Jürgen Liminski: Das politische Berlin erwartet den Kandidaten, aus unserem Hauptstadtstudio berichtete Michael Groth und mitgehört hat der langjährige Amerikakenner und Ehrenvorsitzende der FDP, Otto Graf Lambsdorff. Guten Morgen!
Otto Graf Lambsdorff: Guten Morgen, Herr Liminski!
Liminski Herr Lambsdorff, Sie haben sich in diesem Sender vor einem halben Jahr zu der Aussage hinreißen lassen, am liebsten wäre Ihnen ein Ticket McCain und Obama, also Präsident McCain und Vize Obama, auch wenn das natürlich nicht möglich ist, weil sie gegeneinander antreten. Sehen Sie das immer noch so, oder hat sich die Wunschliste gedreht?
Graf Lambsdorff: Nein, das bleibt immer noch eine theoretische Wunschliste, aber natürlich geht das nicht. Ich glaube nach wie vor, dass die große Erfahrung, über die McCain verfügt, in diesem Falle und für diese Position entscheidend ist, aber Sie müssen immer denken, der Vizepräsident ist nur einen Herzschlag vom Präsidenten entfernt. Auch daran muss man denken und sich den Kopf darüber zerbrechen, ob denn ein Vizepräsident als künftiger Präsident in Frage kommen könnte, und da bin ich in der Tat der Meinung: Das kann sehr wohl so sein.
Liminski Sie sind also nicht von der Obamania erfasst. Wie bewerten Sie ihn denn politisch? Obama ist in seinen Äußerungen bisher relativ unbestimmt gewesen.
Graf Lambsdorff: Ja, deswegen ist die politische Bewertung auch nach wie vor schwierig. Ich finde es erfreulich, dass wir ihn hier empfangen, ich finde es erfreulich, dass so viele Leute da interessiert sind. Der Anti-Amerikanismus, der uns häufig nachgesagt wird, der zeigt sich manchmal überhaupt nicht mehr, da geht das alles mit großem Interesse für Amerika. Und dieser Kandidat hat sich natürlich durch den Vorwahlkampf mit der Hillary Clinton in einer Weise auch in Deutschland publik, bekannt gemacht und für sich viel Aufsehen erregt, so dass wir mit großem Interesse seine Rede erwarten, die ja einen Teilbereich abdecken soll, von dem man bisher wenig weiß, und das ist das Thema Ihrer Frage. Was wissen wir über die außenpolitischen Vorstellungen von Barack Obama? So gut wie nichts. Ich habe sein Buch hier liegen, "Audacity of Hope", da steht nicht viel darüber drin, und er hat auch wenig dazu gesagt. Vielleicht nutzt er die heutige Gelegenheit. Im Übrigen zeigt sich, wie das immer ist in Amerika wie auch in Deutschland: Wahlen werden in der Mitte gewonnen und nicht rechts oder links. Und Obama bewegt sich, seitdem er die Auseinandersetzung mit Hillary Clinton siegreich überstanden hat, eindeutig auf die politische Mitte zu. Das lässt sich an verschiedenen Positionen, die übrigens hier gar nicht so sehr sympathisch wären - Todesstrafe, Waffenbesitz - Obama bewegt sich auf die politische Mitte zu, sonst kann er auch keine Wahlen gewinnen.
Liminski Sie erwarten also heute Abend keine substanziellen Aussagen zur Außenpolitik oder sonstige programmatische Aussagen?
Graf Lambsdorff: Ich weiß nicht, weiß ich nicht. Ich erwarte zum Beispiel, wünschte mir eine deutliche Klärung des Standpunktes von Barack Obama zum Thema Freihandel und Außenhandel. Was er da Protektionistisches gesagt hat immer wieder in der Auseinandersetzung mit Hillary Clinton, das kann uns in Deutschland nur beunruhigen. Wir leben von einer Welt, in der es Freihandel gibt und in der der internationale Warenaustausch gefördert wird und es war immer so, dass die Amerikaner diese Position unterstützt haben. Man kann nur hoffen und erwarten und auch darum bitten, ruhig auch etwas fordern, dass ein künftiger amerikanischer Präsident sich klar und deutlich zu diesen Positionen äußert.
Liminski Wir haben vorhin in einem anderen Interview die berühmten historischen Sätze Kennedys und Reagans gehört. Würden Sie sagen, um sich daran zu messen, ist Obama ein paar Nummern zu klein?
Graf Lambsdorff: Das kann ich nicht sagen. Zu klein oder zu groß, das ist eine Bewertung, die will ich nicht vornehmen. Aber er ist noch längst nicht so weit. Kennedy war ein Star am Politikhimmel, er faszinierte die Menschen, Ronald Reagan, das wissen wir, hat seine große Rede vor der Berliner Mauer gehalten und auch Bill Clinton hat einen bedeutenden Auftritt in Berlin zelebriert, alles allerdings nicht im Wahlkampf, sondern alles schon als erfolgreiche Politiker und als gewählte Präsidenten der USA. Was wir jetzt erleben, ist ein erstmaliges Ereignis. Ich habe überhaupt nichts dagegen, ich finde diesen Auftritt an der Siegessäule und das großes Interesse, das ihm entgegengebracht wird, positiv. Das ist gut, und es gibt ihm die Gelegenheit zu sagen, dass wir ein bisschen mehr von ihm hören und ein bisschen was von ihm erfahren können. Was ist das für ein Mann, woran denkt er, in welche Richtung will er marschieren, was erwartet er und was will er den Deutschen zumuten? Darüber wird ja jetzt bei uns spekuliert und das ist ganz ohne Frage berechtigt, diese Spekulation. Wir werden von Obama - wie auch von McCain - Forderungen bekommen, uns stärker zu engagieren in Afghanistan. Wer weiß, ob Obama, wie er es angedeutet hat, eine Kriegsfront nach Pakistan eröffnen will. Sollen wir dann auch mitmachen? Da sind viele Fragen, die noch ungeklärt sind, und da wird man heute Abend mit Interesse lauschen, was Herr Obama an der Siegessäule verkündet.
Liminski Das heißt, Sie glauben, im deutsch-amerikanischen Verhältnis würde sich unter McCain oder unter Obama nichts Wesentliches unterscheiden?
Graf Lambsdorff: Nein, genau so ist das richtig. Es wird sich unterscheiden gegenüber dem bisherigen Zustand, man wird mehr von uns erwarten und mehr von uns fordern und das wird unbequem werden, das heißt übrigens nicht nur Truppen, das heißt auch Geld, dass wir noch mehr bezahlen müssen. Man höre sich mal an, was Zbigniew Brzezinski, der frühere Sicherheitsberater von Carter und jetzt Obama-Berater, zu diesen Fragen sagt und das ist ein alter Kenner der außenpolitischen Verhältnisse, ein alter Kenner der Bundesrepublik und für viele von uns auch ein alter Freund. Ich kenne ihn seit 35 Jahren. Das sind alles Ratschläge, das sind alles Stimmen, die wir beachten müssen und die eine Rolle spielen werden, und wir dürfen uns nicht einbilden, dass da ein Messias aufsteht, der durch seine begeisternde Redefähigkeit - ohne Frage ist er rhetorisch McCain weit überlegen - schon Politik verändert und verändern kann. Das wird abzuwarten sein.
Liminski Der Auftritt heute Abend lässt die Kurzformel zu: Innenpolitik vor außenpolitischer Kulisse. Werden das deutsche Publikum und seine Begeisterungsfähigkeit hier instrumentalisiert?
Graf Lambsdorff: Ein bisschen schon, aber ich habe ja nichts dagegen. Wenn das deutsche Publikum das annimmt und das akzeptiert und dorthin geht, dann ist das in Ordnung, nur das deutsche Publikum muss wissen: Barack Obama hält keine Rede an das deutsche Publikum, er hält eine Rede im amerikanischen Wahlkampf. Das ist eine Rede an Amerikaner. Und das müssen wir einfach in Rechnung stellen und dürfen nicht zuviel erwarten, was unsere Interessen anbelangt. Der macht amerikanischen Wahlkampf in Deutschland und wenn ihm die Gelegenheit dazu geboten wird, warum denn nicht? Er nutzt die Gelegenheit, wollen wir mal sehen, wie er es tut.
Liminski In der Mediendemokratie geht es um Bilder. Glauben Sie, dass die Kulisse an der Siegessäule viel Eindruck machen wird in Amerika?
Graf Lambsdorff: Da bin ich nicht ganz sicher. Wenn ich mir die Medienkulisse vorstelle, dann machen Fernsehaufnahmen von der Siegessäule, bei denen das Brandenburger Tor im Hintergrund dennoch erscheint, die machen schon Eindruck, aber in Amerika gibt es durchaus kritische Stimmen gegenüber Barack Obama, gegenüber seiner ursprünglichen Absicht, am Brandenburger Tor zu sprechen. Da gibt es Bill Schneider, einen bedeutender amerikanischer Analyst und Kommentator, der gesagt hat: Hält der sich eigentlich schon für Ronald Reagan? Hält der sich schon für George Bushs Vater? Das hat alles noch eine Weile Zeit. Also - auch da wird das nicht unkritisch gesehen und wie viele Amerikaner eigentlich wissen mögen, wie die Siegessäule entstanden ist und dass dort Kanonen aufgestellt sind, in der Siegessäule eingearbeitet sind, die aus dem Kriege 1870/1871 zwischen Deutschland und Frankreich stammen, na, das will ich mal dahingestellt sein lassen. Wahrscheinlich wissen sie es nicht, brauchen sie auch nicht.
Liminski Von einiger Bedeutung für die Wahl, um nicht zu sagen - sicher mehr Bedeutung als der Auftritt heute Abend - wird sein, wen die Kandidaten als Vize auf ihr Ticket nehmen. McCain will seinen Vize heute ernennen, um Obama die Schau zu stehlen ganz sicher. Ist das für die Amerikaner wichtiger als der Auftritt in Berlin?
Graf Lambsdorff: Ja, das ist mindestens ... Ja, das ist wichtiger, denn das wird den ganzen Wahlkampf natürlich begleiten. Der Wahlkampf hat ja gerade erst angefangen. Die Kandidaten sind noch nicht mal formell bestätigt von den Conventions, also von den Parteiversammlungen sowohl der Republikaner wie der Demokraten. Das ist alles erst im August der Fall, und dann geht der Wahlkampf richtig los und dann wird eine ganze Zeit sein, in der ein Vizepräsidentschaftsbewerber, auf der Seite Obama als auch auf der Seite McCain, unentwegt auch im Fernsehen auftauchen wird und die amerikanische Szene mit beeinflussen wird. Das ist am Ende gesehen wichtiger als eine Rede in Berlin.
Liminski Wir hatten eingangs eine Wunschliste, jetzt zu den harten Prognosen, Herr Lambsdorff. Was meinen Sie: Sehen wir heute Abend einen Kandidaten oder einen künftigen Präsidenten?
Graf Lambsdorff: Auf diese Frage werde ich nicht mal zwei, drei Tage vor der Wahl antworten, weil ich, Herr Liminski, mir nicht im Klaren bin, in welchem Umfang die Schweigespirale eine Rolle spielt, wenn die Amerikaner gefragt werden, einen afroamerikanischen zukünftigen Präsidenten zu wählen. Zwei Dinge sind richtig: Das ist zum ersten Mal, dass so etwas möglich ist und eine große Leistung der amerikanischen Demokratie. Zum Zweiten: Wir haben zwei wirklich präsentable, zwei vorzeigbare, zwei wählbare Kandidaten für das Amt des Präsidenten. Die Amerikaner können sich glücklich schätzen, dass sie eine solche Auswahl haben.
Liminski Zwei starke Kandidaten, das war Otto Graf Lambsdorff zum Ereignis des Tages. Besten Dank für das Gespräch, Herr Lambsdorff!
Otto Graf Lambsdorff: Guten Morgen, Herr Liminski!
Liminski Herr Lambsdorff, Sie haben sich in diesem Sender vor einem halben Jahr zu der Aussage hinreißen lassen, am liebsten wäre Ihnen ein Ticket McCain und Obama, also Präsident McCain und Vize Obama, auch wenn das natürlich nicht möglich ist, weil sie gegeneinander antreten. Sehen Sie das immer noch so, oder hat sich die Wunschliste gedreht?
Graf Lambsdorff: Nein, das bleibt immer noch eine theoretische Wunschliste, aber natürlich geht das nicht. Ich glaube nach wie vor, dass die große Erfahrung, über die McCain verfügt, in diesem Falle und für diese Position entscheidend ist, aber Sie müssen immer denken, der Vizepräsident ist nur einen Herzschlag vom Präsidenten entfernt. Auch daran muss man denken und sich den Kopf darüber zerbrechen, ob denn ein Vizepräsident als künftiger Präsident in Frage kommen könnte, und da bin ich in der Tat der Meinung: Das kann sehr wohl so sein.
Liminski Sie sind also nicht von der Obamania erfasst. Wie bewerten Sie ihn denn politisch? Obama ist in seinen Äußerungen bisher relativ unbestimmt gewesen.
Graf Lambsdorff: Ja, deswegen ist die politische Bewertung auch nach wie vor schwierig. Ich finde es erfreulich, dass wir ihn hier empfangen, ich finde es erfreulich, dass so viele Leute da interessiert sind. Der Anti-Amerikanismus, der uns häufig nachgesagt wird, der zeigt sich manchmal überhaupt nicht mehr, da geht das alles mit großem Interesse für Amerika. Und dieser Kandidat hat sich natürlich durch den Vorwahlkampf mit der Hillary Clinton in einer Weise auch in Deutschland publik, bekannt gemacht und für sich viel Aufsehen erregt, so dass wir mit großem Interesse seine Rede erwarten, die ja einen Teilbereich abdecken soll, von dem man bisher wenig weiß, und das ist das Thema Ihrer Frage. Was wissen wir über die außenpolitischen Vorstellungen von Barack Obama? So gut wie nichts. Ich habe sein Buch hier liegen, "Audacity of Hope", da steht nicht viel darüber drin, und er hat auch wenig dazu gesagt. Vielleicht nutzt er die heutige Gelegenheit. Im Übrigen zeigt sich, wie das immer ist in Amerika wie auch in Deutschland: Wahlen werden in der Mitte gewonnen und nicht rechts oder links. Und Obama bewegt sich, seitdem er die Auseinandersetzung mit Hillary Clinton siegreich überstanden hat, eindeutig auf die politische Mitte zu. Das lässt sich an verschiedenen Positionen, die übrigens hier gar nicht so sehr sympathisch wären - Todesstrafe, Waffenbesitz - Obama bewegt sich auf die politische Mitte zu, sonst kann er auch keine Wahlen gewinnen.
Liminski Sie erwarten also heute Abend keine substanziellen Aussagen zur Außenpolitik oder sonstige programmatische Aussagen?
Graf Lambsdorff: Ich weiß nicht, weiß ich nicht. Ich erwarte zum Beispiel, wünschte mir eine deutliche Klärung des Standpunktes von Barack Obama zum Thema Freihandel und Außenhandel. Was er da Protektionistisches gesagt hat immer wieder in der Auseinandersetzung mit Hillary Clinton, das kann uns in Deutschland nur beunruhigen. Wir leben von einer Welt, in der es Freihandel gibt und in der der internationale Warenaustausch gefördert wird und es war immer so, dass die Amerikaner diese Position unterstützt haben. Man kann nur hoffen und erwarten und auch darum bitten, ruhig auch etwas fordern, dass ein künftiger amerikanischer Präsident sich klar und deutlich zu diesen Positionen äußert.
Liminski Wir haben vorhin in einem anderen Interview die berühmten historischen Sätze Kennedys und Reagans gehört. Würden Sie sagen, um sich daran zu messen, ist Obama ein paar Nummern zu klein?
Graf Lambsdorff: Das kann ich nicht sagen. Zu klein oder zu groß, das ist eine Bewertung, die will ich nicht vornehmen. Aber er ist noch längst nicht so weit. Kennedy war ein Star am Politikhimmel, er faszinierte die Menschen, Ronald Reagan, das wissen wir, hat seine große Rede vor der Berliner Mauer gehalten und auch Bill Clinton hat einen bedeutenden Auftritt in Berlin zelebriert, alles allerdings nicht im Wahlkampf, sondern alles schon als erfolgreiche Politiker und als gewählte Präsidenten der USA. Was wir jetzt erleben, ist ein erstmaliges Ereignis. Ich habe überhaupt nichts dagegen, ich finde diesen Auftritt an der Siegessäule und das großes Interesse, das ihm entgegengebracht wird, positiv. Das ist gut, und es gibt ihm die Gelegenheit zu sagen, dass wir ein bisschen mehr von ihm hören und ein bisschen was von ihm erfahren können. Was ist das für ein Mann, woran denkt er, in welche Richtung will er marschieren, was erwartet er und was will er den Deutschen zumuten? Darüber wird ja jetzt bei uns spekuliert und das ist ganz ohne Frage berechtigt, diese Spekulation. Wir werden von Obama - wie auch von McCain - Forderungen bekommen, uns stärker zu engagieren in Afghanistan. Wer weiß, ob Obama, wie er es angedeutet hat, eine Kriegsfront nach Pakistan eröffnen will. Sollen wir dann auch mitmachen? Da sind viele Fragen, die noch ungeklärt sind, und da wird man heute Abend mit Interesse lauschen, was Herr Obama an der Siegessäule verkündet.
Liminski Das heißt, Sie glauben, im deutsch-amerikanischen Verhältnis würde sich unter McCain oder unter Obama nichts Wesentliches unterscheiden?
Graf Lambsdorff: Nein, genau so ist das richtig. Es wird sich unterscheiden gegenüber dem bisherigen Zustand, man wird mehr von uns erwarten und mehr von uns fordern und das wird unbequem werden, das heißt übrigens nicht nur Truppen, das heißt auch Geld, dass wir noch mehr bezahlen müssen. Man höre sich mal an, was Zbigniew Brzezinski, der frühere Sicherheitsberater von Carter und jetzt Obama-Berater, zu diesen Fragen sagt und das ist ein alter Kenner der außenpolitischen Verhältnisse, ein alter Kenner der Bundesrepublik und für viele von uns auch ein alter Freund. Ich kenne ihn seit 35 Jahren. Das sind alles Ratschläge, das sind alles Stimmen, die wir beachten müssen und die eine Rolle spielen werden, und wir dürfen uns nicht einbilden, dass da ein Messias aufsteht, der durch seine begeisternde Redefähigkeit - ohne Frage ist er rhetorisch McCain weit überlegen - schon Politik verändert und verändern kann. Das wird abzuwarten sein.
Liminski Der Auftritt heute Abend lässt die Kurzformel zu: Innenpolitik vor außenpolitischer Kulisse. Werden das deutsche Publikum und seine Begeisterungsfähigkeit hier instrumentalisiert?
Graf Lambsdorff: Ein bisschen schon, aber ich habe ja nichts dagegen. Wenn das deutsche Publikum das annimmt und das akzeptiert und dorthin geht, dann ist das in Ordnung, nur das deutsche Publikum muss wissen: Barack Obama hält keine Rede an das deutsche Publikum, er hält eine Rede im amerikanischen Wahlkampf. Das ist eine Rede an Amerikaner. Und das müssen wir einfach in Rechnung stellen und dürfen nicht zuviel erwarten, was unsere Interessen anbelangt. Der macht amerikanischen Wahlkampf in Deutschland und wenn ihm die Gelegenheit dazu geboten wird, warum denn nicht? Er nutzt die Gelegenheit, wollen wir mal sehen, wie er es tut.
Liminski In der Mediendemokratie geht es um Bilder. Glauben Sie, dass die Kulisse an der Siegessäule viel Eindruck machen wird in Amerika?
Graf Lambsdorff: Da bin ich nicht ganz sicher. Wenn ich mir die Medienkulisse vorstelle, dann machen Fernsehaufnahmen von der Siegessäule, bei denen das Brandenburger Tor im Hintergrund dennoch erscheint, die machen schon Eindruck, aber in Amerika gibt es durchaus kritische Stimmen gegenüber Barack Obama, gegenüber seiner ursprünglichen Absicht, am Brandenburger Tor zu sprechen. Da gibt es Bill Schneider, einen bedeutender amerikanischer Analyst und Kommentator, der gesagt hat: Hält der sich eigentlich schon für Ronald Reagan? Hält der sich schon für George Bushs Vater? Das hat alles noch eine Weile Zeit. Also - auch da wird das nicht unkritisch gesehen und wie viele Amerikaner eigentlich wissen mögen, wie die Siegessäule entstanden ist und dass dort Kanonen aufgestellt sind, in der Siegessäule eingearbeitet sind, die aus dem Kriege 1870/1871 zwischen Deutschland und Frankreich stammen, na, das will ich mal dahingestellt sein lassen. Wahrscheinlich wissen sie es nicht, brauchen sie auch nicht.
Liminski Von einiger Bedeutung für die Wahl, um nicht zu sagen - sicher mehr Bedeutung als der Auftritt heute Abend - wird sein, wen die Kandidaten als Vize auf ihr Ticket nehmen. McCain will seinen Vize heute ernennen, um Obama die Schau zu stehlen ganz sicher. Ist das für die Amerikaner wichtiger als der Auftritt in Berlin?
Graf Lambsdorff: Ja, das ist mindestens ... Ja, das ist wichtiger, denn das wird den ganzen Wahlkampf natürlich begleiten. Der Wahlkampf hat ja gerade erst angefangen. Die Kandidaten sind noch nicht mal formell bestätigt von den Conventions, also von den Parteiversammlungen sowohl der Republikaner wie der Demokraten. Das ist alles erst im August der Fall, und dann geht der Wahlkampf richtig los und dann wird eine ganze Zeit sein, in der ein Vizepräsidentschaftsbewerber, auf der Seite Obama als auch auf der Seite McCain, unentwegt auch im Fernsehen auftauchen wird und die amerikanische Szene mit beeinflussen wird. Das ist am Ende gesehen wichtiger als eine Rede in Berlin.
Liminski Wir hatten eingangs eine Wunschliste, jetzt zu den harten Prognosen, Herr Lambsdorff. Was meinen Sie: Sehen wir heute Abend einen Kandidaten oder einen künftigen Präsidenten?
Graf Lambsdorff: Auf diese Frage werde ich nicht mal zwei, drei Tage vor der Wahl antworten, weil ich, Herr Liminski, mir nicht im Klaren bin, in welchem Umfang die Schweigespirale eine Rolle spielt, wenn die Amerikaner gefragt werden, einen afroamerikanischen zukünftigen Präsidenten zu wählen. Zwei Dinge sind richtig: Das ist zum ersten Mal, dass so etwas möglich ist und eine große Leistung der amerikanischen Demokratie. Zum Zweiten: Wir haben zwei wirklich präsentable, zwei vorzeigbare, zwei wählbare Kandidaten für das Amt des Präsidenten. Die Amerikaner können sich glücklich schätzen, dass sie eine solche Auswahl haben.
Liminski Zwei starke Kandidaten, das war Otto Graf Lambsdorff zum Ereignis des Tages. Besten Dank für das Gespräch, Herr Lambsdorff!