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FDP-Politiker zu Sondierung
"Wenn der Partner etwas zusagt, muss das gelten"

Der FDP-Unterhändler Volker Wissing hat kritisiert, wie die Grünen die Ergebnisse der Jamaika-Sondierungen darstellen. Sie hätten etwa die Pläne zur Zukunft des Solidaritätszuschlags ganz anders dargestellt als am Verhandlungstisch vereinbart, sagte das FDP-Präsidiumsmitglied im Dlf. Das habe ihn sehr irritiert.

Volker Wissing im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 30.10.2017
    Der Wirtschaftsminister von Rheinland-Pfalz, Volker Wissing (FDP), spricht am 07.09.2017 in Berlin während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinen Amtskollegen aus Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein zu wirtschaftspolitischen Fragen
    Volker Wissing (FDP) zeigt sich irritiert von der öffentlichen Kommunikation der Grünen vom Verhandlungstisch. Die Absprachen etwa beim Soli hätten eigentlich ganz anders gelautet als später dargestellt (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    Dirk-Oliver Heckmann: Mitgehört hat Volker Wissing, der stellvertretende Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, FDP-Präsidiumsmitglied und Mitglied der Sondierungskommission für die Liberalen, dort zuständig für die Themen Steuern und Finanzen. Guten Morgen, Herr Wissing!
    Volker Wissing: Guten Morgen! Ich grüße Sie.
    Heckmann: Herr Wissing, die Verhandlungspartner waren ja übereingekommen, das Wochenende für eine Denkpause zu nutzen. Wie nachdenklich sind Sie denn geworden, was die Chancen für Jamaika angeht?
    Wissing: Wer mich kennt, der weiß: Ich bin jemand, der nicht so schnell in Emotionen übergeht, sondern ich versuche, die Themen rational anzugehen, und das ist das, was jetzt in der kommenden Woche auch auf uns wartet. Wir müssen uns noch präziser an die Sacharbeit machen und diejenigen, die Dinge vereinbaren am Besprechungstisch, müssen auch bei der öffentlichen Kommunikation sich daran erinnern, was sie dort zugesagt haben.
    Heckmann: Ich habe es schon ein paar Mal zitiert. Wolfgang Kubicki, der hat gesagt, es fehle an Grundvertrauen. Wenn es danach geht, müssten Sie die Gespräche allerdings sofort abbrechen, denn wie kann man verhandeln mit einem Partner, zu dem man nicht mal Grundvertrauen hat. Können Sie mir das erklären?
    Wissing: Das ist ganz wichtig, dass man sich am Ende vertraut, dass man vor allen Dingen sich auf den anderen verlassen kann. Wenn er am Gesprächstisch etwas zusagt, muss das gelten. Es ist in der Politik nichts wichtiger als ein Handschlag und ein Wort.
    Grüne offenbarten irritierende Diskrepanzen
    Heckmann: Und das Gefühl haben Sie bei den Bündnis-Grünen nicht?
    Wissing: Ich habe zum Teil in den Äußerungen, die ich in der Öffentlichkeit gehört habe, über das, was im Bereich Steuern und Finanzen am Verhandlungstisch besprochen worden ist, eine erhebliche Diskrepanz erkennen können. Das hat mich sehr irritiert.
    Heckmann: Inwiefern?
    Wissing: Na ja. Wir haben ja ein klares Papier miteinander vereinbart, und da steht beispielsweise der Abbau des Solidaritätszuschlages drin. Und wenn hinterher in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt wird, man habe diese Frage offen gelassen, dann darf man sich nicht wundern, dass das zu gewissen Irritationen führt.
    Heckmann: Sie machen den Grünen ebenfalls den Vorwurf, das Erreichte in ihrem Sinn interpretiert zu haben? Aber man muss ja vielleicht auch sagen, dass der gleiche Vorwurf in gleichem Maße auch Union und FDP trifft, denn auch die FDP hat nach diesem Treffen gesagt, es gäbe eine Einigung auf die schwarze Null, und der Soli-Zuschlag, der werde abgeschafft, und die Grünen, die haben darauf hingewiesen, dass man lediglich einen Fahrplan vereinbart habe, und darauf hingewiesen, auf eine Selbstverständlichkeit eigentlich, denn nichts ist vereinbart, solange nicht alles vereinbart ist.
    Wissing: Der Satz "nichts ist vereinbart, solange nicht alles vereinbart ist" ist selbstverständlich richtig. Gleichwohl haben wir uns sehr präzise auf die in diesem Papier niedergelegten Punkte verständigt, und wir haben auch die möglichen Interpretationsspielräume erörtert, so dass ich ziemlich genau weiß, was dort vereinbart worden ist und was nicht. Deswegen beeindrucken mich diese unterschiedlichen Interpretationen in der Öffentlichkeit wenig. Sie irritieren mich nur, und ich kann allen raten, dass wir künftig an das, was wir am Tisch besprechen, uns auch halten. Ich habe persönlich mich in sehr starker öffentlicher Zurückhaltung geübt, vor allen Dingen deshalb, weil ich glaube, dass dieser immer wieder neue Eindruck, den man in eine bestimmte Richtung versucht zu erwecken, die Verhandlungen eher auseinandertreibt, als sie zusammenzuführen, und wir stehen alle auch in einer Verantwortung.
    Soli-Abschaffung sei klar besprochen worden
    Heckmann: Wenn wir jetzt mal konkret das Beispiel Solidaritätszuschlag nehmen. Bleibt die FDP denn bei ihrer Forderung nach einer vollständigen Abschaffung in dieser Legislaturperiode, oder können Sie sich damit abfinden, dass man da ein Stufenmodell einführt, dass die Besserverdienenden doch erst mal weiterbezahlen?
    Wissing: Es ist völlig klar, wenn man zu einem so frühen Zeitpunkt der Sondierungsgespräche Zwischenschritte festhält, dass die noch nicht fertige Gesetzentwürfe enthalten. Aber die Zielrichtung, die ist ja klar besprochen worden. Der Solidaritätszuschlag soll so schnell wie möglich und das heißt, so schnell wie möglich er mit der Vereinbarung unserer Haushaltsziele in Einklang steht, abgebaut werden, und zwar vollständig.
    Heckmann: So schnell wie möglich heißt aber nicht in dieser Legislaturperiode, oder doch?
    Wissing: Für die FDP ist das das Ziel.
    Heckmann: Für die FDP ist das das Ziel. Und wo werden Sie am Ende landen? Was meinen Sie?
    Wissing: Wir brauchen natürlich eine Gesamtschau. Wir brauchen ein Gesamttableau. Aber ich halte den Abbau des Solidaritätszuschlags in dieser Legislaturperiode gut für möglich und das wollen wir auch erreichen. Das haben wir allen deutlich gemacht und da haben wir auch sehr viel Verständnis für am Verhandlungstisch geerntet.
    Ämterspekulationen seien "Gift für Gespräche"
    Heckmann: Einen Punkt würde ich gerne noch ansprechen, Herr Wissing. Um das Finanzministerium, da gibt es ja schon ein wahrnehmbares Gezerre. Der "Spiegel" hat jetzt berichtet, falls die FDP, also Ihre Partei, auf das Ressort bestehen sollte, sollte die Zuständigkeit für den Euro ins Wirtschaftsministerium wandern. Wäre das mit den Liberalen so zu machen?
    Wissing: Wer schon mal Koalitionsgespräche geführt hat, oder vorbereitende Sondierungen geführt hat, der weiß, es gilt ein ganz wichtiger Grundsatz: Ressorts werden zu Beginn weder zugeteilt, noch zugeschnitten. Daran halte ich mich und empfehle das auch allen anderen. Diese Spekulationen sind Gift für Gespräche. Es kann hier nicht darum gehen, dass wir Ämter verteilen oder Ressortzuschnitte vereinbaren, bevor wir darüber gesprochen haben, welche Politik wir für die Menschen in diesem Land in den nächsten vier Jahren machen müssen. An diese Grundprinzipien halte ich mich strikt. Es verbietet sich jede Diskussion und auch jeder Gedanke darüber, wie die Bundesregierung in ihren einzelnen Ressortzuschnitten aussehen kann. Es geht darum, Inhalte zu vereinbaren.
    Heckmann: Aber Sie schließen das auch nicht aus, Herr Wissing?
    Wissing: Verstehen Sie: Es geht weder darum, was auszuschließen, als es nicht auszuschließen. Die Freien Demokraten werden jedenfalls nicht in eine Bundesregierung eintreten und sich mit irgendwelchen Brosamen begnügen, damit sie am Ende irgendwie dabei sind. Das ist völlig klar und das weiß auch jeder. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass man uns ernsthaft solche Gespräche anbietet. Bei den Sondierungen, an denen ich bisher teilgenommen habe, wurden wir ernst genommen, und ich kann allen raten, das auch weiterhin so zu halten.
    Heckmann: Der stellvertretende Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, Volker Wissing von der FDP war das. Herr Wissing, ich danke Ihnen für das Gespräch hier im Deutschlandfunk.
    Wissing: Danke auch!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.