Kammann: Guten Morgen.
Heinlein: Herr Kammann, Ihr Tipp für heute Abend. Wer wird neuer Chef der Mainzelmännchen?
Kammann: Mein Tipp, es wird tatsächlich kein weißer Rauch aufsteigen. Ich vermute auch - und die Prognose ist gar nicht so schwer -, dass es auch am Samstag noch keinen neuen Intendanten geben wird, sondern dass die Entscheidung in das Frühjahr vertagt werden wird.
Heinlein: Sind denn also Reim oder Reitze heute nur Zählkandidaten? Hat man sich in Wahrheit im Hintergrund vielleicht schon auf einen Kompromisskandidaten verständigt?
Kammann: Ein Hintergrundpaket - und so muss man es sehen - ist bestimmt schon geschnürt, es sind mehrere Pakete geschnürt worden. Insofern trifft das etwas bittere Wort von Zählkandidaten sicher da für beide zu, obwohl beide fachlich gut sind und sicherlich dafür geeignet wären, aber sie sind eben nicht vermittelbar, wie es dann heißt. Insofern wird es um ein Paket gehen, in dem verschiedene Gewichte liegen, in dem verschiedene Farben austariert werden. So ist ja das berühmte Wort beim ZDF. Es gibt eine Farbenlehre, d.h. sowohl in der oberen als auch in der mittleren Führungsposition wird jeweils nach einer vermuteten Parteinähe, nach einer Einfärbung entschieden. Ich halte das für ein völlig überholtes Denken.
Heinlein: Wie qualifiziert man sich denn, als Bewerber, bei den Parteien als Kandidat? Durch besondere parteipolitische Linientreue in Kommentaren oder bei der Themenauswahl? Wie muss man sich das vorstellen?
Kammann: Also, es sind ja oft Vermutungen, Zuschreibungen, die von außen kommen. Bei den genannten Kandidaten würde ich keinem unterstellen, dass er sich irgendwo Liebkind macht und sich anlehnt. Ich glaube, es sind eher Zuschreibungen von außen, vielleicht auch eine persönliche Nähe, dass jemand denkt, der ist sozusagen in meinem Denken vertrauter als andere, aber eine direkte Verbindung ist nicht auszumachen, das wäre auch eine etwas schlechte Unterstellung.
Heinlein: Ist denn beim ZDF als bundesweiter Sender der Parteienproporz besonders ausgeprägt oder ist es bei Landesrundfunkanstalten, wie dem WDR oder dem BR, nicht anders?
Kammann: Die Proporzmaschinerie funktioniert überall. Die Politik lässt sich leider nicht außen vor halten. Beim ZDF ist es aber besonders ausgeprägt, weil alleine im Verwaltungsrat des Senders - und das muss man sich vorstellen - fünf Ministerpräsidenten und ein Vertreter des Bundeskanzleramtes sitzen. Das ist gerade an der Nähe dessen, was das Verfassungsgericht vielleicht noch toleriert. Da das ZDF eine Länderanstalt ist, die von allen Ländern getragen wird, ist da natürlich die Eifersüchtelei, wer hat welchen Einfluss, besonders groß. Und weil das Gremium mit 77 Köpfen - man muss sich das vorstellen - auch besonders groß ist, ist es auch dort besonders schwer, diesen Konsens zu finden, der in der Zwei-Drittel-Mehrheit liegt. Das war sicher klug gedacht, um eine Polarisierung zu vermeiden, wenn sie sonst eine einfache Mehrheit hervorrufen würde, aber es ist eben schwer, Stimmen aus dem anderen Lager rüberzuziehen. Das bedeutet eben immer, dass es heißt, gibst Du mir etwas, dann gebe ich Dir etwas, und das führt eben zu diesen Paketlösungen, die wahrscheinlich im Hintergrund noch eifrig gebastelt werden.
Heinlein: Wie weit reicht denn insgesamt aufgrund Ihrer Erfahrung der Einfluss der Parteien auf die Personalpolitik der öffentlich-rechtlichen Sender?
Kammann: Der Einfluss ist groß, sicherlich viel größer, als die öffentlich-rechtlichen Sender immer noch selbst behaupten. Das wird diesem Beispiel ganz besonders deutlich. Ein früherer Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Heinz Kühn, der immer sehr stark Rundfunkpolitik betrieben hat, hat das auch immer ganz offen gesagt und hat gemeint, wenn man es nicht so spielen würde, dann würde man Camouflage betreiben, dann wäre der verdeckte Einfluss noch sehr viel stärker. Aber nach meinem Geschmack ist es viel zu stark, dass die Parteien hier mitbestimmen, denn unter allen Kandidaten hätte man sehr gut jemanden finden können, der aus dieser Farbenlehre herausgefallen wäre und einfach sachlich überzeugt hätte. Es ist jetzt nur zu einem reinen Postengerangel geworden.
Heinlein: Was erhoffen sich denn die Parteien von diesem Gerangel?
Kammann: Letztendlich ist es immer noch der alte Kinderglaube, dass man durch mehr Präsenz bzw. durch eine freundliche Darstellung im Leitmedium Fernsehen für sich letzten Endes Stimmen gewinnen kann, dass man Stimmung für sich gewinnen kann. Ich halte das für völlig überholt, weil viel zu viele veröffentlichte Meinungen, sei es in Zeitungen, sei es im Fernsehen, gegeneinander stehen. Ich finde, das neutralisiert sich sicher. Es ist zwar schon geringer geworden - früher die Erbsen gezählt wurden, wer ist wie lange in den Nachrichten präsent - aber der Glaube hat sich immer noch gehalten. Die Politik denkt, man müsste ihr eigenes Bild in einer Rundfunkanstalt spiegeln. Ich halte das für ein völlig überholtes Denken.
Heinlein: Was könnte man denn ändern? Wie kann der Einfluss der Parteien auf die öffentlich-rechtlichen Sender verringert werden?
Kammann: Man müsste die Gremien schlank machen, was die politische Präsenz betrifft, z.B. im Verwaltungsrat des ZDF. Auch woanders ist die Politikbeteiligung ein Drittel der Gremien. Ich glaube, wenn die Gremienvertreter, wie es gedacht ist, tatsächlich für die verschiedenen Gruppierungen der Gesellschaft stehen, hätte man mehr Chancen, dass sie ein differenziertes Bild wiedergeben und nicht immer meinen, sie müssten Wasser auf die eigenen Mühlen der Parteipolitik lenken. Also, die Gremienreform wäre der erste Schritt, um hier den Anstalten mehr Staatsfreiheit zu geben. Es ist ja bezeichnend, dass gerade der nordrhein-westfälische Ministerpräsident noch schnell seine eigene Regierungssprecherin und Medienstaatssekretärin jetzt in den Verwaltungsrat geschickt hat. Es wurde gerade ein Posten frei und da hat er sozusagen ein Mitglied der Regierung wieder in den Fernsehrat geschickt. Sie wählt heute Abend mit, und das ist für mich ein schlagender Beweis dafür, dass diese Verhältnisse viel zu eng an parteipolitische Interessen gebunden sind.
Heinlein: Könnten denn Journalisten, Chefredakteure oder auch Intendanten per se in Vorleistung gehen, indem sie von vorne herein auf ein Parteibuch verzichten, um nicht in den Verdacht der Abhängigkeit zu geraten?
Kammann: Das tun sie ja. Es gibt ja gar nicht mehr sozusagen nur die Parteisoldaten auf dem Kandidatenkarussell. Einer, der als konservativ gilt, hat sogar im SPD-Freundeskreis - wenn ich es mal so nennen darf - gesagt, was habt ihr den eigentlich gegen mich, wo seht ihr denn jetzt meine große Nähe zum vorschlagenden Edmund Stoiber. Daraufhin hat er nur Schweigen geerntet, also es war gar nicht im Einzelnen festzumachen. Am Verhalten der Journalisten, der Kandidaten und derjenigen, die aus anderen Bereichen kommen, liegt es nicht unbedingt. Es ist eher die Erwartung von außen, die Zuschreibung, wie ich es eben genannt habe, die zu diesem merkwürdigen, verengten Verständnis führt.
Heinlein: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kammann.
Link: Interview als RealAudio
Heinlein: Herr Kammann, Ihr Tipp für heute Abend. Wer wird neuer Chef der Mainzelmännchen?
Kammann: Mein Tipp, es wird tatsächlich kein weißer Rauch aufsteigen. Ich vermute auch - und die Prognose ist gar nicht so schwer -, dass es auch am Samstag noch keinen neuen Intendanten geben wird, sondern dass die Entscheidung in das Frühjahr vertagt werden wird.
Heinlein: Sind denn also Reim oder Reitze heute nur Zählkandidaten? Hat man sich in Wahrheit im Hintergrund vielleicht schon auf einen Kompromisskandidaten verständigt?
Kammann: Ein Hintergrundpaket - und so muss man es sehen - ist bestimmt schon geschnürt, es sind mehrere Pakete geschnürt worden. Insofern trifft das etwas bittere Wort von Zählkandidaten sicher da für beide zu, obwohl beide fachlich gut sind und sicherlich dafür geeignet wären, aber sie sind eben nicht vermittelbar, wie es dann heißt. Insofern wird es um ein Paket gehen, in dem verschiedene Gewichte liegen, in dem verschiedene Farben austariert werden. So ist ja das berühmte Wort beim ZDF. Es gibt eine Farbenlehre, d.h. sowohl in der oberen als auch in der mittleren Führungsposition wird jeweils nach einer vermuteten Parteinähe, nach einer Einfärbung entschieden. Ich halte das für ein völlig überholtes Denken.
Heinlein: Wie qualifiziert man sich denn, als Bewerber, bei den Parteien als Kandidat? Durch besondere parteipolitische Linientreue in Kommentaren oder bei der Themenauswahl? Wie muss man sich das vorstellen?
Kammann: Also, es sind ja oft Vermutungen, Zuschreibungen, die von außen kommen. Bei den genannten Kandidaten würde ich keinem unterstellen, dass er sich irgendwo Liebkind macht und sich anlehnt. Ich glaube, es sind eher Zuschreibungen von außen, vielleicht auch eine persönliche Nähe, dass jemand denkt, der ist sozusagen in meinem Denken vertrauter als andere, aber eine direkte Verbindung ist nicht auszumachen, das wäre auch eine etwas schlechte Unterstellung.
Heinlein: Ist denn beim ZDF als bundesweiter Sender der Parteienproporz besonders ausgeprägt oder ist es bei Landesrundfunkanstalten, wie dem WDR oder dem BR, nicht anders?
Kammann: Die Proporzmaschinerie funktioniert überall. Die Politik lässt sich leider nicht außen vor halten. Beim ZDF ist es aber besonders ausgeprägt, weil alleine im Verwaltungsrat des Senders - und das muss man sich vorstellen - fünf Ministerpräsidenten und ein Vertreter des Bundeskanzleramtes sitzen. Das ist gerade an der Nähe dessen, was das Verfassungsgericht vielleicht noch toleriert. Da das ZDF eine Länderanstalt ist, die von allen Ländern getragen wird, ist da natürlich die Eifersüchtelei, wer hat welchen Einfluss, besonders groß. Und weil das Gremium mit 77 Köpfen - man muss sich das vorstellen - auch besonders groß ist, ist es auch dort besonders schwer, diesen Konsens zu finden, der in der Zwei-Drittel-Mehrheit liegt. Das war sicher klug gedacht, um eine Polarisierung zu vermeiden, wenn sie sonst eine einfache Mehrheit hervorrufen würde, aber es ist eben schwer, Stimmen aus dem anderen Lager rüberzuziehen. Das bedeutet eben immer, dass es heißt, gibst Du mir etwas, dann gebe ich Dir etwas, und das führt eben zu diesen Paketlösungen, die wahrscheinlich im Hintergrund noch eifrig gebastelt werden.
Heinlein: Wie weit reicht denn insgesamt aufgrund Ihrer Erfahrung der Einfluss der Parteien auf die Personalpolitik der öffentlich-rechtlichen Sender?
Kammann: Der Einfluss ist groß, sicherlich viel größer, als die öffentlich-rechtlichen Sender immer noch selbst behaupten. Das wird diesem Beispiel ganz besonders deutlich. Ein früherer Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Heinz Kühn, der immer sehr stark Rundfunkpolitik betrieben hat, hat das auch immer ganz offen gesagt und hat gemeint, wenn man es nicht so spielen würde, dann würde man Camouflage betreiben, dann wäre der verdeckte Einfluss noch sehr viel stärker. Aber nach meinem Geschmack ist es viel zu stark, dass die Parteien hier mitbestimmen, denn unter allen Kandidaten hätte man sehr gut jemanden finden können, der aus dieser Farbenlehre herausgefallen wäre und einfach sachlich überzeugt hätte. Es ist jetzt nur zu einem reinen Postengerangel geworden.
Heinlein: Was erhoffen sich denn die Parteien von diesem Gerangel?
Kammann: Letztendlich ist es immer noch der alte Kinderglaube, dass man durch mehr Präsenz bzw. durch eine freundliche Darstellung im Leitmedium Fernsehen für sich letzten Endes Stimmen gewinnen kann, dass man Stimmung für sich gewinnen kann. Ich halte das für völlig überholt, weil viel zu viele veröffentlichte Meinungen, sei es in Zeitungen, sei es im Fernsehen, gegeneinander stehen. Ich finde, das neutralisiert sich sicher. Es ist zwar schon geringer geworden - früher die Erbsen gezählt wurden, wer ist wie lange in den Nachrichten präsent - aber der Glaube hat sich immer noch gehalten. Die Politik denkt, man müsste ihr eigenes Bild in einer Rundfunkanstalt spiegeln. Ich halte das für ein völlig überholtes Denken.
Heinlein: Was könnte man denn ändern? Wie kann der Einfluss der Parteien auf die öffentlich-rechtlichen Sender verringert werden?
Kammann: Man müsste die Gremien schlank machen, was die politische Präsenz betrifft, z.B. im Verwaltungsrat des ZDF. Auch woanders ist die Politikbeteiligung ein Drittel der Gremien. Ich glaube, wenn die Gremienvertreter, wie es gedacht ist, tatsächlich für die verschiedenen Gruppierungen der Gesellschaft stehen, hätte man mehr Chancen, dass sie ein differenziertes Bild wiedergeben und nicht immer meinen, sie müssten Wasser auf die eigenen Mühlen der Parteipolitik lenken. Also, die Gremienreform wäre der erste Schritt, um hier den Anstalten mehr Staatsfreiheit zu geben. Es ist ja bezeichnend, dass gerade der nordrhein-westfälische Ministerpräsident noch schnell seine eigene Regierungssprecherin und Medienstaatssekretärin jetzt in den Verwaltungsrat geschickt hat. Es wurde gerade ein Posten frei und da hat er sozusagen ein Mitglied der Regierung wieder in den Fernsehrat geschickt. Sie wählt heute Abend mit, und das ist für mich ein schlagender Beweis dafür, dass diese Verhältnisse viel zu eng an parteipolitische Interessen gebunden sind.
Heinlein: Könnten denn Journalisten, Chefredakteure oder auch Intendanten per se in Vorleistung gehen, indem sie von vorne herein auf ein Parteibuch verzichten, um nicht in den Verdacht der Abhängigkeit zu geraten?
Kammann: Das tun sie ja. Es gibt ja gar nicht mehr sozusagen nur die Parteisoldaten auf dem Kandidatenkarussell. Einer, der als konservativ gilt, hat sogar im SPD-Freundeskreis - wenn ich es mal so nennen darf - gesagt, was habt ihr den eigentlich gegen mich, wo seht ihr denn jetzt meine große Nähe zum vorschlagenden Edmund Stoiber. Daraufhin hat er nur Schweigen geerntet, also es war gar nicht im Einzelnen festzumachen. Am Verhalten der Journalisten, der Kandidaten und derjenigen, die aus anderen Bereichen kommen, liegt es nicht unbedingt. Es ist eher die Erwartung von außen, die Zuschreibung, wie ich es eben genannt habe, die zu diesem merkwürdigen, verengten Verständnis führt.
Heinlein: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kammann.
Link: Interview als RealAudio