Uli Blumenthal: Sie sind winzig klein, mit bloßem Auge kaum sichtbar und trotzdem auf fast allen Ausdrucken von Farblaserdruckern vorhanden: winzige gelbe Punkte, die wie ein Fingerabdruck Informationen über die Seriennummer des Druckers, den Druckertyp oder das Druckdatum mit Uhrzeit preisgeben und so letztlich auch über die ausdruckende Person. Informatiker der TU Dresden haben die Punkte nicht nur genauer analysiert. Sondern auch Wege gefunden, wie man Ausdrucke anonymisieren kann. Ich bin jetzt telefonisch mit dem wissenschaftlichen Mitarbeiter Stephan Escher verbunden vom Lehrstuhl für Datenschutz und Datensicherheit. Herr Escher, warum denn Ausdrucke von Farbkopierern überhaupt mit Punkten gekennzeichnet?
Stephan Escher: Leider kann ich Ihnen auf diese Frage gar keine konkrete Antwort geben. Wir wüssten es allerdings auch gern. Deshalb haben wir auch am Anfang unserer Analysen verschiedene Druckerhersteller angeschrieben und wollten wissen, was in diesen Dots genau kodiert ist und was die Beweggründe dafür sind. Leider hat uns insgesamt nur ein Hersteller geantwortet mit dem Hinweis, dass sie nicht in der Position wären, Auskünfte über das sogenannte – also die haben das Document-Color-Tracking-Dot-Verfahren genannt – uns Auskünfte darüber zu geben und haben uns an die CBCDG, die Central Bank Counterfeit Deterrence Group weiterverwiesen, also eine Bankenallianz, die sich mit Geldfälschung auseinandersetzt.
Blumenthal: Was hat die Ihnen gesagt, warum es diese Yellow Dots, wie sie es nennen, also diese gelben Punkte auf diesen Ausdrucken geben muss?
Escher: Erst mal macht es auch Sinn, weil ein häufig erwähnter Grund, den man öfter mal liest, ist eben die Aufklärung von Geldfälschungen. Allerdings haben wir die auch kontaktiert, und die konnten uns auch nicht weiterhelfen, weil sie meinten, dass die Tracking Dots kein Produkt der CBCDG wären. Das heißt, das Verfahren ist relativ intransparent, und es ist auch unklar, wer wirklich dafür verantwortlich ist und wer die Möglichkeiten des Zugriffs besitzt.
Blumenthal: Machen alle Hersteller von Farblaserdruckern dies? Haben alle Hersteller ein Verfahren, wo sie gelbe oder welche Farbe auch immer betreffend, auf diesen Ausdrucken dann abbilden?
Escher: Ja, es sind so gut wie alle Farblaserdrucker betroffen. In unserem Datenset waren vereinzelt auch Drucker, die nicht betroffen waren beziehungsweise wo wir eben keine Tracking Dots gefunden haben. Ich würde mich jetzt aber nicht hinreißen lassen und bestimmte Hersteller ausschließen.
"Winzige Punkte aus gelber Tinte"
Blumenthal: Und wie sieht nun so ein Muster auf einem Ausdruck aus? Wie groß sind diese Punkte, und wie verteilt sich das Ganze dann auf so einem Blatt Papier?
Escher: Diese Tracking Dots, das sind kleine, winzige Punkte, bestehend aus gelber Tinte, die systematisch in einem bestimmten Muster angeordnet sind. Durch die geringe Größe von ungefähr 0,025 Millimeter, das variiert immer je nach Hersteller und Muster, und dem geringen Kontrast von dem gelben Toner auf weißem Papier sind die Punkte eben mit bloßem Auge nur sehr schwer oder gar nicht erkennbar. Und das Muster wird dann kontinuierlich über die gesamte Druckseite wiederholt. Der Grund dafür ist auch Redundanz. Das heißt, dass bedruckte Stellen oder Druckartefakte diese Muster zerstören könnten, eben nicht mehr von so hoher Bedeutung sind, da durch die Wiederholung von dem Muster mit hoher Wahrscheinlichkeit eines vollständig geblieben ist. Und wenn so ein Farblaserdrucker solche Tracking Dots implementiert hat, dann wird das auch auf jedem Farbdruck, auf jeder Druckseite eingefügt.
"Seit knapp 15 Jahren bekannt"
Blumenthal: Anfang des Jahrtausends wurde beim Big Brother Award der Datensünder in Wirtschaft und Politik prämiert, Canon Deutschland ausgezeichnet, und zwar für das Einbetten einer unsichtbaren weltweit einmaligen Gerätekennung in sämtliche Farbkopien. Also das Problem, oder nennen wir es Thema, zu dem Sie jetzt arbeiten und publiziert haben, ist gar nicht so neu. Warum taucht das sozusagen jetzt erst wieder auf, und warum war es so lange still um so ein Thema?
Escher: Warum genau es still war, kann ich nicht wirklich beantworten. Ja, die Tracking Dots sind im Prinzip nichts Neues. Das war schon vor – also auch selbst dieses Verfahren, das wir jetzt analysiert haben, ist auch nichts Neues, das ist auch schon seit knapp 15 Jahren bekannt und hatte dort auch relativ hohe mediale Aufmerksamkeit bekommen. Damals hat die EFF, also die Electronic Frontier Foundation, und das DFKI, das deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, solche Muster schon entdeckt, analysiert und auch eins dekodiert, und daraufhin gab es sogar eine Anfrage im EU-Parlament, das war 2007, wo auch festgestellt worden ist, dass dieses Verfahren ja quasi eine Einschränkung der Privatsphäre bedeuten könnte. Und das ist dann, wie Sie schon sagten, quasi im Sand verlaufen. Warum das so ist, kann ich Ihnen nicht beantworten.
"Yellow-Dot-Muster werden überdruckt"
Blumenthal: Sie haben nun gemeinsam mit ihren Kollegen an der TU Dresden Möglichkeiten und Wege entwickelt oder gefunden, wie man Ausdrucke anonymisieren kann. Wie sieht das dann konkret aus? Wie gehe ich vor als Anwender, der einen Farblaserdrucker zu Hause hat?
Escher: Das entwickelte Verfahren ermöglicht quasi die digitale Extraktion von so einem integrierten Tracking-Dot-Muster von einem Ausdruck. Das heißt, das Raster oder das Muster aus gelben Punkten liegt uns dann als digitale Matrix vor. Damit können wir zum einen für die Muster, die wir kennen und dekodieren können, die gespeicherten Informationen auslesen und anzeigen. Zum anderen können wir das Muster mit zusätzlichen Punkten füllen, um die Informationen, die darin gespeichert sind, zu verschleiern. Das heißt, wir erstellen eine Maske aus verschleierten Yellow-Dot-Mustern, die dann digital über ein zu druckendes Dokument gelegt wird, und beim Druck dieses Dokuments werden dann die originalen Yellow-Dot-Muster überdruckt, inklusive der zusätzlichen Punkte. Damit sind die originalen Informationen des Musters nicht mehr auszulesen. Als Vorschritt ist dafür ein Kalibrierungsvorgang notwendig, da wir eben genau wissen müssen, an welchen Stellen die Tracking-Muster platziert werden, um eben die Punkte exakt überdrucken zu können. Man muss vielleicht noch dazu sagen, dass das Tool derzeit noch prototypisch als Konsolenanwendung entwickelt ist. Wir sind aber gerade dabei, eine grafische Oberfläche zu entwickeln und werden vermutlich auch demnächst einen Webservice dazu anbieten.
"Die Maske muss einmal erstellt werden"
Blumenthal: Und muss ich diese Schritte immer wieder bei jedem Ausdruck neu gehen, oder reicht es, wenn ich dieses Verfahren einmal für meinen Farblaserdrucker anwende, und dann funktioniert es für die nächsten Monate oder Jahre?
Escher: Die Maske muss einmal erstellt werden, dass sie genau auf dieses Muster passt. Und dann kann ich das immer wieder für denselben Drucker verwenden. In unserem Datenset ist es jetzt auch so vorgekommen, dass die Muster dann immer wieder stabil an derselben Stelle angefangen haben. Wenn ein Druckerhersteller – oder wenn ein Verfahren entwickelt wird, was sich immer variiert, immer an einer anderen Stelle anfängt, dann wird das schwieriger. Dann müsste ich das für jedes Dokument wiederholen.
Blumenthal: Aber diese Matrix, diese Yellow Dots, die sind druckerspezifisch. Ich habe quasi einen Fingerabdruck für meinen Drucker, und den werde ich dann mit dem Tool, das Sie im Internet ja auch zur Verfügung stellen, werde ich den verfälschen und kann dann ausdrucken, ohne dass das Papier dann weiterverfolgt werden kann, zu welchem Drucker es gehört oder wann ich es gedruckt habe oder welche Seriennummer des Druckers damit zusammenhängt.
Escher: Genau. Mit dem Verfahren ist die Anonymisierung von so einem Ausdruck möglich, also zumindest die Anonymisierung in Bezug auf die Yellow Dots.
"Bis zum Elektrofachmarkt zurückverfolgen"
Blumenthal: Das heißt aber andererseits, dass irgendwo jemand auch wissen muss, dass ich diesen Laserdrucker, diesen Farblaserdrucker gekauft habe, also es muss jemand meinen Namen, meine Adresse und den Farblaserdrucker, die Seriennummer zuordnen können. Was ist da die Voraussetzung?
Escher: Wenn ich so einen Ausdruck verfolgen oder tracken möchte, dann kommt es natürlich auf die Möglichkeiten der Organisation oder der Person an, die das machen möchte. Als Privatperson ist es natürlich schwieriger. Ich kann irgendwie die Urheber einschränken und weiß, welche Drucker die zu Hause stehen haben. Mit mehr Möglichkeiten kann man Informationen wie beispielsweise die Seriennummer ziemlich einfach bis zum Elektrofachmarkt zurückverfolgen. Und wenn ich den Drucker dort dann beispielsweise mit digitalen Bezahlmöglichkeiten gekauft habe, kommt man vermutlich auch relativ schnell zu mir nach Hause.
Blumenthal: Abmoderation
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