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"FAZ"-Redakteur: Man möchte Westerwelle zermürben

Der Journalist Majid Sattar meint, dass Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) nach der FDP-Herbstklausur in Bergisch Gladbach "nicht wirklich aufatmen kann". Nach der Landtagswahl in Berlin werde man in der Parteizentrale dafür sorgen, "dass Westerwelle gehen muss".

Majid Sattar im Gespräch mit Christian Bremkamp |
    Gerwald Herter: Wegen seiner umstrittenen Äußerungen, seiner zumindest Anfangs sehr eigenen Sicht auf die Vorgänge in Libyen, ist Außenminister Guido Westerwelle unter erheblichen Druck geraten. Anders als von einer Zeitung zunächst berichtet, hat er die Vertrauensfrage bei der Herbstklausur der FDP in Bergisch Gladbach Nahe Köln nicht gestellt. Allerdings bedurfte es eines Machtworts des FDP-Vorsitzenden Rösler, um die Personaldebatte zu beenden. Aber kann Westerwelle nun tatsächlich aufatmen? – Mein Kollege Christian Bremkamp hat Majid Sattar diese Frage gestellt. Sattar ist Redakteur der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und er hat eine Westerwelle-Biografie geschrieben.

    Majid Sattar: Ich glaube nicht, dass er wirklich aufatmen kann. Wenn man genau hinhört, was so an Nachrichten aus Bergisch Gladbach herausdringt, dann hört man auch, dass Rösler Westerwelle davon abhalten musste, eine Vertrauensfrage zu stellen. Westerwelle wollte das offenbar. Und der Umstand, dass Rösler beziehungsweise das berühmte Umfeld Röslers die nächtlichen Telefonate öffentlich gemacht hat, mit denen er Westerwelle davon abgehalten hat, dies zu tun, zeigen doch, dass die Parteizentrale widersprüchliche Signale sendet, und das deutet ganz offenbar darauf hin, dass man Westerwelle zermürben möchte, und vielleicht darauf hofft, dass er irgendwann von sich aus hinschmeißt.

    Christian Bremkamp: Das Führungsteam der FDP bestehe aus den Spitzen von Partei und Fraktion sowie den aktuellen Ministern, und das werde auch in Zukunft so bleiben, sagte Philipp Rösler. Wie weit hat der Parteichef denn da in die Zukunft geblickt?

    Sattar: Also ich glaube, dass der Zeithorizont des Parteivorsitzenden die Berlin-Wahl ist, also die zweite der beiden Landtagswahlen im September. Vorher kann er sich es eigentlich nicht leisten, einen Kabinettswechsel die Bundeskanzlerin vollziehen zu lassen und weitere neue Unruhe in die Partei hineinzutragen, zumal er sich dem Vorwurf aussetzen würde, er suche einen Sündenbock für die sich nun abzeichnenden Wahlen. Ich glaube, dass nach der Berlin-Wahl der Druck auf den Außenminister erneut zunehmen wird und man dann dafür sorgen wird, dass Westerwelle gehen muss.

    Bremkamp: Hat man denn überhaupt Ersatz?

    Sattar: Na ja, das ist eines der Probleme im Frühjahr gewesen, als Westerwelle den Parteivorsitz abgeben musste. Damals hat man ja darauf verzichtet, ihm auch den Kabinettsposten abzunehmen, auch, weil die Personaldecke in der Außenpolitik in der FDP dünn ist. Als Namen, die da kursieren, sind unter anderem Werner Hoyer und Dirk Niebel im Gespräch. Ich selbst glaube, dass Werner Hoyer die besseren Karten hat, wiewohl er kein großer Charismatiker ist, aber er ist sozusagen ein grundsolider Außenpolitiker. Wenngleich man nicht darauf hoffen kann, dass es mit Werner Hoyer gleich wieder aufwärts geht für die FDP, kann man sich doch zumindest eine gewisse Stabilisierung erhoffen.

    Bremkamp: Nun hat sich ja zumindest öffentlich auch die Kanzlerin hinter Guido Westerwelle gestellt. War das ehrlich?

    Sattar: Na ja, also die Kanzlerin hat ihren Regierungssprecher den pflichtschuldigen Satz sagen lassen, die Bundeskanzlerin arbeitet vertrauensvoll mit dem Außenminister zusammen. Was soll er auch sonst sagen? – Ich glaube, wenn man wirklich wissen will, was die Kanzlerin über Guido Westerwelle in diesen Tagen denkt, sollte man darauf hören, was der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder dieser Tage gesagt hat, nämlich, "Deutschland steht bei der Siegerehrung in Libyen nicht in der ersten Reihe". Das war eine klare Breitseite gegen den Außenminister.

    Bremkamp: Wie konnte eben dieser Schnitzer dem Außenminister Guido Westerwelle eigentlich passieren, den Fall Gaddafis mit Sanktionen zu begründen?

    Sattar: Er hat sich ja damals im Frühjahr die Entscheidung, sich zu enthalten im UN-Sicherheitsrat, zu seiner sehr persönlichen zentralen Angelegenheit gemacht, und er wusste, dass man ihn daran am Ende messen würde. Ich will nicht sagen, dass er auf ein anderes Ergebnis in Libyen gehofft hat, das wäre zynisch. Allerdings hat er immer wieder darauf verwiesen in den Monaten der Kämpfe in Libyen, in denen sich durchaus Schwierigkeiten der NATO zeigten, dass er immer auf diese Schwierigkeiten hingewiesen habe. Er wollte jetzt am Ende Recht behalten, auf trotzige Art und Weise, auf rechthaberische Art und Weise, er wollte sagen, dass seine Sanktionspolitik mindestens ebenso sehr zu dem Ziel geführt hat wie die NATO-Militäraktion.

    Bremkamp: Diese Mischung aus Wunsch nach Bestätigung und gleichzeitigem mit dem Kopf durch die Wand, ist es das, was Guido Westerwelle letztlich in diese Lage gebracht hat?

    Sattar: Ja ich finde, das trifft es sehr gut. Beides prägt ihn. Er ist jemand, der immer – und man muss leider sagen immer vergeblich – darauf gehofft hat, öffentliche Anerkennung zu erfahren. Und wenn es ihm nicht gelungen ist, wenn er parteiintern oder in öffentlichen Debatten in Bedrängnis geriet und unter Druck gesetzt wurde, hat er eben diese andere Seite offenbart, Uneinsichtigkeit gezeigt und sich geradezu trotzig benommen. Ich glaube, diese beiden Eigenschaften prägen seinen Charakter.

    Bremkamp: Stichwort Rücktrittsforderungen. Wie kämpferisch ist denn Guido Westerwelle noch?

    Sattar: Er hat in den letzten Tagen ja gezeigt, dass er zu kämpfen bereit ist. Allerdings wenn man jetzt mal Vergleiche zieht zu der Situation im Frühjahr, als er um den Parteivorsitz kämpfte, da war es auch so. Damals befand ich mich mit ihm gerade auf Reisen in China und Japan, als hier die innenpolitische Debatte losging. Da schien es auch so, als wolle er kämpfen, aber irgendwann musste er doch dann die Realitäten anerkennen, und kurz nach seiner Rückkehr nach Deutschland kam es ja auch dann zu einem Gespräch in der engeren Parteiführung, das dazu führte, dass er den Parteivorsitz aufgab.

    Herter: Majid Sattar im Gespräch mit meinem Kollegen Christian Bremkamp über den deutschen Außenminister Guido Westerwelle.


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