Jürgen Liminski: Seit Mitte der Woche haben die deutschen Einheiten in Afghanistan das Kommando über den Nordteil der ISAF-Truppen. Froh sein kann man darüber kaum. Die Lage am Hindukusch erweist sich nämlich als gefährlicher, als man das noch vor ein paar Monaten vermuten konnte. Wegen der Spannungen und Unsicherheiten mussten einige Reisen von Politikern, jetzt auch des deutschen Militärbischofs Walter Mixa, abgesagt werden. Ein Politiker, der FDP-Verteidigungsexperte Rainer Stinner, kommt gerade aus Afghanistan. Er war sozusagen der letzte Besucher. Ihn haben wir nun am Telefon. Guten Morgen Herr Stinner!
Rainer Stinner: Guten Morgen!
Liminski: Herr Stinner, wen haben Sie denn auf dieser Reise getroffen?
Stinner: Wir haben getroffen den Staatspräsidenten Karsai. Wir haben getroffen den seit 14 Tagen amtierenden Kommandeur des ISAF-Kommandos, den britischen General Richards. Wir haben getroffen den deutschen PAT in Faisabad, den deutschen Kommandeur und die deutschen Truppen dort, haben weitere britische Truppen gesehen, Vertreter der UNO, Vertreter der EU, also einen Rundumschlag von Informationen in dreieinhalb Tagen in Afghanistan.
Liminski: Wie schätzen Sie denn die Stimmung bei den deutschen Soldaten ein angesichts der jetzigen Spannungen?
Stinner: Die Stimmung der deutschen Soldaten ist gespannt. Die deutschen Soldaten sind sich bewusst, dass sie sich in einem sehr ernsthaften, schwierigen und auch gefährlichen Einsatz befinden. Sie wissen vor allen Dingen das, was in der Öffentlichkeit hier in Deutschland, auch in der politischen Öffentlichkeit bisher noch nicht so wahrgenommen wird. Wir glauben wir wären nur in einem Friedenseinsatz, einem friedenserhaltenden Einsatz und als wären wir dazu da, den Afghanen Gutes zu tun, Brunnen zu bohren und Schulen zu bauen, aber wir befinden uns als Teil von ISAF, auch als Deutsche, obwohl es im Norden bisher noch ruhiger ist, in einem Kampfeinsatz in Afghanistan. Das hat der britische General Richards sehr deutlich gesagt. Es ist ein Kampfeinsatz und Deutsche sind dabei.
Liminski: Der Auftrag der ISAF erlaubt nicht nur friedenserhaltende Aktionen, sondern auch Friedensschaffende. Sie haben das eben erklärt. Nun könnte es ja sein, dass die Warlords austesten wollen, vielleicht sogar mit den Taliban, wie weit die Bundeswehr gehen kann. Gibt es dafür Pläne? Ist man auf solche Aktionen oder sogar Angriffe vorbereitet?
Stinner: Man ist vorbereitet, aber von dieser These, die Sie angesprochen haben, ist bisher nicht die Rede und die ist bisher nicht irgendwie validiert worden. Wir haben einen deutlichen Unterschied zwischen dem Norden, wo die Deutschen jetzt das Kommando übernommen haben, und dem Süden. Im Norden hatten weder die Sowjets, jedenfalls in der Provinz um Faisabad herum, jemals gewonnen noch die Taliban. Das heißt es ist ein talibanfreies Gebiet. Es gibt dort auch Anschläge und die Anschläge werden auch mehr und die Art der Anschläge, die Qualität verändert sich. Bisher gibt es – und ich sage ausdrücklich bisher – keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich die Leute im Norden, die Aufständischen im Norden mit den systematisch vorgehenden Taliban im Süden verbünden. Wenn das der Fall sein würde, dann hätten wir tatsächlich eine neue Qualität auch für den Norden.
Liminski: Ein Problem, Herr Stinner, ist sicher, dass die Warlords oder Regionalfürsten seit der Wahl ein international anerkanntes Mandat haben, aber sie leben und herrschen wie vorher. Von Demokratisierung auf dem Land kann keine Rede sein. Hätte man mit der Wahl nicht warten sollen? Was hat die Wahl eigentlich gebracht?
Stinner: Nein. Ich glaube, dass die Wahl ein wichtiger Punkt war auf dem Weg. Jeder musste aber vorher wissen, dass mit einem solchen demokratischen Akt, der auch in vieler Hinsicht ein formaler Akt ist, nicht das Land befriedet ist, sondern es ist nur ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin. Jetzt geht es darum, die durch Wahlen hervorgegangene Regierung zu stützen und ihr zu ermöglichen, die Aufbauleistungen durchzuführen. Das ist schwer genug, denn natürlich wissen wir auch, dass in der Tat in der Region, zum Teil auch in zentraler Position, Leute sind, denen nicht daran gelegen ist, geordnete Verhältnisse im Land zu schaffen. Umso wichtiger ist, dass wir der Regierung Karsai helfen, das zu tun.
Liminski: Man sagt immer, der Arm Karsais, der Arm der Regierung reiche normal gerade über Kabul hinaus. Stimmt das so?
Stinner: Ich glaube das hat sich geändert. Früher war ja das Stichwort, Karsai ist der Bürgermeister von Kabul. Ich glaube das hat sich geändert, auch durch seine Politik. Es ist ihm gelungen, den politischen Einfluss von einer ganzen Reihe von Warlords durchaus einzugrenzen, einzuschränken. Inwieweit es ihm nachhaltig gelingt, die Leute auch zu entwaffnen und das zu tun, ist in Frage. Es hat eine Entwaffnungsaktion gegeben, aber es gibt immer noch eine große Zahl von bewaffneten Leuten in Afghanistan, die zum Teil durchaus auch in der Lage und bereit sind, sich zusammenzuschließen und dann eben aktive Operationen durchzuführen.
Liminski: Ein weiteres Problem, Herr Stinner, ist der Drogenhandel und Drogenanbau. Dabei reicht es ja nicht nur, Mohnfelder abzubrennen. Man muss den Bauern auch einen Ersatz bieten. Geschieht das?
Stinner: Ich kann leider bisher – das muss ich in aller Deutlichkeit sagen – kein geschlossenes Drogenkonzept inklusive Drogenbekämpfung, des Anbaus inklusive alternativer Möglichkeiten für die Bauern, inklusive des Transportproblemes erkennen. Ich kann leider kein geschlossenes System erkennen. Es gibt Einzelmaßnahmen. Wir waren in Faisabad und in der Region Faisabad haben zwei Tage bevor wir dort waren die Afghanen damit begonnen, die afghanische Regierung, tatsächlich die Drogen zu vernichten, nicht abzubrennen, sondern auszureißen und abzuschneiden. Prompt bekamen sie die erste Reaktion. In der ersten Nacht ist die Gruppe, die das gemacht hat, von einer Rakete angegriffen worden, aber nicht getroffen worden. Die Raketen sind zum Glück bisher sehr ungenau im Norden, aber jedenfalls merkt man, dass das sehr deutlich auf Widerstand stößt.
Liminski: Wird auch die Bundeswehr mit dieser Problematik befasst werden?
Stinner: Ganz deutlich legt man Wert darauf, dass die Bundeswehr sich ausdrücklich auch räumlich sehr deutlich von diesen aktiven Maßnahmen entfernt. Es wird sehr deutlich gesagt, das ist Aufgabe der Afghanen. Die Briten hatten die Aufgabe, ein Konzept zu entwickeln und dort mitzuhelfen, aber die operative Durchführung muss und soll durch afghanische Institutionen gemacht werden. Die Bundeswehr legt Wert darauf, dass sie weit weg davon ist, auch räumlich weit weg ist, wenn solche Maßnahmen durchgeführt werden.
Liminski: Vor einer heißen Phase der Bundeswehr in Afghanistan. Das war Rainer Stinner, Verteidigungsexperte der FDP, gerade zurück von einer Reise an den Hindukusch. Besten Dank für das Gespräch, Herr Stinner.
Rainer Stinner: Guten Morgen!
Liminski: Herr Stinner, wen haben Sie denn auf dieser Reise getroffen?
Stinner: Wir haben getroffen den Staatspräsidenten Karsai. Wir haben getroffen den seit 14 Tagen amtierenden Kommandeur des ISAF-Kommandos, den britischen General Richards. Wir haben getroffen den deutschen PAT in Faisabad, den deutschen Kommandeur und die deutschen Truppen dort, haben weitere britische Truppen gesehen, Vertreter der UNO, Vertreter der EU, also einen Rundumschlag von Informationen in dreieinhalb Tagen in Afghanistan.
Liminski: Wie schätzen Sie denn die Stimmung bei den deutschen Soldaten ein angesichts der jetzigen Spannungen?
Stinner: Die Stimmung der deutschen Soldaten ist gespannt. Die deutschen Soldaten sind sich bewusst, dass sie sich in einem sehr ernsthaften, schwierigen und auch gefährlichen Einsatz befinden. Sie wissen vor allen Dingen das, was in der Öffentlichkeit hier in Deutschland, auch in der politischen Öffentlichkeit bisher noch nicht so wahrgenommen wird. Wir glauben wir wären nur in einem Friedenseinsatz, einem friedenserhaltenden Einsatz und als wären wir dazu da, den Afghanen Gutes zu tun, Brunnen zu bohren und Schulen zu bauen, aber wir befinden uns als Teil von ISAF, auch als Deutsche, obwohl es im Norden bisher noch ruhiger ist, in einem Kampfeinsatz in Afghanistan. Das hat der britische General Richards sehr deutlich gesagt. Es ist ein Kampfeinsatz und Deutsche sind dabei.
Liminski: Der Auftrag der ISAF erlaubt nicht nur friedenserhaltende Aktionen, sondern auch Friedensschaffende. Sie haben das eben erklärt. Nun könnte es ja sein, dass die Warlords austesten wollen, vielleicht sogar mit den Taliban, wie weit die Bundeswehr gehen kann. Gibt es dafür Pläne? Ist man auf solche Aktionen oder sogar Angriffe vorbereitet?
Stinner: Man ist vorbereitet, aber von dieser These, die Sie angesprochen haben, ist bisher nicht die Rede und die ist bisher nicht irgendwie validiert worden. Wir haben einen deutlichen Unterschied zwischen dem Norden, wo die Deutschen jetzt das Kommando übernommen haben, und dem Süden. Im Norden hatten weder die Sowjets, jedenfalls in der Provinz um Faisabad herum, jemals gewonnen noch die Taliban. Das heißt es ist ein talibanfreies Gebiet. Es gibt dort auch Anschläge und die Anschläge werden auch mehr und die Art der Anschläge, die Qualität verändert sich. Bisher gibt es – und ich sage ausdrücklich bisher – keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich die Leute im Norden, die Aufständischen im Norden mit den systematisch vorgehenden Taliban im Süden verbünden. Wenn das der Fall sein würde, dann hätten wir tatsächlich eine neue Qualität auch für den Norden.
Liminski: Ein Problem, Herr Stinner, ist sicher, dass die Warlords oder Regionalfürsten seit der Wahl ein international anerkanntes Mandat haben, aber sie leben und herrschen wie vorher. Von Demokratisierung auf dem Land kann keine Rede sein. Hätte man mit der Wahl nicht warten sollen? Was hat die Wahl eigentlich gebracht?
Stinner: Nein. Ich glaube, dass die Wahl ein wichtiger Punkt war auf dem Weg. Jeder musste aber vorher wissen, dass mit einem solchen demokratischen Akt, der auch in vieler Hinsicht ein formaler Akt ist, nicht das Land befriedet ist, sondern es ist nur ein wichtiger Schritt auf dem Weg dahin. Jetzt geht es darum, die durch Wahlen hervorgegangene Regierung zu stützen und ihr zu ermöglichen, die Aufbauleistungen durchzuführen. Das ist schwer genug, denn natürlich wissen wir auch, dass in der Tat in der Region, zum Teil auch in zentraler Position, Leute sind, denen nicht daran gelegen ist, geordnete Verhältnisse im Land zu schaffen. Umso wichtiger ist, dass wir der Regierung Karsai helfen, das zu tun.
Liminski: Man sagt immer, der Arm Karsais, der Arm der Regierung reiche normal gerade über Kabul hinaus. Stimmt das so?
Stinner: Ich glaube das hat sich geändert. Früher war ja das Stichwort, Karsai ist der Bürgermeister von Kabul. Ich glaube das hat sich geändert, auch durch seine Politik. Es ist ihm gelungen, den politischen Einfluss von einer ganzen Reihe von Warlords durchaus einzugrenzen, einzuschränken. Inwieweit es ihm nachhaltig gelingt, die Leute auch zu entwaffnen und das zu tun, ist in Frage. Es hat eine Entwaffnungsaktion gegeben, aber es gibt immer noch eine große Zahl von bewaffneten Leuten in Afghanistan, die zum Teil durchaus auch in der Lage und bereit sind, sich zusammenzuschließen und dann eben aktive Operationen durchzuführen.
Liminski: Ein weiteres Problem, Herr Stinner, ist der Drogenhandel und Drogenanbau. Dabei reicht es ja nicht nur, Mohnfelder abzubrennen. Man muss den Bauern auch einen Ersatz bieten. Geschieht das?
Stinner: Ich kann leider bisher – das muss ich in aller Deutlichkeit sagen – kein geschlossenes Drogenkonzept inklusive Drogenbekämpfung, des Anbaus inklusive alternativer Möglichkeiten für die Bauern, inklusive des Transportproblemes erkennen. Ich kann leider kein geschlossenes System erkennen. Es gibt Einzelmaßnahmen. Wir waren in Faisabad und in der Region Faisabad haben zwei Tage bevor wir dort waren die Afghanen damit begonnen, die afghanische Regierung, tatsächlich die Drogen zu vernichten, nicht abzubrennen, sondern auszureißen und abzuschneiden. Prompt bekamen sie die erste Reaktion. In der ersten Nacht ist die Gruppe, die das gemacht hat, von einer Rakete angegriffen worden, aber nicht getroffen worden. Die Raketen sind zum Glück bisher sehr ungenau im Norden, aber jedenfalls merkt man, dass das sehr deutlich auf Widerstand stößt.
Liminski: Wird auch die Bundeswehr mit dieser Problematik befasst werden?
Stinner: Ganz deutlich legt man Wert darauf, dass die Bundeswehr sich ausdrücklich auch räumlich sehr deutlich von diesen aktiven Maßnahmen entfernt. Es wird sehr deutlich gesagt, das ist Aufgabe der Afghanen. Die Briten hatten die Aufgabe, ein Konzept zu entwickeln und dort mitzuhelfen, aber die operative Durchführung muss und soll durch afghanische Institutionen gemacht werden. Die Bundeswehr legt Wert darauf, dass sie weit weg davon ist, auch räumlich weit weg ist, wenn solche Maßnahmen durchgeführt werden.
Liminski: Vor einer heißen Phase der Bundeswehr in Afghanistan. Das war Rainer Stinner, Verteidigungsexperte der FDP, gerade zurück von einer Reise an den Hindukusch. Besten Dank für das Gespräch, Herr Stinner.