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Fanbetreuer halten Sicherheit bei WM für gewährleistet

Die deutschen Fanbetreuer halten die Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit der Fußball-Weltmeisterschaft für überbewertet. "Das macht natürlich auch viele Leute nervös", sagte Michael Gabriel, stellvertretender Leiter der Koordinierungsstelle Fanprojekte. "Wir erwarten, dass das ein ganz tolles Fest wird", blickt Gabriel optimistisch auf die in fünf Wochen beginnende WM.

Moderation: Friedbert Meurer |
    Friedbert Meurer: Heute auf den Tag genau in nur noch fünf Wochen beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft. Einen Monat lang wird sich dann alles in Deutschland um den Ball drehen, der längst nicht mehr aus Leder ist. Auch sonst hat sich viel seit 1930, der ersten Weltmeisterschaft, verändert, nicht zuletzt die Art und Weise, wie sich Polizei und Sicherheitskräfte auf die Weltmeisterschaft vorbereiten. Auch das ist ein Thema der Innenministerkonferenz in Garmisch-Partenkirchen, von der wir eben gehört haben.

    Am Telefon in Frankfurt begrüße ich jetzt Michael Gabriel. Er ist stellvertretender Leiter der Koordinierungsstelle Fanprojekte, der Dachorganisation von 33 Fanprojekten. Guten Morgen, Herr Gabriel!

    Michael Gabriel: Schönen guten Morgen!

    Meurer: Was bedeutet denn das Thema Sicherheit für die Fans?

    Gabriel: Auf zwei Ebenen spielt sich das für die Fans ab. Alle Zuschauer, die nach Deutschland kommen werden - das sind ja alles Fans -, die erwarten natürlich in Deutschland, dass sie in ein sicheres Land kommen, in ein sicheres Umfeld kommen, in dem sie sich wohl fühlen. Das ist die eine Sache.

    Die andere Sache ist, dass wir ja in der Bundesliga alle wissen, dass es auf Seiten der Fans, die in der Bundesliga ihre Mannschaft regelmäßig begleiten, gewisse Beschwerden gibt über die Behandlung von Fans. Es kann also auch manchmal des Guten zu viel sein. Und es wird darum gehen, bei der Weltmeisterschaft ein gesundes Mittelmaß zu finden.

    Meurer: Welche Beschwerden gibt es denn von Fans?

    Gabriel: Na ja, dass sie auf Grund eines Rufs, den sie haben, behandelt werden und nicht auf Grund eines tatsächlichen Verhaltens, dass sie drangsaliert werden, dass ihre Räume beengt werden und sie sich nicht in ihrer Kultur ausleben können. Das ist quasi das, was in der Bundesliga passiert und was auch so ein paar der Befürchtungen sind, die es für die Weltmeisterschaft gibt, dass es dort auf Grund der Debatte, die es jetzt in der Öffentlichkeit gibt - da wird ja fast nur über Sicherheit gesprochen. Das bekommen wir von unseren ausländischen Kollegen auch rückgespiegelt, dass es da ein paar Sorgen gibt, wie denn ihre Fans wohl hier behandelt werden.

    Meurer: Welche Sorgen gibt es da genau?

    Gabriel: Um das einmal von der deutschen Bundesliga vielleicht auf die englischen Fans überzuleiten, die einen schlechten Ruf haben, die auch verdientermaßen in den 80er Jahren und Anfang der 90er Jahre einen schlechten Ruf hatten, weil sie tatsächlich sehr, sehr viele problematische Leute mitgebracht haben und auch für viele Probleme bei Turnieren gesorgt haben. In den letzten acht Jahren hat sich das Verhalten der englischen Fußballfans, die Zusammensetzung der englischen Fußballfans, absolut geändert. Es hat sich sehr zum Guten gebessert. Sie sind nicht mehr die "violent animals", die sie früher waren, sondern sind eher die "party animals", also diejenigen, die für gute Stimmung sorgen. Trotzdem ist es so, dass in der öffentlichen Meinung, wenn man eine Umfrage machen würde - da bin ich mir ziemlich sicher -, eher noch der Eindruck vorherrscht, dass die Engländer ein gefährliches Potenzial sind. Die Sorge, die die Engländer haben, ist, dass sie auf Grund ihres Rufes behandelt werden, dass sie stärker durchsucht werden, dass die Aufmerksamkeit, die ihnen von den Sicherheitskräften zugeteilt wird, dass die nur auf Grund ihres Rufes ihnen zugeteilt wird.

    Meurer: Nun hat es in der Tat, Entschuldigung, diese Ereignisse vom Heysel-Stadion gegeben, mit vielen Toten damals. Müssen wir keine Angst haben vor englischen Hooligans? Sollte man da nicht besonders genau hinschauen?

    Gabriel: Nein. Das hat ja die englische Polizei getan. Sie haben ja auch eingeleitet, dass die Sicherheitsvorkehrungen bei so einer Weltmeisterschaft sich auch massiv verändert haben und wesentlich stärker geworden sind. Sie sind auch besser geworden. Die Polizeien haben nun mittlerweile einen viel differenzierteren Einblick in die jeweiligen Szenen und können dann auch gezielter tatsächlich die Leute ansprechen mit ihren Maßnahmen, die tatsächlich für Probleme sorgen. Das hat in England - nicht nur in England - gefruchtet. Das ist die eine Ebene.
    Die andere Ebene ist, dass aus der Fanszene selbst so eine Art Selbstreinigung entstanden ist, dass da sehr stark die positiven Fankräfte gefördert worden, auch von öffentlichen Behörden gefördert worden sind. Auch in der öffentlichen Meinung oder in der öffentlichen Darstellung wurde viel stärker Wert darauf gelegt, die positiven Aspekte zu betonen.

    Meurer: Um diesen positiven Aspekt zu betonen, gibt es ja bei uns hier auch das Motto oder das Motto der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland "Die Welt zu Gast bei Freunden". Befürchten Sie, dass diese Freunde hier eine Fußball-Weltmeisterschaft hinter Stacheldraht und Zäunen erwartet?

    Gabriel: Nein, gar nicht. Wir erwarten, dass das ein ganz tolles Fest wird. Das ist jetzt keine Sonntagsaussage, sondern das ist tatsächlich so.

    Meurer: Aber es wird doch strenge Kontrollen geben, auch zum Beispiel vor den Großleinwänden?

    Gabriel: Ich denke, dass es sinnvoll ist. Das muss man nur vermitteln. Wir haben nach den Anschlägen von New York im Jahr 2001 eine tatsächliche terroristische Bedrohung gehabt. Das hat zur Folge, dass jeder Zuschauer, der ins Stadion geht, durchsucht werden muss, tatsächlich jeder Zuschauer. Das ist aber eine Maßnahme, die jeder versteht, die man nur vermitteln muss. Was uns ein bisschen Sorge macht ist tatsächlich, dass nur über Sicherheit geredet wird und gar nicht über die positiven Momente dieser Weltmeisterschaft geredet wird, gar nicht über die Angebote, die gemacht werden für die Fans, die hier herkommen. Das macht natürlich auch viele Leute nervös.
    Wenn es anders herum wäre, wenn man betonen würde, dass es tolle Angebote des "public viewing" gibt, wenn wir mit den Engländern reden, die ja viele Leute mitbringen, die wahrscheinlich keine Eintrittskarte haben werden, die sind total begeistert, dass es dieses Angebot gibt, weil es ihnen die Möglichkeit gibt, gemeinsam Fußball zu erleben, gemeinsam Fußball zu schauen und gemeinsam Fußball zu feiern.

    Meurer: "Public viewing", das sind ja diese Großleinwände, die in den Innenstädten aufgestellt werden. Ist das der besonders gefährliche Ort, weil in Stadien passiert ja kaum noch etwas?

    Gabriel: Nein. Auch da die Erfahrung, die wir gemacht haben insbesondere in Portugal. Das waren absolut positive Erfahrungen durch die Bank, auch beim "public viewing". Es gab an allen Spielorten "Public viewing"-Möglichkeiten, große "public viewing"-Möglichkeiten und das waren friedliche Feste. Das waren einfach tolle Angelegenheiten, weil sich da die ausländischen Besucher mit den einheimischen Besuchern vermischt haben, und man gemeinsam dort gefeiert hat. Ähnlich wie bei den "public viewings" ist es auch so, dass das Fan- und Besucherbetreuungsprogramm des Weltmeisterschafts-OKs bisher relativ unbekannt ist, also das, was wir mit den Fanprojekten organisieren, Anlaufstellen, Fanbotschaften in den Städten. Wir machen eine Website, wir machen einen Fanguide, also ein umfassendes Programm für die Gäste, die hierher kommen. Leider wird das weniger publik gemacht. Das wäre unserer Meinung nach die bessere Einladung für die Gäste, die hierher kommen, als zu suggerieren, diese Weltmeisterschaft hier wäre ein gefährlicher Ort, was es nicht sein wird.

    Meurer: Gehen eigentlich Innenminister und Polizei auf Sie ein? Gibt es da Kontakte, reden sie miteinander?

    Gabriel: Wir reden miteinander. Wir haben regelmäßige Kommunikation. Wir versuchen dort, unsere Perspektive unterzubringen, sind auch sicher, dass sie dort ankommt. Wir erwarten tatsächlich bei der Weltmeisterschaft ein polizeiliches Auftreten, was sich an den guten Erfahrungen in Portugal orientiert. Das heißt, zentral wird natürlich sein: Wie wird die Polizei in der Straße, in der Öffentlichkeit auftreten? Da erwarten wir die zurückhaltende Polizei, also keine in Kampfuniform. Wir erwarten kommunikative Polizei und eine freundliche Polizei, die Polizei, dein Freund und Helfer, wo dieser Helfergedanke im Vordergrund steht, dass die Leute auch mal fragen können, wo komme ich hier zur nächsten Kneipe. Das ist tatsächlich etwas, was wir erwarten auch auf Grund der Rückmeldung, die wir von der Polizei haben.

    Meurer: Und das kommt alles in fünf Wochen. Dann beginnt nämlich die Fußball-Weltmeisterschaft.

    Gabriel: Wir hoffen.

    Meurer: Dank schön. Das war Michael Gabriel von der Koordinierungsstelle Fanprojekte in Frankfurt. Danke und auf Wiederhören.

    Gabriel: Bitte schön.