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Familienverband für längeren Bezug von Elterngeld

Der Deutsche Familienverband hat den 14-monatigen Bezugszeitraum des von der großen Koalition beschlossenen Elterngeldes als zu kurz kritisiert. Die arbeitsrechtliche Elternzeit von drei Jahren müsse sinnvoll flankiert werden, forderte Marcus Ostermann, Bundesgeschäftsführer des Familienverbandes. "Wenn es nicht genug Betreuungsangebote gibt, also Eltern nach wie vor zum Teil gezwungen sind, sich selbst um die Erziehung ihrer Kinder zu kümmern, dann muss das zumindest finanziell abgesichert werden", verlangte er.

Moderation: Gerd Breker |
    Gerd Breker: Nun ist es also gewiss. Das Elterngeld kommt. Ein Jahr lang sollen 67 Prozent des Nettoeinkommens gezahlt werden, maximal 1800 Euro. Wenn der andere Elternteil ebenfalls aus dem Beruf aussteigt, noch zwei Monate länger.

    Am Telefon begrüße ich nun Marcus Ostermann. Er ist der Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbandes. Guten Tag, Herr Ostermann!

    Marcus Ostermann: Einen schönen guten Tag!

    Breker: Eine gute Nachricht für Sie und die Mitglieder Ihres Verbandes. Müssen wir jetzt in diesem Lande mit einem Babyboom rechnen?

    Ostermann: Ich glaube, da würde man die Erwartungen ein bisschen zu hoch schrauben, wenn man gleich damit rechnen würde, dass jetzt in Deutschland mehr Kinder geboren werden. Ich glaube das ist auch gar nicht die Erwartungshaltung aller Beteiligten, sondern ich glaube worum es geht ist, dass mit diesem neuen Elterngeldkonzept ein Beitrag dazu geleistet werden kann, dass junge Paare, die sich Kinder wünschen und Kinderwünsche gerne realisieren möchte - viele Umfragen bestätigen uns das immer wieder, dass junge Menschen Kinderwünsche haben -, dass denen ein Baustein mehr aus dem Weg gelegt worden ist, nämlich der Baustein finanzielle Unsicherheit. Ich glaube, dazu kann das Elterngeld einen guten Beitrag leisten. Der Babyboom wird deswegen morgen nicht beginnen.

    Breker: Welche Bedeutung hat dieser Baustein?

    Ostermann: Es ist so, dass Familienpolitik eigentlich zwei wesentliche Dinge leisten muss. Zum einen muss den Menschen die Wahlfreiheit gegeben werden, ob sie ihre Kinder selbst erziehen möchten oder ob sie Betreuungsangebote in Anspruch nehmen möchten. Diese Wahlfreiheit entsteht dadurch, dass überhaupt Betreuungsangebote vorhanden sind. Das ist das eine.
    Auf der anderen Seite braucht man aber auch eine finanzielle Sicherheit, dass man weiß, wenn ich mich für ein Kind entscheide und dadurch zwangsläufig auch Einkommenseinbußen in Kauf nehmen muss, hier gibt es eine Kompensation. Dieses Merkmal fehlte bisher.

    Breker: Bislang gab es das Erziehungsgeld, und das wurde sogar noch länger gezahlt. Hat das nicht gewirkt?

    Ostermann: Das ist auch das Hauptproblem, was wir beim Elterngeld sehen. Das Erziehungsgeld ist für zwei Jahre gezahlt worden. Nun soll es ein Elterngeld bis zu 14 Monate geben. Das ist natürlich viel zu kurz. Was allerdings an diesem neuen Konzept auch ein Paradigmenwechsel ist, es auszugestalten als Lohnersatzleistung. Das heißt, dass man ansetzt und sagt, wir wollen eine Einkommenseinbuße, die mit der Entscheidung für ein Kind verbunden sein kann, versuchen zu kompensieren. Das Problem beim Erziehungsgeld war ja, dass es viel zu gering war und dass der immer noch geringe Betrag, den es als Mindestbetrag gibt, die 300 Euro - das sind die, die vom Erziehungsgeld übernommen werden -, der ist natürlich viel zu gering. Aber wer mehr verdient, kann ähnlich wie beim Arbeitslosengeld I jetzt eine Lohnersatzleistung erhalten. Ich glaube, dass das auch mehr Sicherheit, mehr Planungssicherheit gibt für junge Paare.

    Breker: Die so genannten Vätermonate, Herr Ostermann, wird das wirklich einen großen Wandel herbeiführen? Geht das so, denn da müssen ja auch die Arbeitgeber mitspielen?

    Ostermann: Ich glaube nicht, dass diese so genannten Vätermonate - ich würde sie lieber Partnermonate nennen wollen, denn es soll ja für jeden gleichermaßen gelten - ich glaube nicht, dass das so entscheidend ist. In den letzten Wochen ist sich sehr darauf gestützt worden. Ich glaube auch nicht, dass es Aufgabe des Staates ist, hier den Menschen durch Regeln vorschreiben zu wollen, wie sie in ihrem privaten Bereich die Dinge zu organisieren und zu regeln haben. Nun ist sich dafür entschieden worden. Es ist sicherlich gut gemeint. Ich verstehe auch die Idee dahinter. Aber genau was Sie mit Ihrer Frage angesprochen haben: Ich stelle es mir in der Praxis ganz schwierig vor, das durchzusetzen, denn die so genannte Elternzeit, diese arbeitsrechtliche Regelung, gilt für drei Jahre, wo man die Berufstätigkeit zu Gunsten einer Kindererziehung unterbrechen kann.

    Wenn wir jetzt mal den Fall nehmen: Jemand nimmt zwölf Monate erst mal sich Elternzeit, um in dieser Zeit auch das Elterngeld zu beziehen, dann soll das der Partner für zwei Monate machen. Wie soll das funktionieren? Soll jemand für zwei Monate dann an seinen Arbeitsplatz zurückkehren, wenn er danach weiter die Elternzeit in Anspruch nehmen möchte und sich um sein Kind kümmern möchte? Ich halte das für in der Praxis höchst problematisch.

    Breker: Was tun, wenn die 14 Monate vorbei sind? Das ist ja auch eine Frage: Wohin dann mit dem Kind? Sie haben es schon gesagt: Betreuungsplätze müssten da sein. Aber müssten nicht eigentlich auch mehr Teilzeitarbeitsplätze da sein?

    Ostermann: Ich glaube, dass das ja ein Bereich ist - ich möchte es mal unter dem Stichwort familienfreundlichere Unternehmenswelt zusammenfassen -, dass das ein Bereich ist, wo man mit Gesetzen relativ wenig erreichen kann oder ich glaube, wir mittlerweile an die Grenze dessen gekommen sind, was man mit Regelungen bewirken kann. Da ist ja in den letzten Jahren viel geschehen. Es gibt ja auch Teilzeitansprüche im Rahmen der Elternzeit beispielsweise. Das ist diese von mir vorhin erwähnte arbeitsrechtliche Regelung.

    Ich glaube, was aber entscheidend ist – und da ist vor einigen Jahren schon etwas angestoßen worden, insbesondere in den letzten Jahren -, hier Impulse zu schaffen, dass bei Unternehmen auch ankommt, dass ein zufriedener Arbeitnehmer, der Beruf und Familie so miteinander vereinbaren kann wie er es für sich möchte, dass das auch für Unternehmen einen hohen Stellenwert hat. Da habe ich in den letzten ein, zwei Jahren ganz positive Signale beobachten können, dass Unternehmen hier anfangen umzudenken und das als positiv empfinden.

    Breker: Muss nicht noch mehr umgedacht werden, Herr Ostermann, denn Teilzeitarbeitsplätze das bedeutet ja oft, dass man auf Karriere verzichtet, denn im Denken der Arbeitgeber ist der leitende Angestellte immer einer, der ständig verfügbar ist.

    Ostermann: Eben genau das ist das, was ich mit Bewusstseinswechsel oder Mentalitätswechsel meinte, wo man mit Regelungen nichts machen kann. Sie können genau diesen Punkt, der sehr, sehr wichtig ist, schwer mit einem Gesetz oder einer Verordnung regeln. Ich glaube, entscheidend ist, dass auch Familienkompetenzen, also das, was man durch die Erziehung von Kindern auch als Kompetenz erlangt, Unternehmen viel stärker bewerten müssen, diese erhöhte Flexibilität, diese erhöhte Belastbarkeit, die Eltern haben jetzt im positiven Sinne, einfach durch diese Aufgaben, die mit der Erziehung von Kindern verbunden sind. Ich glaube, das müsste von Unternehmen viel mehr wertgeschätzt werden, als es bisher der Fall ist.

    Breker: Ist denn die neue Regelung, Herr Ostermann, wenn wir mal die spezielle Gruppe der Alleinerziehenden nehmen, nicht ein großer Sprung nach vorne?

    Ostermann: Das ist ja jetzt so der Zeitpunkt, wo aufgemacht wird zu bilanzieren: Welche Gruppen stellen sich besser, welche stellen sich schlechter? Auch bei den Alleinerziehenden gilt einfach Folgendes zu betrachten: Natürlich bekommt er jetzt mit einer Lohnersatzleistung wie alle anderen auch für ein Jahr unter Umständen wesentlich höhere Leistungen zur Verfügung als vorher. Allerdings endet das Ganze eben nach 14 Monaten, und das bisherige Erziehungsgeld insbesondere in unteren Einkommensbereichen ist für 24 Monate gezahlt worden. Insofern glaube ich, kann man auch bei den Alleinerziehenden nicht sagen, dass die sich in jedem Fall besser stellen, sondern es kommt darauf an, was auch Alleinerziehende vorher verdient haben.

    Breker: Ein Schritt in die richtige Richtung. Wie sollte der nächste aussehen?

    Ostermann: Der nächste Schritt, der notwendig wäre, ist der Ausbau des Elterngeldes für längere Bezugszeiträume. Das muss der ganz wesentliche Weg sein, die Elternzeit von drei Jahren, die arbeitsrechtlichen Möglichkeiten sich zurückzunehmen im Beruf. Das muss flankiert werden sinnvoll. Wenn es nicht genug Betreuungsangebote gibt, also Eltern nach wie vor zum Teil gezwungen sind, sich selbst um die Erziehung ihrer Kinder zu kümmern, dann muss das zumindest finanziell abgesichert werden. Dringend notwendiger nächster Schritt: Ausbau des Elterngeldes, längere Bezugszeiträume.

    Breker: Marcus Ostermann war das, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Familienverbandes. Herr Ostermann, danke für dieses Gespräch.

    Ostermann: Ja, ich danke Ihnen herzlich.