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Rechtsanspruch ohne Inhalt

Ab dem 1. August haben Eltern mit Kindern ab einem Jahr einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz. In vielen Kommunen läuft der Ausbau jedoch immer noch schleppend. Grund dafür ist Geld- und Personalmangel. Dabei gerät auch die Qualität der Einrichtungen immer mehr aus dem Blickfeld.

Von Solveig Grahl und Britta Reinke | 01.07.2013
    Acht Uhr morgens in der Kita Ferdinand-Lassalle-Straße in Wuppertal. Jäckchen werden ausgezogen, Hausschuhe gesucht, Küsschen zum Abschied gegeben. Dann hasten die Eltern los zur Arbeit.

    Nur Regina Görmer hat unfreiwillig Zeit. Sie kann zwar ihren dreijährigen Sohn Rafael abgeben. Die eineinhalbjährige Isabel bleibt aber im Kinderwagen sitzen. Dabei hatte Regina Görmer ihre Tochter gleich nach der Geburt angemeldet:

    "Für die Kleine hätten wir auch gern einen Platz gehabt, aber da war für dieses Jahr kein Platz mehr da. Im November endet meine Elternzeit, dann müssen wir uns jetzt halt um eine Tagesmutter kümmern."

    Regina Görmer ist Krankenschwester, muss im Schichtdienst arbeiten und bei Notfällen auch mal länger bleiben. Mit zwei Kindern wächst der finanzielle Druck, die Mutter möchte wieder zum Familieneinkommen beitragen. Aber das ist es nicht allein:

    "Ich hab mich viel meinen Kindern gewidmet, da möchte ich mal wieder durchstarten und an mich denken, an meine berufliche Zukunft auch."

    Ab August haben Kinder vom ersten Geburtstag an einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Bislang galt das erst für Kinder ab drei Jahren.

    Doch auch der Rechtsanspruch wird Regina Görmer kaum helfen. Denn der gilt nicht für die Wunschkita und auch nicht für einen Ganztagesplatz. Selbst wenn sie für Isabel einen Platz in einer anderen Einrichtung bekäme, würde sie es zeitlich nicht schaffen, beide Kinder morgens an unterschiedliche Stellen der Stadt zu fahren - und dann rechtzeitig ihren Dienst im Krankenhaus zu beginnen. Ihr Mann arbeitet als Ingenieur und ist von sieben Uhr morgens bis spät abends aus dem Haus, er kann sie beim Bringen und Abholen der Kinder kaum unterstützen.

    Geldmangel bei den Kommunen
    Mit diesen Sorgen hat Cornelia Weidenbruch derzeit jeden Tag zu tun. Sie leitet den Stadtbetrieb Tageseinrichtungen für Kinder in Wuppertal und hat jahrelange Erfahrung mit dem Kita-Ausbau, der Vermittlung von Tagesmüttern und der Platzvergabe in den Kindergärten. Was den baldigen Rechtsanspruch angeht, ist sie für die Stadt Wuppertal realistisch:

    "Wir können im Sommer für 39 Prozent der Ein- bis Dreijährigen einen Platz zur Verfügung stellen, aber bei Weitem nicht den Rechtsanspruch erfüllen. Es sind wesentlich mehr Eltern, die einen Platz haben möchten. Und ein Rechtsanspruch heißt, wenn 100 Prozent aller Eltern kommen, müsste ich auch für 100 Prozent die Plätze zur Verfügung stellen. Und das kann ich nicht."

    Cornelia Weidenbruch schätzt, dass in Wuppertal am 1. August noch 800 bis 900 Betreuungsplätze für Kleinkinder fehlen werden. Dabei präsentierte Nordrhein-Westfalens Familienministerin Ute Schäfer im Frühjahr ganz begeistert die Zahlen zum Kita-Ausbau im bevölkerungsreichsten Bundesland. Ab Herbst stünden gut 144.000 Plätze in Kindertagesstätten und bei Tagesmüttern zur Verfügung. Damit könne man knapp der Hälfte der Ein- bis Dreijährigen in Nordrhein-Westfalen einen Betreuungsplatz anbieten. Die sozialdemokratische Ministerin sprach von einer beispiellosen Aufholjagd und einer Punktlandung.

    Bundesweit sollten bis zum 1. August dieses Jahres 780.000 neue Betreuungsplätze für Ein- bis Dreijährige entstehen. Darauf hatten sich Bund und Länder auf einem Krippengipfel im Jahr 2007 geeinigt. Für viele Kommunen war und ist der Ausbau der Kinderbetreuung jedoch ein riesiger finanzieller Kraftakt, sagt Stephan Articus, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages in Berlin:

    "Bund und Länder haben angeblich mit den Kommunen vereinbart, es gibt eine Drittelfinanzierung. Das ist eine Mär, eine historische Mär. Diese Verabredung hat es nie gegeben. Wir waren bei diesem Gipfel nicht dabei und haben dann später beharrlich immer wieder gesagt, es wird viele Städte geben, die nicht in der Lage sind, dieses Drittel zu bezahlen."

    Eine Stadt wie Wuppertal gerät beim Ausbau der Kinderbetreuung an ihre Grenzen. Die Kommune ist ohnehin seit Jahren überschuldet. Cornelia Weidenbruch:

    "Wir brauchen mehr Ressourcen, vor allen Dingen Ressourcen im Betriebskostenbereich. Die Plätze sind ja relativ teuer, wenn man sieht, dass ein Unter-Dreijährigen-Platz an Personal und anderen Kosten im Monat 1000 Euro mindestens kostet. Das nächste ist, Wuppertal ist eine verdichtete Stadt. Uns fehlt es genau in den Stadtgebieten, wo wir ein hohes Defizit haben, an Grundstücken."

    Städte und Kommunen gehen zum Teil ungewöhnliche Wege, um Räume für Kitas und Krippen bereitzustellen. In Wuppertal-Barmen etwa wurde ein ehemaliger Supermarkt zum Kindergarten umfunktioniert. In einer Kneipe hat gerade der Umbau begonnen. Und sogar in einer früheren Tierklinik sollen demnächst Kinder betreut werden.
    Cornelia Weidenbruch von der Stadt Wuppertal rechnet damit, dass verzweifelte Eltern, die keinen Betreuungsplatz für ihre Kleinkinder bekommen, vor Gericht ziehen werden. Schadensersatzpflichtig ist dann die klamme Kommune. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder, CDU, hatte bereits Anfang des Jahres betont, dass sich der Bund an möglichen Kosten durch Elternklagen nicht beteiligen werde. Dies sei allein Aufgabe der Kommunen. Die Rechtslage sei eindeutig.

    Mittagszeit in der Kindertagesstätte Bunsenstraße im niedersächsischen Göttingen. Die Krippenkinder schlafen, die Großen beschäftigen sich mehr oder weniger leise in ihrem Gruppenraum. Die Kita ist im Erdgeschoss eines sanierten Altbaus aus rotem Backstein untergebracht, nicht weit entfernt von der Innenstadt. Ein sehr beliebter Standort. Auf der Warteliste stehen zurzeit 165 Familien, sagt Michael Höfer, Geschäftsführer beim Verein Kinderhaus, dem Träger der Kindertagesstätte. Die Nachfrage nach Krippenplätzen sei seit dem Jahr 2005 explosionsartig gestiegen:

    "Das wird ja breit diskutiert seitdem. Und natürlich kriegen das viele Eltern mit. Und natürlich hängt es auch damit zusammen, dass die gesamtgesellschaftliche Situation sich ändert. Doppeltes Einkommen ist nötig, beide Elternteile arbeiten, wo bleiben die Kinder?"

    Göttingen hat auf diese Entwicklung frühzeitig reagiert. Im Augenblick kann die Universitätsstadt für knapp die Hälfte der unter Dreijährigen einen Betreuungsplatz anbieten, entweder in einer Kita oder bei einer Tagesmutter.

    Das liegt weit über der Quote von 39 Prozent, die die Bundesregierung als Messlatte für die Kommunen festgelegt hatte - und über die vor allem mittlere und größere Städte nur müde lächeln können. Alle zwei Jahre ermittelt Göttingen durch Umfragen in den Familien den Betreuungsbedarf. Zurzeit liegt der bei knapp 60 Prozent. Im Augenblick fehlen schätzungsweise noch 200 bis 250 Betreuungsplätze in der Stadt. Genau sagen lässt es sich heute noch nicht, da nicht klar ist, ob wirklich alle Eltern, die laut Umfrage einen Betreuungsplatz wollten, ihn auch wirklich in Anspruch nehmen werden. Michael Höfer:

    "Wir wissen alle nicht, wie viele Eltern tatsächlich dann am 1.8.2013 auf der Matte stehen und sagen: "Jetzt will ich aber einen Kita-Platz!" Fragezeichen, Fragezeichen. Zum 1.8. wird dieses unselige Betreuungsgeld eingeführt. Was hat das für Auswirkungen, das wissen wir auch nicht. Wir stehen da, rechnen damit, dass 200 Plätze fehlen - es kann aber auch sein, dass sie reichen."

    24 Millionen Euro steckt die Stadt Göttingen jährlich in die Kinderbetreuung. 2005 waren es noch zehn Millionen Euro weniger. Andere Investitionen in die Infrastruktur blieben da auf der Strecke, sagt Wolfgang Meyer, Oberbürgermeister der Universitätsstadt. Die finanzielle Unterstützung von Bund und Land sei bei Weitem nicht ausreichend:

    "Das ist eine gesamtstaatliche Aufgabe. Wenn wir über das Thema Demografie reden, dann müssen wir dafür sorgen, dass gut ausgebildete Frauen auch in den Beruf können. Das können sie nur, wenn Betreuungsplätze da sind, so einfach ist das. Das ist eine der zentralen Aufgaben der nächsten Jahre. Das muss der Staat insgesamt stemmen."

    Rund zwölf Milliarden Euro sollen in den Ausbau der Kinderbetreuung fließen. Davon hat der Bund 5,4 Milliarden Euro gegeben. Den Rest sollten Länder und Kommunen je zur Hälfte übernehmen.

    Das ist aber nicht überall passiert. An das sogenannte Konnexitätsprinzip, also wer bestellt, muss auch bezahlen, hielten sich einige Länder nicht oder nur unzureichend, bemängelt Stephan Articus vom Deutschen Städtetag:

    "Wir haben sogar Länder, die einen Teil des Geldes, das der Bund bereitgestellt hat, bei sich belassen haben, die die Mittel nicht richtig weiter gegeben haben, sondern gesagt haben: Wir haben in der Vergangenheit schon so viel bezahlt, dass jetzt mal andere dran sind und wir durch die Bundeszahlungen einen Ausgleich für unsere früher mal geleisteten Zahlungen erreichen. Das ist nicht korrekt, das haben wir auch immer angeprangert."

    Trotz aller finanziellen Streitigkeiten: Der Ausbau der Kinderbetreuung hat vor allem im vergangenen Jahr ordentlich an Fahrt aufgenommen. Beispiel Niedersachsen: 2012 gab es hier 42.000 Plätze für Kinder unter drei Jahren. Heute sind es rund 58.000 Plätze für etwa 44 Prozent der Kleinkinder.

    Die Kindertagesstätte Gethsemane in Hannovers Stadtteil List. Jule, Franz und ein paar andere Kinder klettern ins Baumhaus hinauf, während die Krippenkinder im großen Sandkasten Kuchen backen.

    Thomas Müller leitet den evangelischen Kindergarten seit mehr als 20 Jahren. Die Einrichtung ist beliebt, die Familien im Stadtteil haben oft viele Kinder. Wartelisten habe er immer, sagt Müller, auch für die 15 Krippenplätze für Kinder unter drei Jahren. Dennoch sieht Müller die Betreuungssituation in Hannover recht entspannt:

    "Weil zum einen die Plätze da sind; zum anderen aber auch Familien sich kurzfristig umorientieren und es ihnen schwerfällt, ihr Kind tatsächlich mit einem Jahr in die Krippe zu geben. Und damit werden dann ursprünglich gedachte Betreuungswünsche in den Hintergrund gestellt und die Familien versuchen dann doch ihre Betreuung individuell alleine zu regeln."

    Qualität der Betreuung aus dem Blickfeld geraten
    Für gut 55 Prozent der unter Dreijährigen in Hannover wird es im August einen Betreuungsplatz geben. Alles gut also? Thomas Müller schüttelt den Kopf. Unter dem Druck, immer mehr Kita- und Tagespflegeplätze für die Kleinsten zu schaffen, sei die Qualität der Betreuung aus dem Blickfeld geraten. In den vergangenen Jahren seien die Anforderungen an Erzieherinnen und Erzieher drastisch gestiegen, sagt Müller - der niedersächsische Betreuungsschlüssel aber sei gleich geblieben: 15 Krippenkinder, also unter Dreijährige, werden von zwei Fachkräften betreut. So sieht es das Gesetz in Niedersachsen vor:

    "Wir haben einen unglaublichen Ausbau an Krippenplätzen. Aber wir haben in der Qualität der Betreuung nicht eine analoge Entwicklung dazu verzeichnen können. Wenn man Familien sieht, die zum Beispiel drei oder vier Kinder haben, schon ganz schön an ihre Grenzen kommen. Und wenn ich jetzt zwei Mitarbeiter sehe, die sich um 15 Kinder verantwortlich kümmern sollen und ihren Bildungsauftrag an der Stelle erfüllen sollen, ist das aus meiner Sicht nicht möglich."

    Im vergangenen September hat Thomas Müller deshalb gemeinsam mit Vertretern anderer Kitas und Sozialverbände eine Bürgerinitiative ins Leben gerufen. Sie fordert vom niedersächsischen Landtag, das Kindertagesstätten-Gesetz zu überarbeiten und einen besseren Betreuungsschlüssel vorzugeben: Eine Krippen-Gruppe mit 15 Kindern soll demnach von mindestens drei Fachkräften betreut werden:

    "Wenn wir für die Kleinen nicht das Motto gelten lassen "Das Beste ist uns gerade gut genug", dann wird man später immer nachbessern müssen."
    Denn mit Neu- und Anbauten allein ist es nicht getan, das weiß auch Johanna Hohmann-Baumann, Kita-Fachberaterin bei der Arbeiterwohlfahrt Niedersachsen. Die AWO, selbst Träger vieler Kindertagesstätten, unterstützt die Bürgerinitiative. Blauäugig habe der Bund gemeinsam mit den Ländern einen Rechtsanspruch auf Betreuung ab dem ersten Geburtstag beschlossen, sagt Johanna Hohmann-Baumann:

    "Ich glaube, dass sich die Politiker nicht vorstellen können, wie es vor Ort ist. Niemand har Vierlinge zu Hause, die er wickeln muss. Niemand kann sich den Lärmpegel richtig vorstellen, wenn er nicht in so einer Einrichtung ist. Es ist vielleicht auch so was wie eine Portion "Gut gemeint, aber nicht gut gemacht.""

    Vor wenigen Wochen veröffentlichte die Arbeiterwohlfahrt die Ergebnisse einer Umfrage, die sie in mehr als 1000 ihrer Einrichtungen gemacht hatte. Fazit: Vielerorts zählt nur noch der zahlenmäßige Ausbau der Kinderbetreuungsplätze, nicht aber die Qualität. Kleinkinder werden einfach gemeinsam mit älteren Kindern in immer größeren Gruppen betreut, unqualifiziertes Personal wird eingestellt. Eine Kita-Leiterin lässt sich mit den Worten zitieren, die Arbeit in den Einrichtungen sei hart an der Grenze zur Gefährdung des Kindeswohls.

    Personalmangel und wenig qualifizierte Fachkräfte
    So weit würde Christina Königer-Anhoeck nicht gehen - doch auch sie kennt das Problem. Die große Frau mit dem grauen Haarschopf leitet die AWO-Kindertagesstätte Sonnenkamp in Sarstedt, südlich von Hannover. Große helle Räume, auf dem blauen Linoleum-Boden lässt sich prima Bobby-Car fahren, im großen Garten ist Platz zum Toben für 90 Kinder. 15 von ihnen sind noch keine drei Jahre alt. Die Kommune Sarstedt bezahlt der Kita eine halbe Kraft zusätzlich für die Krippengruppe. Das sei auch dringend nötig, sagt Christina Königer-Anhoeck. Denn einjährige Kinder brauchen mehr und andere Betreuung als Drei- oder Vierjährige:

    "Es sind viele Wickelzeiten am Tag. Die Kinder brauchen Assistenz beim Essen, beim Anziehen. Wir haben ja diesen furchtbaren Winter gehabt. Wenn sie zehn Minuten raus gehen wollen, müssen sie die Kinder eine halbe Stunde lang anziehen. Wir unterstützen sie ja auch in ihrer Selbstständigkeits-Erziehung, da muss man auch ein bisschen abwarten können."

    Außerdem seien nur wenige Erzieher speziell für die Betreuung und Förderung von Kindern unter drei Jahren ausgebildet:

    "Ganz wichtig ist, dass man Kenntnisse über Entwicklungspsychologie hat, über Bindungstheorien. Wie lernen Kinder? Was brauchen Kinder? Das ist schon sehr umfangreich. Und diese Erzieherinnen sind rar gesät. Die zu bekommen, ist schwierig."

    Schätzungen zufolge fehlen in ganz Deutschland derzeit rund 12.000 Erzieherinnen und Erzieher. Schnell aus dem Hut zaubern lassen sie sich nicht, eine Ausbildung zum Erzieher dauert zum Beispiel in Niedersachsen vier Jahre.

    Schlechte Bezahlung macht Erzieherberuf unattraktiv
    Lange Zeit hätten die Fachschulen nicht bedarfsgerecht ausgebildet, sagt Kita-Leiter Thomas Müller, zudem ist die Bezahlung der Erzieher nicht besonders attraktiv. Das durchschnittliche Brutto-Einkommen liegt bei rund 2200 Euro im Monat. Thomas Müller spürt den Personalmangel:

    "Wir selbst sind aktuell gerade mit vier freien Stellen am Markt und versuchen Bewerbungsgespräche zu führen. Das findet nur sehr, sehr sporadisch statt. Wenn es früher so war, dass ich 60, 70 Bewerbungen auf eine freie Stelle bekommen habe, dann bekomme ich jetzt eine oder gar keine. Viel läuft über ein soziales Netzwerk, wo man versucht, innerhalb der Kollegen zu schauen, wo gibt es befristete Verträge, wo kann man Mitarbeiter übernehmen, die vielleicht an einer anderen Stelle gerade frei werden."

    "KITA-Servicestelle U3, Katja Moritz, guten Tag. - Da sind Sie genau richtig. Haben Sie sich denn schon bei Krippen angemeldet?"

    Das Telefon auf Katja Moritz' Schreibtisch steht nicht still an diesem Morgen. Die Pädagogin arbeitet in der "KITA-Servicestelle U3" in München. Diese Elternberatungsstelle hat die Stadt im April eingerichtet. Bis September werden hier Eltern beraten, die bislang keinen Betreuungsplatz für ihre Kleinkinder haben.

    "Bei vielen merkt man, dass viele unter Stress stehen, sich zu integrieren in die Arbeit und der Arbeitgeber auch im Nacken sitzt und will, dass man wieder antanzt - und man schnell eine Betreuungsmöglichkeit sucht."
    Die Mitarbeiter der Beratungsstelle verschicken Fragebögen an die Eltern, um ihren genauen Betreuungsbedarf zu ermitteln. In Kooperation mit den freien Trägern versuchen sie dann, eine Lösung zu finden. Im Augenblick sind es rund 1000 Familien, die noch keine Zusage einer Einrichtung haben und möglichst bis Ende des Jahres einen Betreuungsplatz für ihr Kind brauchen.

    Susanne Herrmann leitet die Abteilung Kita im Münchner Referat für Bildung und Sport. Sie ist zuversichtlich, dass diesen Familien geholfen werden kann, immerhin würden bis Dezember noch einmal 4000 neue Plätze entstehen. Größeres Kopfzerbrechen bereitet dagegen auch ihr der Personalmangel. Allein bei den städtischen Einrichtungen in München fehlten derzeit rund 200 Erzieherinnen und Erzieher:

    "Da hätte ich mir mehr Unterstützung erwartet, wo man einfach dazu kommt, dass Ausbildungen verkürzt werden zum Beispiel, nicht mehr die fünfjährige, sondern dass man runtergeht auf vier Jahre. Da hätte ich mir in diesem Bereich die Unterstützung der Länder vorgestellt. Wenn ich fünf Jahre Ausbildung habe, unbezahlte Ausbildung, dann ist das ein Hemmnis einzusteigen in diesen Bereich."

    2,7 Millionen Euro wird München bis 2016 bereitstellen, um Erzieher in der Stadt zu halten und vor allem neue Fachkräfte zu gewinnen. Das wird wohl auch nötig sein. Susanne Herrmann schätzt, dass München in den kommenden drei Jahren weitere 1500 Erzieher brauchen wird, um den weiteren Ausbau der Kinderbetreuung realisieren zu können.

    In der Zwischenzeit sitzt Katja Moritz weiter am Telefon der Elternberatungsstelle, hört zu, beruhigt, informiert und hofft, möglichst vielen Familien helfen zu können bei der Suche nach einem Betreuungsplatz für ihr Kind.

    Nicht jede Familie, die ihr Kleinkind unter drei Jahren betreuen lassen will, wird am ersten August einen Platz bekommen. Schätzungen zufolge fehlen bundesweit noch rund 100.000 Plätze. Ganz genau zeigen wird sich das aber wohl erst im Laufe des neuen Kindergartenjahres. Eines aber ist allen Beteiligten ohnehin klar: Der Ausbau der Kinderbetreuung muss weitergehen, auch nach dem 1. August.

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