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FDP-Haushaltsexperte: "Ich schließe gar nichts aus, sondern ich will erst mal die Fakten haben"

Finanzminster Wolfgang Schäuble scheint inzwischen Zustimmung zum zweijährigen Aufschub für Griechenland zu signalisieren. Und auch bei der FDP gibt es Bewegung: "Das kann man machen, aber bitte nicht auf Kosten zum Beispiel der deutschen Steuerzahler", sagt Jürgen Koppelin, Obmann der FDP im Haushaltsausschuss.

Jürgen Koppelin im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 13.11.2012
    Jürgen Koppelin, Obmann der FDP im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages
    Jürgen Koppelin, Obmann der FDP im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages (Deutscher Bundestag)
    Dirk-Oliver Heckmann: Am Telefon dazu begrüße ich Jürgen Koppelin, er ist Obmann der FDP im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages. Guten Morgen.

    Jürgen Koppelin: Ja guten Morgen.

    Heckmann: Herr Koppelin, "die Zeitachse, die das Reformprogramm festlegt, darf nicht verschoben werden" und "es kann keine substanziellen Änderungen der Reformvereinbarung mit Griechenland geben". Wissen Sie noch, wer das gesagt hat?

    Koppelin: Ja natürlich. Das ist auch meine Meinung bisher gewesen.

    Heckmann: Das war FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle und Außenminister Guido Westerwelle von der FDP.

    Koppelin: Ja, natürlich! Und ich halte auch im Prinzip daran fest. Ich muss nur Folgendes feststellen: Wenn Griechenland fällt, was geschieht dann in der Euro-Zone? Das ist das Entscheidende. Und das sage ich auch, wissen Sie, mit Blick auf das, wo bisher wenige den Blick hingerichtet haben: nach Amerika. Nach der Wiederwahl von Präsident Obama setzen sich nun Republikaner und Demokraten zusammen; hoffentlich finden sie eine Lösung, um das Haushaltsdefizit in Amerika wieder in Ordnung zu bringen. Das ist eine ganz entscheidende Frage für den Euro, für den Export. Ich darf also Griechenland nicht alleine sehen, sondern muss sehen, was geschieht, wenn.

    Heckmann: Sie halten im Prinzip, sagten Sie gerade, daran fest, an diesen beiden Aussagen, nämlich dass die Zeitachse nicht verschoben werden soll. Jetzt soll sie verschoben werden. Auch Finanzminister Schäuble hat dem ganz offenbar zugestimmt. Wie finden Sie das also?

    Koppelin: Ich habe ein bisschen Angst, dass das, was die Troika gemacht hat, leider auch geschönt ist. Das muss ich sehr deutlich sagen. Ich frage zum Beispiel mal: Was ist mit den Privatisierungen? Wir haben mal vor längerer Zeit eine große Liste bekommen, was in Griechenland alles privatisiert werden soll. Nach meinen letzten Auskünften ist da so gut wie nichts geschehen, sondern man hat etwas gemacht: Man hat versucht, den Haushalt in Ordnung zu bringen, aber teilweise auf Kosten der einfachen Menschen, die nach meiner Auffassung in Griechenland zurecht demonstrieren. Denn die Reichen, die ihre Sachen beiseite gepackt haben, die finden sie teilweise in Berlin schon wieder, wo sie Immobilien kaufen. Wie ist das alles möglich? Die haben ihre Millionen und Milliarden ins Ausland geschafft und jetzt geht das dort auf Kosten der kleinen Leute in Griechenland. Das darf natürlich auch nicht sein. Das ist ein Unruhefaktor. Wo ist für diese Menschen die Zukunft, wo sind die Arbeitsplätze?

    Heckmann: Aber, Herr Koppelin, meine Frage lautete ja, ob Athen zwei Jahre mehr Zeit gegeben werden soll. Auch Schäuble hat dem ganz offenbar zugestimmt. Wie finden Sie das?

    Koppelin: Ja, das will ich Ihnen sagen. Das kann man machen, aber bitte nicht auf Kosten zum Beispiel der deutschen Steuerzahler.

    Heckmann: Auf wessen Kosten denn?

    Koppelin: Ja, da müssen dann Lösungen gefunden werden. Deswegen habe ich mir erlaubt, Ihnen den Hinweis zu geben, was ist zum Beispiel mit den Privatisierungen? Ich kenne ja die Unterlagen noch nicht, auch die der Troika noch nicht. Wie weit sind die Privatisierungen, wie können die vorangetrieben werden? Aber das reicht ja auch nicht allein. Athen hat sich bisher zum Beispiel gesperrt, Hilfen von der EU anzunehmen, damit wir Infrastruktur dort wieder aufbauen, damit wir Wirtschaft aufbauen, weil sie selber dieses Geld in die Hand nehmen wollen. Und wir haben gesagt, nein, das machen wir alleine von der EU, denn ich habe große Sorge, gerade in Griechenland, dass es dort zu viele Leute gibt, die die Hand auch noch offen halten. Das Thema Korruption ist in Griechenland leider nicht beendet. Und warum soll ich dann eine Verlängerung um zwei Jahre zum Beispiel machen, wenn nicht das Thema Korruption auf die Tagesordnung kommt?

    Heckmann: Sie sagen, mehr Geld für den deutschen Steuerzahler soll das auf keinen Fall bedeuten. Ein Aufschub von zwei Jahren soll über 32 Milliarden Euro kosten. Und Sie erklären jetzt hier im Deutschlandfunk für die FDP-Fraktion, nicht ein Euro mehr aus Deutschland?

    Koppelin: Nein, das erkläre ich nicht. Aber es gibt viele andere Aspekte. Das ist ja sehr schlicht. Tut mir leid, wenn ich Ihnen das so direkt sage. Das ist ja ein bisschen schlicht, wie Sie das darstellen.

    Heckmann: Das ist eine Frage, die sich aufdrängt.

    Koppelin: Ja natürlich! Aber ich will Ihnen ein anderes Beispiel sagen: Ich sitze im Verwaltungsrat der Kreditanstalt für Wiederaufbau, dort hat mich der Deutsche Bundestag hingeschickt. Da muss ich feststellen: Das Geld, das wir Griechenland gegeben haben mit der Kreditanstalt für Wiederaufbau, da hat Deutschland erheblich dran verdient. Im Augenblick, würde ich mal sagen, könnten die Zahlen so bei einer halben Milliarde sein. Das finde ich dann allerdings auch nicht in Ordnung, sondern da müssen wir auch Lösungen dann finden. Ich will nicht an der Not in Griechenland verdienen, sondern ich will ihnen auch helfen.

    Heckmann: Das heißt, Sie schließen aber auch nicht aus, dass der Bundestag noch mal nachschießt?

    Koppelin: Das schließe ich überhaupt nicht aus. Aber wir haben ja die Fakten noch gar nicht. Der Bundesfinanzminister wird uns jetzt in diesen Tagen – deswegen werde ich auch heute nach Berlin fahren – die Fakten geben, wird uns die Berichte geben. Und dann müssen wir im Haushaltsausschuss darüber diskutieren. Aber ich habe auch Griechenland nicht alleine. Sie haben ja erlebt, was der Besuch der Kanzlerin in Portugal gebracht hat, dann Spanien. Wir haben unglaubliche Probleme. Deutschland ist bereit zu helfen und ich bin froh, dass wir den Euro haben, das sage ich auch. Ich bin aber auch froh, dass diese Bundesregierung Wirtschaftsrahmenbedingungen gesetzt hat, dass wir ein starkes Exportland nach wie vor sind. Und wir müssen auch aufpassen als Deutsche, dass wir, sage ich mal, von der Krise der anderen Euro-Staaten nicht angesteckt werden, sodass wir den anderen helfen können. Aber helfen bitte mit Augenmaß.

    Heckmann: Herr Koppelin, Ende August hat Wolfgang Schäuble, der Bundesfinanzminister, noch gesagt, "mehr Zeit für Athen heißt im allgemeinen auch mehr Geld. Das ist nicht der richtige Weg". Können Sie verstehen, Herr Koppelin, dass sich viele Menschen hinters Licht geführt fühlen?

    Koppelin: Entschuldigung! Wir haben ja noch gar nicht anders entschieden. Sie unterstellen ja schon, dass wir das tun. Das hat Herr Schäuble gesagt, daran halte ich mich auch. Und dann will ich mal hören, was Herr Schäuble uns im Haushaltsausschuss sagt, welche Gründe es gibt, um vielleicht von dieser Meinung runterzugehen.

    Heckmann: Glauben Sie denn, dass ein Weg daran vorbei führt?

    Koppelin: Glauben heißt nicht wissen, sondern ich will die Fakten haben und dann werde ich entscheiden. Und zwar entscheiden im europäischen Interesse und im deutschen Interesse. Aber eins ist für mich klar: Das, was Herr Schäuble gesagt hat, was Herr Brüderle gesagt hat, daran halte ich erst mal fest, bevor ich nicht andere Fakten habe. Und zwar Fakten, die den Menschen einmal in Griechenland helfen, aber uns auch nicht in Deutschland in Gefahr bringen mit unserer guten Wirtschaft und unseren Exporten.

    Heckmann: Eigentlich müsste ja ein neuer, ein zweiter Schuldenschnitt her. So argumentiert jedenfalls auch der Internationale Währungsfonds. Ist es das, worauf es dann am Ende ankommt? Das wäre ja nicht das erste Mal, dass Dinge kommen, die zuvor immer ausgeschlossen wurden.

    Koppelin: Auszuschließen ist es nicht. Es ist doch der Fehler – das muss man doch dazu sagen – der Regierung Schröder-Fischer gewesen, dass man Griechenland mit in die Euro-Zone genommen hat. Es hat nur jetzt keinen Zweck, da hinterherzuweinen. Jetzt müssen wir helfen. Und es ist auch der Fehler gewesen früherer Finanzminister, immer gesehen zu haben dieses Problem Griechenland. Aber man wollte Griechenland als Mutterland der Demokratie immer gerne dabei haben in der Euro-Zone. Und das rächt sich jetzt. Und dafür werden wir gegebenenfalls, für die Fehler von Rot-Grün von damals, zahlen müssen, das ist nun mal so.

    Heckmann: Das heißt, Sie schließen einen zweiten Schuldenschnitt, wo also auch die öffentlichen Geldgeber, also die Staaten, auf Geld verzichten müssen, nicht aus? Bisher hieß es ja immer, das können wir gar nicht, weil wir dann keine neuen Kredite an Griechenland geben können.

    Koppelin: Ich sage noch mal: Ich schließe gar nichts aus, sondern ich will erst mal die Fakten haben. Es geht darum, den Griechen zu helfen. Und es geht darum, dass wir auch gerade im deutschen Interesse uns selbst, unsere Wirtschaft, unseren Export nicht in Gefahr bringen. Und ich verweise noch mal darauf: Griechenland ist ein großes Problem, aber Sie werden sich wundern. Das ganz große Problem wird wieder einmal wahrscheinlich eher aus Amerika kommen, wie wir das mit den Lehman Brothers gehabt haben.

    Heckmann: Müssen wir einräumen, Herr Koppelin, dass wir dazu beigetragen haben, dass sich Griechenland kaputt gespart hat?

    Koppelin: Es hat sich nicht kaputt gespart, sondern man muss aufpassen, dass nicht der kleine Bürger dort, sagen wir, die einfachen Menschen dort in Griechenland die Zeche bezahlen und die großen, die sind ins europäische Ausland abgehauen und haben ihre Millionen in die Schweiz gebracht. Oder gucken Sie sich das jetzt in Berlin an, wo die Immobilien von Griechen gekauft werden. Das finde ich einen Skandal und das ist bitter zu sehen.

    Heckmann: Der Obmann der FDP im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages, Jürgen Koppelin, war das live hier im Deutschlandfunk. Herr Koppelin, danke Ihnen für das Interview und auf Wiederhören.

    Koppelin: Bitte schön – auf Wiederhören!

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