Dirk Müller: Es ist so etwas wie ein Warnbrief, ein Alarmbrief oder auch ein Brandbrief. Der Verfasser ist der höchste deutsche Militärgeneralinspekteur Wolfgang Schneiderhan. Der Adressat ist einmal der Verteidigungsminister, zum zweiten auch der Finanzminister. Wir haben zuwenig Geld, um die Modernisierung der Streitkräfte wie geplant leisten zu können, schreibt der Vier-Sterne-General im Bundeswehrplan 2008 für das kommende Jahr, für die kommenden Jahre. Im Klartext: Die Truppe will mehr Geld, als bislang vorgesehen. Wer den Finanzminister wiederum kennt, der weiß, dass dieser hart, aber eisern bleiben will: Es gibt kein weiteres Geld für die Truppe, jedenfalls nicht über die getroffene Absprache hinaus. Darüber sprechen wollen wir nun mit dem Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Jörg van Essen. Herr van Essen, ist das so ein routinemäßiges, ritualisiertes Wehklagen der Bundeswehr?
Jörg van Essen: Das glaube ich nicht. Der Generalinspekteur schlägt zurecht Alarm. Und er ist ja auch nicht der einzige. Auch der Wehrbeauftragte hat ja vor einigen Wochen in seinem Jahresbericht deutlich gemacht, dass in der Bundeswehr es wirklich an Geld fehlt und dass das Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft der Truppe hat. Das haben beide zurecht deutlich gemacht.
Müller: Wir haben uns, Herr van Essen, in den vergangen Jahren immer wieder einmal über diese so genannte Unterfinanzierung der Bundeswehr unterhalten. Ist das nicht besser geworden?
van Essen: Nein, das ist nicht nur nicht besser geworden, sondern es sind ja neue Anforderungen auf die Bundeswehr zugekommen. Wer allein an das letzte Jahr denkt, stellt ja fest, dass beispielsweise zwei große neue Einsätze dazu gekommen sind - der Kongo und der Libanon - die natürlich erheblich Geld gekostet haben. Geld, das aus dem Verteidigungshaushalt erwirtschaftet werden musste und das dazu geführt hat, dass Maßnahmen, die eigentlich geplant waren, so nicht oder nur gestreckt umgesetzt werden konnten.
Müller: Nun kann man ja umgekehrt, das tut man in anderen Politikbereichen und Ressortverantwortlichkeiten ja auch, verlangen, dass die Bundeswehr an anderer Stelle spart. Tut sie das?
van Essen: Ja, die Bundeswehr spart ja schon ständig. Sie haben ja zurecht darauf hingewiesen, dass das Problem der Unterfinanzierung für die Bundeswehr nicht neu ist. Die Bundeswehr hat alle Möglichkeiten in den letzen Jahren ausgeschöpft. Und wir merken natürlich, dass das Auswirkungen hat, die sich jetzt auch in der Einsatzrelevanz zeigen. Beispielsweise, dass wir beim Einsatz in Afghanistan nicht in ausreichendem Maße sondergeschützte Fahrzeuge haben, dass sie nicht in dem Umfang beschafft werden konnten, wie es eigentlich notwendig ist. Welche Auswirkungen das haben kann, haben wir ebenfalls im letzten Jahr gesehen, als in einem Konvoi, das zum Teil aus ungeschützten Fahrzeugen bestand, die Taliban genau diese Fahrzeuge angegriffen haben. Der Ausbildungsstand der Taliban hat zugenommen, sodass es ihnen jetzt auch möglich ist, in einer Kolonne solche ungeschützten Fahrzeuge anzugreifen. Und damit geht es dann auch um Lebensgefahr für unsere Soldaten.
Müller: Demnach heißt das auch Ihrer Sicht klipp und klar: Die deutschen Truppen machen mehr, als sie finanziell leisten können.
van Essen: Ja. Sie tun das, weil das für Soldaten selbstverständlich ist, dass man einen ordentlichen Dienst leistet. Aber der Generalinspekteur weist auch auf die Folgerungen für die Zukunft hin. Beispielsweise, dass die schlechte Infrastruktur, die wir insbesondere in Westdeutschland haben, dazu führt, dass weniger geeignete Bewerber in die Bundeswehr kommen. Die Bundeswehr lebt davon, dass sie gute Soldaten in allen Dienstgradgruppen hat.
Müller: Herr van Essen, wenn ich das richtig notiert habe, Sie sind auch ein Insider, deswegen reden wir ja miteinander. Sie sind Kommandeur der Reserve, kennen die Truppe ja nun auch von innen und führen entsprechend viele Gespräche. Ist diese vermeintliche - sage ich zumindest - Unterfinanzierung der Bundeswehr, also immer bei knappen Ressourcen viele, viele Dinge bewerkstelligen zu müssen, die ja zum Teil auch immer gefährlicher werden, ist das auch ein großes Motivationsmanko innerhalb der Truppe?
van Essen: Das ist natürlich ein Thema, weil die Truppe ja im täglichen Betrieb damit zu tun hat und es bemerkt. Ich bemerke es während meiner Kommandeurzeit natürlich auch, wenn ich sehe, dass wir neu zulaufende Systeme haben, die unterhalten werden müssen, und auf der anderen Seite noch eine Menge an alten Systeme betrieben werden muss, weil sie viel länger in Betrieb sind, als das eigentlich beabsichtigt war. Und es entstehen natürlich erhebliche Kosten bei alten Systemen, die noch weiter betrieben werden, beispielsweise bei der Ersatzteilbeschaffung. Bei manchen Fahrzeugen beispielsweise gibt es auf dem normalen Markt diese Ersatzteile gar nicht mehr. Die müssen dann zum Teil einzeln angefertigt werden, schwierig beschafft werden und mit erheblichen Kosten beschafft werden. Und das führt natürlich dazu, dass das immer wieder auch die Diskussion in der Truppe bestimmt.
Die Truppe ist bereit, sich für die politischen Ziele einzusetzen. Sie möchte aber auch von der Politik unterstützt werden. Ich begrüße deshalb sehr, dass der frühere Außenminister Genscher in einem Artikel gestern im "Tagesspiegel" die Verantwortung der gesamten Politik, nicht nur der Regierung, deutlich gemacht hat. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und deshalb sind wir auch als Bundestag gefordert, der Bundeswehr hier zu helfen. Und ein ganz wichtiger Punkt bei der Hilfe ist aus meiner Sicht, dass Auslandseinsätze in Zukunft nicht mehr aus dem Verteidigungshaushalt bezahlt werden, wie das im Augenblick der Fall ist.
Müller: Wo soll das herkommen, Herr van Essen?
van Essen: Ja, ich wollte es gerade begründen. Federführend für die Auslandseinsätze ist der Außenminister, weil natürlich Auslandseinsätze teil der Außenpolitik sind. Wenn jemand einen Hausbau in Auftrag gibt, dann ist es ganz selbstverständlich, dass derjenige, der diesen Auftrag erteilt, das zahlt und nicht derjenige, der als Bauunternehmer die Arbeiten ausführt. Und genau so muss das selbstverständlich bei diesen Auslandseinsätzen auch sein. Ob das nun aus dem Etat des Außenministeriums ist oder aus dem Einzelplan 60, da muss ich sagen, bin ich offen. Aber eins ist jedenfalls klar, derjenige, der die Dienste leistet, der die Dienste erbringt, der kann nicht derjenige sein, der das Ganze dann auch zu bezahlen hat.
Müller: Wolfgang Schneiderhan, der Generalinspekteur spricht in diesem Papier von 630 Millionen Euro, um die es da gehen soll im Jahr 2008. Ist das die Summe, zu der auch Sie gekommen sind, beziehungsweise Ihre Fraktion?
van Essen: Ja, wir halten das für realistisch, was dort eingeschätzt worden ist. Fast noch alarmierender ist, dass er ja darauf hinweist, dass für 2009 dann sogar 740 Millionen Euro fehlen, also noch mal mehr Geld fehlt. Und das macht deutlich, wie dramatisch die Situation ist und wie schnell jetzt gehandelt werden muss.
Jörg van Essen: Das glaube ich nicht. Der Generalinspekteur schlägt zurecht Alarm. Und er ist ja auch nicht der einzige. Auch der Wehrbeauftragte hat ja vor einigen Wochen in seinem Jahresbericht deutlich gemacht, dass in der Bundeswehr es wirklich an Geld fehlt und dass das Auswirkungen auf die Einsatzbereitschaft der Truppe hat. Das haben beide zurecht deutlich gemacht.
Müller: Wir haben uns, Herr van Essen, in den vergangen Jahren immer wieder einmal über diese so genannte Unterfinanzierung der Bundeswehr unterhalten. Ist das nicht besser geworden?
van Essen: Nein, das ist nicht nur nicht besser geworden, sondern es sind ja neue Anforderungen auf die Bundeswehr zugekommen. Wer allein an das letzte Jahr denkt, stellt ja fest, dass beispielsweise zwei große neue Einsätze dazu gekommen sind - der Kongo und der Libanon - die natürlich erheblich Geld gekostet haben. Geld, das aus dem Verteidigungshaushalt erwirtschaftet werden musste und das dazu geführt hat, dass Maßnahmen, die eigentlich geplant waren, so nicht oder nur gestreckt umgesetzt werden konnten.
Müller: Nun kann man ja umgekehrt, das tut man in anderen Politikbereichen und Ressortverantwortlichkeiten ja auch, verlangen, dass die Bundeswehr an anderer Stelle spart. Tut sie das?
van Essen: Ja, die Bundeswehr spart ja schon ständig. Sie haben ja zurecht darauf hingewiesen, dass das Problem der Unterfinanzierung für die Bundeswehr nicht neu ist. Die Bundeswehr hat alle Möglichkeiten in den letzen Jahren ausgeschöpft. Und wir merken natürlich, dass das Auswirkungen hat, die sich jetzt auch in der Einsatzrelevanz zeigen. Beispielsweise, dass wir beim Einsatz in Afghanistan nicht in ausreichendem Maße sondergeschützte Fahrzeuge haben, dass sie nicht in dem Umfang beschafft werden konnten, wie es eigentlich notwendig ist. Welche Auswirkungen das haben kann, haben wir ebenfalls im letzten Jahr gesehen, als in einem Konvoi, das zum Teil aus ungeschützten Fahrzeugen bestand, die Taliban genau diese Fahrzeuge angegriffen haben. Der Ausbildungsstand der Taliban hat zugenommen, sodass es ihnen jetzt auch möglich ist, in einer Kolonne solche ungeschützten Fahrzeuge anzugreifen. Und damit geht es dann auch um Lebensgefahr für unsere Soldaten.
Müller: Demnach heißt das auch Ihrer Sicht klipp und klar: Die deutschen Truppen machen mehr, als sie finanziell leisten können.
van Essen: Ja. Sie tun das, weil das für Soldaten selbstverständlich ist, dass man einen ordentlichen Dienst leistet. Aber der Generalinspekteur weist auch auf die Folgerungen für die Zukunft hin. Beispielsweise, dass die schlechte Infrastruktur, die wir insbesondere in Westdeutschland haben, dazu führt, dass weniger geeignete Bewerber in die Bundeswehr kommen. Die Bundeswehr lebt davon, dass sie gute Soldaten in allen Dienstgradgruppen hat.
Müller: Herr van Essen, wenn ich das richtig notiert habe, Sie sind auch ein Insider, deswegen reden wir ja miteinander. Sie sind Kommandeur der Reserve, kennen die Truppe ja nun auch von innen und führen entsprechend viele Gespräche. Ist diese vermeintliche - sage ich zumindest - Unterfinanzierung der Bundeswehr, also immer bei knappen Ressourcen viele, viele Dinge bewerkstelligen zu müssen, die ja zum Teil auch immer gefährlicher werden, ist das auch ein großes Motivationsmanko innerhalb der Truppe?
van Essen: Das ist natürlich ein Thema, weil die Truppe ja im täglichen Betrieb damit zu tun hat und es bemerkt. Ich bemerke es während meiner Kommandeurzeit natürlich auch, wenn ich sehe, dass wir neu zulaufende Systeme haben, die unterhalten werden müssen, und auf der anderen Seite noch eine Menge an alten Systeme betrieben werden muss, weil sie viel länger in Betrieb sind, als das eigentlich beabsichtigt war. Und es entstehen natürlich erhebliche Kosten bei alten Systemen, die noch weiter betrieben werden, beispielsweise bei der Ersatzteilbeschaffung. Bei manchen Fahrzeugen beispielsweise gibt es auf dem normalen Markt diese Ersatzteile gar nicht mehr. Die müssen dann zum Teil einzeln angefertigt werden, schwierig beschafft werden und mit erheblichen Kosten beschafft werden. Und das führt natürlich dazu, dass das immer wieder auch die Diskussion in der Truppe bestimmt.
Die Truppe ist bereit, sich für die politischen Ziele einzusetzen. Sie möchte aber auch von der Politik unterstützt werden. Ich begrüße deshalb sehr, dass der frühere Außenminister Genscher in einem Artikel gestern im "Tagesspiegel" die Verantwortung der gesamten Politik, nicht nur der Regierung, deutlich gemacht hat. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee und deshalb sind wir auch als Bundestag gefordert, der Bundeswehr hier zu helfen. Und ein ganz wichtiger Punkt bei der Hilfe ist aus meiner Sicht, dass Auslandseinsätze in Zukunft nicht mehr aus dem Verteidigungshaushalt bezahlt werden, wie das im Augenblick der Fall ist.
Müller: Wo soll das herkommen, Herr van Essen?
van Essen: Ja, ich wollte es gerade begründen. Federführend für die Auslandseinsätze ist der Außenminister, weil natürlich Auslandseinsätze teil der Außenpolitik sind. Wenn jemand einen Hausbau in Auftrag gibt, dann ist es ganz selbstverständlich, dass derjenige, der diesen Auftrag erteilt, das zahlt und nicht derjenige, der als Bauunternehmer die Arbeiten ausführt. Und genau so muss das selbstverständlich bei diesen Auslandseinsätzen auch sein. Ob das nun aus dem Etat des Außenministeriums ist oder aus dem Einzelplan 60, da muss ich sagen, bin ich offen. Aber eins ist jedenfalls klar, derjenige, der die Dienste leistet, der die Dienste erbringt, der kann nicht derjenige sein, der das Ganze dann auch zu bezahlen hat.
Müller: Wolfgang Schneiderhan, der Generalinspekteur spricht in diesem Papier von 630 Millionen Euro, um die es da gehen soll im Jahr 2008. Ist das die Summe, zu der auch Sie gekommen sind, beziehungsweise Ihre Fraktion?
van Essen: Ja, wir halten das für realistisch, was dort eingeschätzt worden ist. Fast noch alarmierender ist, dass er ja darauf hinweist, dass für 2009 dann sogar 740 Millionen Euro fehlen, also noch mal mehr Geld fehlt. Und das macht deutlich, wie dramatisch die Situation ist und wie schnell jetzt gehandelt werden muss.