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FDP-Generalsekretär bekräftigt Steuersenkungen bis 2013

Christian Lindner, Generalsekretär der FDP, geht von Steuersenkungen noch in dieser Legislaturperiode aus. Dies sei eine klare Absprache zwischen dem FDP-Vorsitzenden und der Bundeskanzlerin, sagte Lindner. Über Termine und Volumina müsse allerdings noch diskutiert werden.

Christian Lindner im Gespräch mit Friedbert Meurer | 24.06.2011
    Friedbert Meurer: Was soll die EU machen, gesetzt den Fall, das Parlament in Athen wird nächste Woche das Sparpaket nicht akzeptieren?

    Christian Lindner: Das mag ich mir gar nicht ausmalen. Dieses neue Hilfspaket ist an klare Bedingungen geknüpft und hier kann es nur Zug um Zug eine Auszahlung geben, das heißt, dass die Griechen ihrer eigenen Verantwortung nachkommen müssen. Jetzt ist ja am gestrigen Abend dargestellt worden, dass es nicht nur um dieses Paket geht, sondern dass darüber hinaus nachgedacht wird, wie man aus den bestehenden EU-Programmen Fördergelder schneller auszahlen kann. Das würde die griechische Konjunktur stützen, würde dort auch für eine Stabilisierung der Wirtschaft sorgen. Das sind ja alles Bedenken, die seitens der griechischen Opposition in der jüngeren Vergangenheit vorgetragen worden sind.

    Meurer: Und damit sind Sie einverstanden, Herr Lindner, mit diesem Konjunkturprogramm, mit den Konjunkturspritzen?

    Lindner: Ja, es sind ja Fördergelder, die sowieso für Griechenland zur Verfügung stehen in den üblichen Fonds, die jetzt nur schneller mobilisiert werden sollen und wo den Griechen geholfen werden soll, auch ihren eigenen Finanzierungsanteil beizubringen. Damit kann man einverstanden sein, denn die tragen mittelfristig dazu bei, dass Griechenland eine vernünftige wirtschaftliche Lage behält, und auch die ist ja eine Voraussetzung dafür, dass Griechenland am Kapitalmarkt wieder refinanzierungsfähig wird. Es ist aber auch ein Signal an die Opposition in Griechenland und an die Menschen auf den Straßen, die in Sorge sind, dass die EU nicht ein Spardiktat alleine verhängen will, sondern dass darüber hinaus auch wirklich eine helfende Hand gereicht wird, damit die griechische Wirtschaft wieder wettbewerbsfähig wird. Ich glaube, dass das ein faires Paket ist, das Griechenland annehmen kann und sollte.

    Meurer: Aber es wird es vielleicht nicht tun, denn in Griechenland glaubt die Opposition und glauben viele Demonstranten, das, was die EU sagt - kein Geld, wenn wir nicht zustimmen dem Sparpaket -, das ist doch eine leere Drohung. Ist es eine leere Drohung?

    Lindner: Darauf sollte man keine Wette eingehen. Ich sage es noch mal: Jeder muss sich der Verantwortung bewusst sein, und die Solidarität, die wir in Europa praktizieren, die kann keine Einbahnstraße sein. Griechenland hat die Reformen, die zum Beispiel Deutschland in den vergangenen zehn Jahren durchgeführt hat, mit Schweiß und harter Arbeit durchgesetzt hat, nicht für sich realisiert. Die haben in zehn Jahren nicht den Sozialstaat, den Arbeitsmarkt reformiert, die Unternehmen sind nicht wettbewerbsfähig geworden. Die müssen nun schneller auf Wettbewerbsfähigkeit setzen. Dazu gibt es keine Variante, sonst kommt Griechenland nicht aus seiner Überschuldungssituation heraus. Hilfe gibt es, aber es muss auch Selbsthilfe geben.

    Meurer: Die FDP hat jetzt einen alten Schlager wieder aufgelegt, nämlich Steuersenkungen. Die CDU und die Länder, Herr Lindner, wollen da nicht so ganz mitziehen. Hören wir mal kurz, was Ihr Kollege, der Generalsekretär der CDU Hermann Gröhe, gestern gesagt hat.

    Hermann Gröhe: "Wir machen halt weniger Schulden, wir sind noch lange nicht beim Sparen oder gar Tilgen, und deswegen - wir freuen uns über die wirtschaftliche Entwicklung, aber keine Zeit, jetzt schon die Spendierhosen anzuziehen."

    Michael Meister: "Da könnte durchaus die Situation einstehen, dass große Erwartungen bestehen, die dann am Ende vielleicht nicht ganz erfüllt werden."

    Meurer: Das Zweite war dann der Fraktionsvize der CDU, Meister. Herr Lindner, werden die Erwartungen der FDP zum x-ten Mal enttäuscht werden?

    Lindner: Es gibt ja eine klare Verständigung im Grundsatz zwischen dem Vorsitzenden der FDP und der Bundeskanzlerin, und auch die Spitzen der Unions- und der FDP-Bundestagsfraktion haben sich in gleicher Weise in den letzten Tagen geäußert. Also es gibt eine grundsätzliche Einigung, dass wir einen Entlastungsschritt in dieser Legislaturperiode noch gehen werden. Über Termine, über Volumina und über einzelne Instrumente wird jetzt noch diskutiert.

    Meurer: Wenn Sie sagen, noch in dieser Legislaturperiode - kommt dann die Steuersenkung in dieser Legislaturperiode, das müsste ja dann der 1. Januar 2013 sein, oder ist es denkbar, dass es eine Ankündigung für die Zeit nach der Legislaturperiode ist?

    Lindner: Nein, das muss noch in dieser Legislaturperiode wirksam werden, und zwar aus zwei Gründen. Der erste Grund ist, dass gegenwärtig die Menschen, die Arbeitnehmer mehr von den Gehaltserhöhungen, die sie im Aufschwung bekommen haben, an den Staat abgeben müssen, als selbst bei ihnen verbleibt. Die Unternehmen leiden nicht unter der sogenannten kalten Progression, die Finanzminister in Bund und Ländern profitieren ebenfalls vom Aufschwung, die Einzigen, die keinen fairen Anteil am Aufschwung haben, das sind die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, und das ist ein Mangel an Gerechtigkeit, den wir beklagen. Und einen zweiten Grund gibt es ebenfalls, der jetzt für Entlastungen spricht, und das ist die makroökonomische Situation. Man hat jetzt in diesem Quartal schon gesehen, dass sich das Konjunkturklima eintrüben könnte. Und hier einen Impuls für Wachstum und damit auch für Beschäftigung zu senden durch einen Entlastungsschritt, gerade bei unteren und mittleren Einkommen, die einen hohen Konsumanteil haben und eine geringe Sparquote haben, das könnte ein wichtiges Signal sein, um das Wachstum zu pflegen.

    Meurer: Man kann genau anders argumentieren, Herr Lindner: Die Konjunktur geht wieder nach unten, wo soll das Geld herkommen für Steuersenkungen?

    Lindner: Die Konjunktur folgt ja Rahmenbedingungen, und die Rahmenbedingungen müssen so gesetzt werden, dass Wachstum möglich ist, und hier kann ein solches Signal schon sinnvoll sein. Das sagt ja nicht allein die FDP, Herr Meurer, sondern so hat sich das Kieler Institut für Weltwirtschaft geäußert, so hat sich der Deutsche Industrie- und Handelskammertag geäußert. Also sollte man diese Argumente ernst nehmen. Wachstum passiert nicht von allein, sondern es braucht Rahmenbedingungen, und hier kann ein Entlastungsschritt, der mit der Schuldenbremse vereinbar ist - das ist ja zu unterstreichen, es ist ja keine Gefährdung des Konsolidierungskurses, den wir in Deutschland fahren -, ein solcher Schritt könnte für unser Konjunkturklima eminent wichtig sein. Und wir sind, was die politische Führung dieses Landes angeht, doch daran interessiert, dass tatsächlich Wachstum auch stabil und stetig bleibt, und da muss man was für tun.

    Meurer: Wird Bundesfinanzminister Schäuble Anfang Juli eine konkrete Zahl nennen, wie hoch das Entlastungsvolumen sein soll?

    Lindner: Ich gehe davon aus, dass wir ein konkretes Volumen erarbeiten, und dass der Bundesfinanzminister von den Steuermehreinnahmen, die das Land hat, einen entsprechenden Anteil reservieren wird. Ich will das noch mal in Erinnerung rufen, dass wir in diesem Jahr zehn Prozent höhere Steuereinnahmen gegenüber dem vergangenen Jahr haben, in Zahlen 18 Milliarden Euro, verteilt auf alle staatlichen Ebenen, und das ist eine Größenordnung, die jetzt zulässt, auch über Entlastungen für untere, mittlere Einkommen nachzudenken. Im Jahr 2009 war das nicht der richtige Zeitpunkt. Jetzt im Jahr 2011 für 2012/13 Gedankengänge zu verfolgen, das ist sinnvoll, und ich unterstreiche das ein weiteres Mal, es ist auch erforderlich, aus Gerechtigkeitsgründen und aus konjunkturpolitischen Gründen.

    Meurer: Sie hoffen, mit dem Steuerthema die FDP wieder nach vorne zu bringen. Manche sagen, es ist in Wahrheit ein FDP-Rettungspaket. Hoffen Sie, dass umgekehrt ihr Konkurrent die Grünen beim Sonderparteitag zur Atomwende ins Schleudern gerät?

    Lindner: Wer von einem FDP-Rettungspaket in diesem Zusammenhang spricht, der verkennt, glaube ich, die Lage in der Mittelschicht. Rechtfertigen müssen sich doch diejenigen, die jetzt den Menschen in der Mittelschicht eine Entlastung verweigern wollen, nicht diejenigen, die aus den genannten Gründen da was tun wollen.

    Bei den Grünen steht uns ein spannendes Wochenende bevor, die Frage ist ja, ob die Grünen in der Realität ankommen. Bislang haben sie gesprochen von einem Ausstieg aus der Kernenergie im Jahr 2017 - nicht machbar, nicht wirtschaftlich darstellbar, eine Gefährdung für Arbeitsplätze -, und jetzt wird bei den Grünen diskutiert, ob tatsächlich unserem realistischeren Fahrplan bis 2022 zugestimmt wird. Das halte ich für begrüßenswert und kann die Grünen nur einladen, in dieser Weise in der Realität anzukommen. Fraglich ist aber, ob die Grünen tatsächlich den Mut haben, auch komplett sich ehrlich zu machen. Denn bislang steht ja im Raum, ob zu den Gesetzen, etwa Planungsbeschleunigung und Netzausbau, Beschleunigungsgesetz, ob diesen zugestimmt werden soll. Aber das geht nur beides zusammen. Die Grünen können nicht sagen, raus schneller aus der Kernenergie, aber gleichzeitig wollen wir die Voraussetzungen nicht schaffen. Es ist also eine Art Lackmustest jetzt am Wochenende, ob die Grünen tatsächlich verlässliche Partner bei der Energiewende sind und seriöse Energiepolitik machen wollen.

    Meurer: Der FDP-Generalsekretär Christian Lindner heute Morgen im Deutschlandfunk. Herr Lindner, danke schön und auf Wiederhören!

    Lindner: Danke schön, Herr Meurer!