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Farbenspiele und Existenzängste

Gewerkschaftsriesen wie die IG Metall versuchen vor der Bundestagswahl, die Interessen ihrer unterschiedlichen Mitglieder zusammenzubringen. Für kleine Arbeitnehmergruppen wie die Lokführer und Piloten sind Parteien weniger wichtig. Sie kämpfen vor allem für sich selbst.

Von Felix Lincke | 14.08.2013
    Vor sechs Jahren ging an manchen Tagen kaum mehr was bei der Bahn. Die Lokführer streikten. Eine kleine Gewerkschaft hielt die Republik auf Trab.

    "Aufgrund eines Warnstreiks ist der Zugverkehr beeinträchtigt."

    GDL – Gewerkschaft der Lokführer hieß sie. Wenige Streikteilnehmer, hohe Durchschlagskraft. Nicht alle Politiker fanden solche Spartengewerkschaften gut. Claus Weselsky, Chef der GDL:

    "Es gibt immer wieder Vorstöße aus verschiedenen Parteien, aber auch aus der Regierung, die vorhandenen Berufsgewerkschaften, wie die GDL eine ist, ein Stück weit zu beschränken, bzw. zu begrenzen. Die Diskussion lebt immer wieder auf im Zusammenhang mit Arbeitskämpfen."

    Auf die Bundesregierung ist Weselsky nicht gut zu sprechen. Der GDL ist aber klar, dass sie von einer rot-grünen Regierung auch keine Unterstützung zu erwarten hätte. Sie bleibt also auf sich allein gestellt. Dass kleine Interessengruppen wie Lokführer, Piloten oder Fluglotsen mit ihren Streiks die Republik lahmlegen dürfen, haben Gerichte ihnen bestätigt, es bleibt aber umstritten.

    Mit solchen Problemen müssen sich große Gewerkschaften wie die IG Metall nicht herumschlagen. Niemand stellt sie infrage. SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück erhofft sich von den großen Gewerkschaften möglichst viel Unterstützung. Er hat sich mit Klaus Wiesehügel sogar den IG BAU-Chef ins Schattenkabinett geholt. Bei der IG Metall ist das Misstrauen gegenüber der SPD größer, sie ist immer noch tief enttäuscht über die Agenda 2010 und die die Rentenreform von Rot-Grün. Berthold Huber ist Chef der IG Metall, der größten Gewerkschaft des Landes.

    "So, wie das heute steht, ist die Rente mit 67 eine Sackgasse. Das heißt, wer zum Beispiel 45 Jahre an einem hochproduktiven Arbeitsplatz in der Metall- und Elektroindustrie gearbeitet hat, muss abschlagsfrei auch in Zukunft in Rente gehen."

    Eine konkrete Aussage zur bevorstehenden Wahl ist schwierig für die IG Metall. Sie hat viele Mitglieder in der Linkspartei, aber auch in den Unionsparteien.

    "Wir wollen, dass die stärkste Wählergruppe bei den nächsten Bundestagswahlen kleiner wird: die Partei der Nichtwähler mit 18 Millionen Wahlberechtigten muss schrumpfen. Deshalb werden wir in den nächsten Wochen und Monaten für unsere Themen und für eine höhere Wahlbeteiligung mobilisieren."

    Die IG Metall spricht keine offizielle Wahlempfehlung aus. Und doch scheint klar, dass ihr Herz eher für rot-grün als für schwarz-gelb schlägt. Das zeigt ein Blick auf die Forderungen der IG Metall, etwa die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns.

    Ein solches politisches Engagement ist den Lokführern fremd. Mobilisiert werden Mitglieder nur, wenn es um Streik geht. Das Thema "Mindestlohn" etwa hält GDL-Chef Weselsky für überbewertet:

    "Ich habe zum Thema Mindestlohn eine eigene Meinung: ist sicher in gewerkschaftlichen Bereichen notwendig, wo wir überhaupt keine Stärke sehen, wo wir keinen Organisationsgrad haben. Wo Arbeitnehmer sich nicht selbst über die Tarifautonomie auf ein gutes Einkommensniveau bewegen können. Für Lokomotivführer nehme ich den Begriff nicht in den Mund, wir sind gut aufgestellt, wir sind gut organisiert."

    Und wie kampfbereit sind die Gewerkschaften im Wahljahr 2013? Bei der IG Metall ist man bereit, die Konjunktur im Blick zu behalten. Und vielleicht etwas zahmer zu werden.

    "Die Wirtschaft sieht nicht ganz so gut aus, wie sie 2012 ausgesehen hat."

    Für die Gewerkschaft der Lokomotivführer scheint die Wahl im September ein Randereignis zu sein. Der Tarifvertrag bei der Deutschen Bahn läuft noch bis Mitte 2014:

    "Wir sehen an einzelnen Stellen noch Ergänzungs- und Nachholbedarf, aber wir sind zufrieden, was die Entwicklung des Marktes betrifft und die Angleichung der Einkommen auf einem hohen Niveau."

    Politisches Engagement im Wahljahr, das hat bei der großen IG Metall Tradition. Die Lokführer, so scheint es, üben sich hingegen in Klein-Klein. Eines ihrer wichtigsten Themen in diesem Jahr: die Usedomer Bäderbahn.