält Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) an ihrem Vorhaben fest. Zusätzliches Geld vom Bund gebe es nur, wenn gemeinsame Qualitätsziele vereinbart würden.

Manuela Schwesig im Gespräch mit Manfed Götzke | 07.11.2014
    Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig
    Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (dpa/Maurizio Gambarini)
    Manfred Götzke: Die Qualität der Kinderbetreuung in Kitas und Krippen, die könnte, vorsichtig gesagt, ein bisschen besser sein. Das sieht auch die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig so und hat sich gestern mit ihren Länderkollegen zum Kita-Gipfel getroffen. Schwesigs Ziel sind einheitliche Mindeststandards für die Kinderbetreuung, also zum Beispiel eine Mindestbetreuungsquote. Rausgekommen ist gestern dies: Man hat sich "auf einen Prozess zur Entwicklung gemeinsamer Qualitätsziele geeinigt". Na ja. Über diesen Prozess möchte ich mit der Ministerin sprechen. Frau Schwesig – "Entwicklung gemeinsamer Ziele" – das klingt jetzt nicht so, als würden Sie sich übermorgen mit den Ländern einig werden.
    Manuela Schwesig: Na ja, wer in den letzten Jahren hingeschaut hat, wie es im Bildungsbereich läuft, der weiß, dass das schon ein großer Schritt ist. Die Länder sprechen selber von einem Meilenstein. Der Schulbereich hat es ja die ganzen Jahrzehnte nicht hinbekommen, zu möglichst einheitlichen Situationen zu kommen, jedes Land regelt seine Klassengröße selbst, und das ist alles, was jetzt vom Kita-Bereich erwartet wird. Und deswegen bin ich froh, dass ich schon mal so weit bin, mich mit den Ländern geeinigt zu haben, dass wir über Qualitätsstandards sprechen müssen, dass wir die entwickeln müssen. Und das ist ja wichtig, auch gerade für die Frage der Finanzierung, zu einem Konzept zu kommen. Qualität in der Kita ist wichtig, weil das ist die erste Bildungseinrichtung, und deswegen muss frühkindliche Bildung einen viel höheren Stellenwert bekommen auch in der Bildungspolitik.
    Götzke: 2016 ist ein Bericht geplant, das heißt, wir bekommen dann gemeinsame Standards 2025?
    Schwesig: Das glaube ich nicht, dass das so lange dauert. Und es ist ja auch nicht so, dass in der Zwischenzeit nichts passiert. Im Gegenteil – ich werde weiter zum Beispiel die Sprachförderung in den Ländern unterstützen. Das ist mir ein wichtiges Anliegen, insbesondere in Kitas in sozialen Brennpunkten für die Chancengleichheit von Kindern. Der Bund in der Legislatur dann stockt seine Mittel bis zu fast einer Milliarde pro Jahr auf. Das ist eine ganze Menge Holz, wenn man so sagen kann. Und die Länder selbst nutzen zum Beispiel die Entlastung im Bildungsbereich, die der Bund jetzt zur Verfügung stellt, wie in Niedersachsen. Dort wird die dritte pädagogische Kraft in die Krippen kommen, und daran sehen Sie, dass hier auch parallel schon weiter die Qualität verbessert wird.
    Götzke: Ein zentraler Standard wäre ja die Betreuungsquote. Forscher empfehlen, dass eine Erzieherin nicht mehr als drei Kleinkinder betreuen sollte. Sie haben selbst gesagt, würde man das bundesweit realisieren, kostet das jährlich 1,6 Milliarden Euro. Sie könnten das Geld ja einfach den Ländern überweisen.
    Schwesig: Wir haben ja mit den Ländern verhandelt zum Thema Bildung, und die Länder wollten gerne, dass sie Gelder vom Bund bekommen, ohne dass man das an konkrete Sachen bindet. Das war das Verhandlungsergebnis zwischen den Ländern und dem Bund. Jetzt haben die Länder dieses Geld bekommen, und noch mal: Zum Beispiel Niedersachsen geht jetzt den Weg, die Fachkraft-Kind-Relation zu verbessern. Aber ich finde, das reicht nicht, sondern wir müssen jetzt den Weg gehen, uns auch auf gemeinsame Standards zu einigen. Nur, wenn es gemeinsame Standards gibt, kann es auch vom Bund Geld geben für die Qualitätsverbesserung.
    "Wir haben die Kita-Landschaft ausgebaut, vor allem Ganztagesplätze"
    Götzke: Kann man so etwas Wichtiges wie die frühkindliche Bildung dem Zufall des jeweiligen Länder- oder Kommunaletats überlassen?
    Schwesig: Ich meine, nein. Und deswegen ist es ja so gut, dass wir uns dort gestern gemeinsam verständigt haben. Wir müssen aber auch aufpassen, dass wir die Situation in Deutschland nicht schlecht reden. Wir haben die Kita-Landschaft ausgebaut, vor allem Ganztagsplätze. Und es ist nicht so, dass in der gleichen Zeit die Qualität schlechter geworden ist. Im Gegenteil, die Gruppengrößen haben sich sogar in dieser Zeit, parallel zum Ausbau, leicht verbessert. Und daran sieht man, was Kommunen und Länder für eine Kraftanstrengung geleistet haben. Aber dennoch, die frühkindliche Bildung, die ist dynamisch, und es liegt immer mehr der Fokus da drauf, und deswegen ist es wichtig, dass wir da auch in der Frage von Qualität weiter vorankommen.
    Götzke: Und da geht es ja letztlich auch um Geld. Länder wie Frankreich oder Schweden geben das Doppelte aus für die frühkindliche Bildung. Ist die Kita-Qualität Opfer der schwarzen Null?
    Schwesig: Nein. Es ist eher eine Frage davon, dass es uns gelingen muss, die Frage von frühkindlicher Bildung und Qualität überhaupt zum Thema zu machen. In den letzten Jahren hat der Bund darüber gar nicht mit den Ländern und den Kommunen gesprochen. Es ging immer nur um die Statistik, Statistik – haben wir genug Plätze. Und die Bitte der Länder, mit dem Bund ins Gespräch zu kommen, wurde nicht erfüllt. Ich habe das selber erlebt als Landesministerin und steuere deswegen jetzt um als Bundesministerin, nehme diesen Wunsch auf und sage, wir müssen uns an einen Tisch setzen, dieses Schwarze-Peter-Spiel, der muss machen, der muss machen – das muss vorbei sein. Wir müssen jetzt uns verständigen, was kann man überhaupt bundesweit regeln. Wenn wir dahinkommen wollen, was kostet es und wie können wir sozusagen dafür die Finanzierungsgrundlagen locker machen? Man kann nur in den Kampf ums Geld ziehen, wenn man auch eine Idee hat, wie es dann laufen soll.
    Götzke: Frau Schwesig, kommen wir zu unserem zweiten Thema. Heute wurde im Bundestag das Elterngeld Plus verabschiedet. Elterngeld finden alle Eltern prima, aber es hat bisher weder dazu geführt, dass sich die Väter wesentlich mehr an der Kinderbetreuung beteiligen, noch stieg die Geburtenrate. Was soll das Elterngeld Plus daran ändern?
    Schwesig: Mein Ziel ist nicht, mit dem Elterngeld Plus in allererster Linie die Geburtenrate zu steigern. Ich bin fest davon überzeugt, dass, wenn wir in Deutschland familienfreundlicher werden – dazu gehören viele Aspekte, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein ganz wichtiger –, dass dann auch mehr Kinder geboren werden. Aber Sie können nicht die Geburtenrate mit einem einzigen Instrument steigern. Das war ein falsches Versprechen der damaligen Ministerin, die dieses Elterngeld eingeführt hat. Mir geht es darum, die Paare, die sich für Kinder entscheiden wollen oder schon entschieden haben, besser zu unterstützen. Und da geht es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Zur Zeit ist es so, ich muss voll aus dem Job aussteigen, um das Elterngeld zu bekommen. Wenn ich Teilzeit arbeite, werde ich benachteiligt. Das ist nicht der richtige Weg. Ich möchte, dass Familien beide Möglichkeiten haben, natürlich zu Hause zu bleiben für das Kind, aber auch gleichzeitig Teilzeit zu arbeiten. Das müssen auch einige, zum Beispiel die Selbstständigen. Und deshalb wird es zukünftig länger möglich sein, doppelt so lange, Elterngeld Plus zu bekommen. Und mir ist vor allem wichtig, was Sie angesprochen haben, dass die Väter auch mehr zum Zug kommen. Jeder zweite junge Vater wünscht sich, seine Arbeitszeit zugunsten der Familie zu reduzieren. Und mit dem Elterngeld Plus wird es zukünftig möglich sein, die Paare besser zu unterstützen, wenn beide arbeiten, aber auch beide sich Zeit nehmen für das Kind.
    "Wer einmal Teilzeit arbeitet, kommt schlecht zurück in Vollzeit"
    Götzke: Diese Bekenntnisse der Väter, die gibt es ja immer wieder, aber letztendlich herrschen die klassischen Rollenmuster ja selbst unter jungen Eltern vor.
    Schwesig: Ja, diese Rollenmuster möchte ich helfen aufzubrechen. Weil der Wunsch der Paare ist, sich das partnerschaftlich zu teilen. 60 Prozent der Paare mit Kindern unter drei Jahren sagen, wir möchten beide die gleiche Zeit für den Job haben, aber auch die gleiche Zeit für die Familie. Das muss nicht starr sein, eine 32-Stundenwoche, aber jetzt ist es so, der Mann ist bei 40 Stunden an Bord, und die Frau hängt durchschnittlich in Deutschland bei 19 Stunden. Und das soll sich mehr in der Mitte angleichen. Und warum machen das die Paare jetzt nicht? Da gibt es zwei Gründe: der erste ist, wer einmal Teilzeit arbeitet, kommt schlecht zurück in Vollzeit. Deswegen wird es das Rückkehrrecht von Teilzeit auf Vollzeit geben. Und zweitens: Wer Teilzeit arbeitet, erlebt in der Arbeitswelt, dass man oft aufs Abstellgleis kommt.
    Götzke: Sie haben es ja gerade schon angesprochen. Letztendlich hängt es ja an der Wirtschaft. Die muss sicherstellen, dass Teilzeit möglich ist, dass eine Karriere möglich ist. Was können Sie da mit einem Elterngeld Plus oder auch einem Familiengeld an dieser Situation ändern. Es ist ja eine kulturelle Frage in der Wirtschaft.
    Schwesig: Ja, für kulturelle Veränderungen muss es mehrere Anstöße geben. Und dieses Elterngeld Plus gibt jetzt Anreize auch für Paare, auch zu sagen, es lohnt sich auch zum Beispiel für den Vater, Teilzeit zu arbeiten, und die Frau kann dafür wieder in den Job einsteigen dann, wenn der Gesetzgeber solche Möglichkeiten anbietet, fragen es die Paare auch nach, und dann wird es auch eine Diskussion in der Arbeitswelt geben. Gleichzeitig bin ich natürlich in guten Gesprächen, zum Beispiel mit der Deutschen Industrie- und Handelskammer in einem Netzwerk für familienfreundliche Unternehmen, wo wir genau diese Themen diskutieren, dass zum Beispiel auch Teilzeit für Führungsjobs möglich sein muss.
    Götzke: Sagt Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig. Mit ihr sprach ich über den Kita-Gipfel und das neue Elterngeld Plus.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.