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FDP fordert mehr Deregulierung bei den Ladenöffnungszeiten

Hans-Joachim Wiese: Das Verbot der Ladenöffnung an Sonn- und Feiertagen sowie nachts ist verfassungsgemäß. Was heißt das nun in der Praxis? Bleibt alles, so, wie es ist, oder sind Änderungen künftig doch möglich? Am Telefon begrüße ich den Baden-Württembergischen Wirtschaftsminister Walter Döring, FDP. Guten Tag, Herr Döring.

Moderation: Hans-Joachim Wiese |
    Walter Döring: Guten Tag.

    Wiese: Zunächst einmal die Frage, haben Sie mehr erwartet? Sind Sie enttäuscht?

    Döring: Ich habe, ganz offen gesagt, mehr erwartet. Ich dachte eigentlich daran, dass das Bundesverfassungsgericht auch selber eine größere Flexibilität anmahnt. Das ist nicht so, aber es gibt doch ein paar Möglichkeiten zur Veränderung, die wollen wir auch nutzen.

    Wiese: Nach Ansicht der Karlsruher Richter können nun die Länder selbst die Ladenöffnungszeiten regeln. Sie sagen, sie wollen die Möglichkeiten nutzen. Sie sind gefragt, Herr Döring, was werden Sie denn jetzt ganz konkret unternehmen?

    Döring: Es geht tatsächlich darum, dass wir das aufnehmen, was das Bundesverfassungsgericht angemahnt hat, nämlich eine Überprüfung der Zuständigkeit. Der Bundesgesetzgeber sollte die Größe aufbringen, die Entscheidungskompetenz in die Länder zu verlagern. Ich glaube aber, dass sich die Föderalismuskommission sinnvollerweise mit dem Thema befasst und genau das auch aufgreift: Entzerrung der Kompetenzen, also Zurückverlagerung hin in die Länder. In den Ländern streben wir dann eine klare Regelung an: Montags bis Samstags gänzliche Aufhebung und den Sonntag ziemlich restriktiv.

    Wiese: Gänzliche Aufhebung, sagen Sie, 24 Stunden Möglichkeiten zum Einkaufen, so wie in Amerika?

    Döring: Ich gehe davon aus, dass das in Deutschland nicht der Fall sein wird. Aber ich möchte den Unternehmen, den Händlern nicht per Gesetz vorschreiben, wann sie den Kunden gegenüber zur Verfügung stehen, wann sie ihre Waren anbieten und verkaufen dürfen. Ich finde, es ist schon sehr beachtlich, dass der Einzelhandelsverband in Baden-Württemberg sich dieser Meinung von mir angeschlossen hat und wir gemeinsam für eine gänzliche Aufhebung an den Werktagen Montag bis Samstag eintreten, den Sonntag allerdings sehr restriktiv handhaben. Das bedeutet, das Bundesverfassungsgericht hat uns bezüglich des Sonntags eine klare Auflage gegeben, und das Bundesverfassungsgericht mahnt die Überprüfung der Zuständigkeit an. Da habe ich eine klare Meinung, das muss in die Länder gehen. Die Länder sollten dann - wir werden das in Baden-Württemberg machen, sobald es geht - Montag bis Samstag aufheben, Sonntag dann eine Regelung finden, die dem Bundesverfassungsgericht entspricht.

    Wiese: Aber das hieße doch dann, Herr Döring, dass man eventuell in Baden-Württemberg von Montag bis Samstag durchgehend einkaufen kann. In anderen Bundesländern wird das womöglich dann restriktiver gehandhabt, und in Deutschland haben wir dann einen Flickenteppich.

    Döring: Es ist nicht die Sorge vor einem Flickenteppich, die mich umtreibt, sondern es ist die Sorge, dass wir nicht mehr zeitgemäße Regelungen haben. Jeder ruft nach Entbürokratisierung und Deregulierung. Aber ausgerechnet in einem glatten Marktgeschehen, nämlich bei diesen Ladenschlusszeiten, ruft man offensichtlich danach zu reglementieren, zu regeln, vorzuschreiben, bürokratischen Aufwand zu machen. Das passt doch überhaupt nicht zusammen. Ich bin übrigens sehr zuversichtlich, dass die Regelung Montag bis Samstag freigeben, Sonntag restriktiv, eine Regelung ist, die bei den Ländern eine Mehrheit findet.

    Wiese: Die FDP, Ihre Partei also, versteht sich ja bekanntlich als die Interessenvertreterin des Mittelstands, aber genau der kann doch eigentlich nicht für die völlige Freigabe des Ladenöffnungsgesetzes sein. Die kleine Modeboutique, zum Beispiel, wird sich doch gegen das große Warenhaus nicht wehren können, schon allein wegen der Personalkosten. Warum hat sich die FDP in diesem Fall gegen ihre Klientel entschieden?

    Döring: Wir sind keine Klientelpartei, sondern wir sind eine Partei, die für Entbürokratisierung, Deregulierung, für Marktwirtschaft steht und genau deswegen ist mein Vorschlag in diesem Zusammenhang völlig passend. Im Übrigen schaue ich gerade aus dem Fenster, wir haben hier um die dreißig Grad, Tendenz steigend. Ich glaube, dass da in den Abendzeiten wesentlich besser auch für die Kunden eingekauft und verkauft werden kann und dass die Kunden sich - das hört man jetzt ja zunehmend - auch zunehmend zu einer guten Beratung, zu einer qualitativen Beratung hin orientieren. Das ist genau die Chance der kleinen Geschäfte, die Sie gerade eben ansprechen. Aber noch mal: Ich bin kein Klientelpolitiker, sondern Marktwirtschaftler und ich trete ein für Entbürokratisierung und Deregulierung.

    Wiese: Wie wollen Sie die, auch von den Verfassungsrichtern angesprochenen, sozialen Fragen regeln? Also zum Beispiel verhindern, dass besonders Frauen noch spät in der Nacht arbeiten müssen und dort zum Beispiel dann die Kindererziehung zu kurz kommt?

    Döring: Ich glaube umgekehrt, die Kindererziehung wird sogar profitieren davon. Wenn nämlich die Verkäuferin nicht mehr zwingend, wie jetzt jeden Tag, nachmittags, wenn die Kinder von der Schule kommen, im Geschäft sind, sondern dann ihren Kindern auch mal vormittags, mal nachmittags zur Verfügung stehen, weil sie in den Abendstunden beschäftigt sind, wenn die Kinder im Sportverein oder platt gesagt auch im Bett sind. Das heißt, man kann selbstverständlich durch so eine Liberalisierung eine sehr deutliche Verbesserung des familiären Zusammenlebens erreichen und die Mütter, die Eltern dann zu Hause haben, wenn sie die Kinder brauchen. Es wird nicht jede Mutter jeden Abend bis spätabends arbeiten müssen, es wird eine Flexibilisierung geben. Wie gesagt, noch mal: Die Chance, dass die Mütter dann zu den Zeiten zu Hause sind, wenn die Kinder von der Schule abgeholt werden oder von der Schule kommen - was sie heute nicht können - ist fast geradezu ein Argument hin zu mehr Liberalisierung im Ladenschluss.

    Wiese: Die Liberalisierungsverfechter, wie Sie, Herr Döring, behaupten ja auch, dass die Freigabe der Öffnungszeiten zusätzlich Arbeitsplätze schaffe. Das bestreiten die Gewerkschaften hingegen vehement. Was sagen Sie denen?

    Döring: Die Gewerkschaften bestreiten zunächst einmal alles, was in irgendeiner Weise mit Veränderung zu tun hat. Solange wir eine tatsächliche Veränderung nicht haben, kann das keiner belegen. Deswegen kann ich es nicht definitiv behaupten, dass es mehr Arbeitsplätze bringt, ich kann aber umgekehrt auch nicht sagen, es wird weniger bringen. Ich könnte mir nur vorstellen, dass wir im Teilzeitbereich tatsächlich eine größere Chance für Beschäftigung erhalten und zwar gerade bei den sogenannten ungünstigen Arbeitszeiten, die manche, die eine Teilzeitbeschäftigung suchen, gerne aufnehmen, weil sie sagen: Lieber zwei, drei Tage in der Woche abends richtig rangeklotzt und dafür dann tagsüber frei oder als Zusatzjob. Ich glaube, da besteht tatsächlich eine Möglichkeit, aber genau belegen kann man das natürlich erst, wenn man das ein Jahr oder zwei praktiziert hat.

    Wiese: Das war in den Informationen am Mittag im Deutschlandfunk der Baden- Württembergische Wirtschaftsminister Walter Döring, FDP. Danke herzlich für das Gespräch, Herr Döring. Auf Wiederhören.