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Fan-Ausschreitungen Im Fußball
Gewaltexzesse im Rausch

Die Gewaltbereitschaft von Fußballfans ist weiterhin ein Problem. Dabei hängen Fangewalt und Drogenkonsum eng zusammen, wie eine Studie der Katholischen Hochschule NRW ergeben hat. In den Fanprojekten wird jetzt darauf reagiert.

Von Heinz Peter Kreuzer | 25.08.2018
    Ein russischer Fan tritt einem englischen Fan gegen den Bauch.
    Gewalt im Stadion bei der Partie England gegen Russland (EPA)
    "Mit unbeleuchteten Autos auf Polizisten und Polizistinnen zuzufahren, lässt sich rational nicht mehr erklären. Die Tat dieser Menschen ist gekennzeichnet von blankem Hass, Missachtung von Leben und Gesundheit anderer, sowie absoluter Respektlosigkeit", so empört sich der Kölner Polizeipräsident Uwe Jacob nach der Jagd Kölner Fans auf einen Bus mit Anhängern von Union Berlin und auf Polizisten beim anschließenden Einsatz.
    Die Dimension dieser kriminellen Aktion unterstreicht das Ergebnis einer Studie zum Zusammenhang zwischen "Drogenkonsum und Gewalt im Fußball" – durchgeführt vom Deutschen Institut für Sucht- und Präventionsforschung der Katholischen Hochschule NRW. Demnach hängt die Gewalt in der Szene oft mit dem Konsum illegaler Drogen zusammen.
    Mehr als die Hälfte der Befragten - 52 Prozent - haben Gewalterfahrungen im Fußballbereich, 45 Prozent gaben an, der Ultra- oder Hooligan-Szene anzugehören. Fast ein Drittel der Befragten konsumiert Cannabis, aber auch Kokain und Amphetamine werden von 13 bzw. 10 Prozent eingenommen. Werte, die deutlich über dem Bundesschnitt liegen.
    Drogen verstärken die Gewaltbereitschaft
    Die Fans wurden in zehn Onlineforen befragt, 90 Prozent der fast 800 Interviewten waren männlich. Studienleiter Professor Daniel Deimel erläutert: "Wir haben nach Konsumerfahrungen gefragt, und wir haben eben auch nach Gewalterfahrungen gefragt: Waren Sie Opfer von Gewalttaten oder sind Sie Täter in solchen Kontexten und dann haben wir schlussendlich Verbindungen statistisch herleiten können."
    Der Leiter der Jugendsuchtberatung Köln, Stefan Becker, trifft in seinem Berufsalltag immer wieder auf Fußballfans. Die einen kommen freiwillig, andere erhalten von Richtern die Auflage, an einer Suchtberatung teilzunehmen. In den Beratungsgesprächen geben sich dann viele als Fußballanhänger zu erkennen. Und sprechen auch über ihre Gewaltexzesse.
    Die Einen geraten zufällig in Schlägereien, "andere vorabreden sich ganz bewusst vorher mit anderen Fans oder untereinander zu Gewaltdelikten, zu Schlägereien, nutzen dann auch verschiedene Drogen für sich, Amphetamine, Kokain, was a sehr stimulierend ist, was die Risikobereitschaft minimiert, was teilweise eine Gewaltbereitschaft verstärken kann, was das Schmerzempfinden senkt."
    Kein fußballtypisches Problem
    Suchtberater Becker sieht dies nicht unbedingt als fußballtypisches Problem, eher als Spiegel der Gesellschaft. Und für den Fanforscher Jonas Gabler liegt die Kombination Drogen und Gewalt nahe: "Weil letztendlich ist Teil einer gewaltorientierten Fußball-Szene zu sein, das spricht genauso wie Drogenkonsum Leute an mit einem Risikoverhalten, die eben das Risiko suchen, und sich daran auch erfreuen."
    Für Studienleiter Deimel ist das Problem mittlerweile erkannt, er will die Forschungen in diesem Gebiet weiter ausdehnen, um Lösungen für den Umgang mit dem Thema zu finden: "Es braucht dezidierter Konzepte und Ansätze, wie in der Praxis in diesen Szenen und im Umfeld von Stadien mit diesem Thema Sucht umgegangen wird."
    Die Koordinierungsstelle Fanprojekte plant schon für Anfang September einen Workshop für die Mitarbeiter der Fanprojekte zum Thema Fußballfans und Drogen. Hier sollen die Betreuer erst einmal für das Thema sensibilisiert werden und ihnen erste Hilfsmaßnahmen zu vermitteln.
    Fanforscher Gabler warnt jedoch davor, die Sozialarbeiter in den Fanprojekten zu überfordern, sie hätten schon jetzt so viele Aufgaben: "Die Hauptaufgabe aus meiner Sicht bei den Fanprojekten und Fanbeauftragten ist, über neue Konsumformen auf dem Laufenden zu sein und sensibel das zu beobachten und bei Bedarf Menschen in bestehende Suchtberatungsangebote zu vermitteln."