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Gebäudeenergiegesetz
Abkehr von der Gebäudedämmung sorgt in der Baubranche für Unmut

Die Bauminister der Länder wollen die Gebäudedämmung als Einzelmaßnahme aufgeben. Es brauche eine Erweiterung des Instrumentariums, um die Wärmewende zu schaffen. Teile der Baubranche reagieren empört. Das Gebäudeenergiegesetz erlaube längt auch andere Lösungen.

Von Daniela Siebert | 24.11.2021
Gebäudedämmung, Fassadendämmung, Dämmung, Gebäudeenergiegesetz
Fassadendämmung wurde lange als Einzelmaßnahme besonders gefördert - das soll sich ändern (imago / Jochen Tack)
Es ist nur ein ganz kurzer Satz in den Beschlüssen der Bauministerkonferenz, der ein riesiges Kritikerbündnis auf den Plan gerufen hat, von Energieberatern bis zur Mineralwolleindustrie. Der Satz zur Wärmewende im Gebäudebestand lautet:
„Die Bauministerkonferenz spricht sich dafür aus, die einseitige Ausrichtung an der Gebäudedämmung aufzugeben.“ Punkt.

Ausgerichtet hatte die Konferenz das Thüringer Ministerium für Infrastruktur und Landwirtschaft. Dessen Sprecher David Kehrberg erklärt den Hintergrund dieses Beschlusses.


„Die derzeitige Form des Gebäudeenergiegesetzes – des GEG – sieht vor, bei einer Sanierung von Gebäuden, sobald ein gewisser Prozentsatz der Sanierung überschritten wird, also z.B. mehr als zehn Prozent der Fassadenfläche erneuert werden müssen, muss das hinterher GEG-konform sein. Und das heißt, dass in der Regel gedämmt werden soll. Wenn das nicht passiert, kann der Gesetzgeber dann ein Bußgeld in Höhe von 50.000 Euro erheben.“

Aufregung in der Baubranche

Vielerorts ist man durch die Abkehr von dieser Regel empört. Beim Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle BuVEG, bei zwei Organisationen der Energieberater DEN und GIH, beim Fachverband Mineralwolleindustrie, bei der Fachvereinigung Extruderschaum fpx sowie beim Hartschaum-Industrieverband und dem Polyurethan-Hartschaum-Industrieverband. Jan Peter Hinrichs vom BuVEG formuliert die kollektive Aufregung so:
„Weil das eigentlich total sinnbefreit ist und realitätsfern. Wir sind auch nicht in irgendeiner Weise gegen erneuerbare Energien oder sowas. Darum geht es uns gar nicht. Aber wichtig ist tatsächlich, dass wir, um Klimaschutzziele zu erreichen, nicht nur den Ausbau von Erneuerbaren brauchen, den brauchen wir ganz dringend, sondern wir brauchen eben auch eine Verbrauchsreduktion und die schaffen wir eben nur mit der Gebäudehülle.“

Fassadendämmung als eine von mehreren Maßnahmen

Die SPD-Politikerin Dorothee Stapelfeldt war an dem Beschluss der Bauministerkonferenz beteiligt. Sie ist Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen in Hamburg.
„Wenn wir heute über Gebäudedämmung reden, und Energieeffizienzstandard, dann betrifft das ja die Fassadendämmung alleine. Das ist aber nicht der einzige Weg, um Klimaneutralität 2045 zu erreichen, sondern wir sagen, dass wir zur Umsetzung dieser Klimaschutzziele, die sozialverträglich, wirtschaftlich und technologieoffen sein muss, eine Kombination brauchen aus im Einzelfall optimalen und effizienten Kombinationen von Dämmmaßnahmen, von Maßnahmen zur Nutzung erneuerbarer Energien und Quartierslösungen.“
Deutsche Umwelthilfe: Gebäudenergiegesetz greift zu kurz (18.06.2020)
Ein bundesweit einheitliches Gebäudeenergiegesetz soll den Klimaschutz in Deutschland voranbringen. „Dieses Gesetz muss zurückgezogen und nachgebessert werden“, sagte Barbara Metz von der Deutschen Umwelthilfe im Dlf.
Die passenden Lösungen würden dann also nicht mehr nur für ein einzelnes Haus gewählt, sondern für ganze Gebiete. Der Beschluss sei einstimmig gewesen, berichtet sie. David Kehrberg vom zuständigen Ministerium in Thüringen betont, es sei ja nicht um die Abschaffung der Gebäudedämmung gegangen, sondern um die Erweiterung des Instrumentariums über die Dämmung hinaus. Zum Beispiel: „Photovoltaik, Solarthermie, vielleicht auch kleine Windkraftanlagen, der effiziente Einsatz von Abwärme.“

Gebäudeenergiegesetz enthalte bereits Innovationsklauseln

Jan Peter Hinrichs hält den Beschluss der Bauministerkonferenz nicht nur für realitätsfern, sondern auch für widersprüchlich. Die Gesetzeslage erlaube andere Lösungen längst und es gebe auch keine einseitige Ausrichtung auf die Gebäudedämmung.

„Diese Maßnahmen stehen schon lange im Gesetz drin. Es gibt da Innovationsklauseln, die bei der letzten Überarbeitung des GEGs eingeführt wurden, es gibt Quartierskonzepte, das finden Sie da auch alles. Alles schon da!“

Dreiklang empfohlen: Dämmung, erneuerbare Energien, treibhausneutrale Brennstoffe

Das Lobbybündnis rund um die Fassadendämmung hat noch andere Argumente am Start. Es beruft sich auf etliche Studien rund um den Klimaschutz, die die Energieeffizienz betonten, beispielsweise von der Deutschen Energieagentur dena. Auf Anfrage des Deutschlandfunk skizziert diese ihre aktuelle Position zur Gebäudedämmung so: Die Wärmewende sei ohne Effizienzwende nicht erreichbar und dazu müsse die energetische Beschaffenheit bestehender Gebäude durch Dämmung und bessere Fenster erheblich verbessert werden. Sie empfiehlt einen Dreiklang aus gut gedämmten Gebäudehüllen, Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien und treibhausgasneutralen Brennstoffen.

Sache der neuen Regierung: Neuformulierung des Gebäudeenergiegesetzes

Auch auf eine Studie von Agora Energiewende berufen sich Hinrichs und seine Mitstreiter. Alexandra Langenheld von Agora Energiewende findet in der Tat, das Gebäudeenergiegesetz müsse ambitionierter formuliert werden und resümiert:
„Je besser die Dämmung der Gebäude ist, desto effizienter können wir die erneuerbaren Energien dann auch nutzen. Weitere wichtige Pfeiler: Wärmepumpen in die Ein- und Mehrfamilienhäuser zu bringen und in den Ballungsgebieten die grüne Nah- und Fernwärme auszubauen.“ Schweden habe so schon eine sehr gute CO2-Reduktion beim Heizen der Häuser erreicht so Langenheld.
Eine Neuformulierung des Gebäudeenergiegesetzes müsste aber eine neue Bundesregierung in Angriff nehmen. Ganz schnell wird es also schon mal keine Neufokussierung geben.