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FDP: schnelle Regelung bei Impfung notwendig

Der FDP-Politiker Daniel Bahr fordert von der Regierung eine zügige Absprache mit den Krankenkassen über die Impfkosten gegen Schweinegrippe. Es müsse möglichst schnell Klarheit geschaffen werden, wer die Finanzierung übernimmt, so Bahr.

Daniel Bahr im Gespräch mit Gerd Breker |
    Gerd Breker: Politiker und Wirtschaftsverbände und Krankenkassen streiten um die Kosten der Impfung gegen die Schweinegrippe. Die gesetzlichen Kassen hatten gedroht, Zusatzbeiträge zu erheben, falls Bund und Länder die Impfkosten nicht übernehmen. Die Rede ist von Kosten zwischen 500 Millionen bis zu über einer Milliarde Euro. Die Pharmaindustrie jedenfalls, sie wird gut verdienen. Nur wer soll das zahlen?

    Im Herbst also wird die Schweinegrippe gefährlich, im Herbst soll dann auch der Impfstoff bereitstehen. Aber schon jetzt ist ein erbitterter Streit über die Verteilung der Kosten entstanden. Am Telefon bin ich nun verbunden mit dem gesundheitspolitischen Sprecher der Freien Demokraten, mit Daniel Bahr. Guten Tag, Herr Bahr.

    Daniel Bahr: Guten Tag, Herr Breker. Ich grüße Sie.

    Breker: Nimmt man den Verlauf der sogenannten Schweinegrippe, den die Ärzte moderat nennen, ist dann das Risiko einer Schutzimpfung nicht eigentlich größer als der Nutzen?

    Bahr: Nein, das sehe ich nicht, denn der Virus kann sehr schnell mutieren, und das sagen uns auch alle Experten, die wir im Ausschuss angehört haben. Wir können froh sein, dass bisher der Verlauf so moderat ist. Wir hatten ja mit Schlimmerem gerechnet.

    Aber das gibt uns keine Sicherheit für die kommenden Monate. Es ist sehr, sehr schnell zu rechnen, dass der Schweinegrippe-Virus möglicherweise mutiert, sich verbindet mit dem normalen Grippe-Virus, den wir in Herbst- und Winterzeiten haben. Und da zeigen alle Erfahrungen, dass es besser ist, jetzt vorsichtig zu agieren und deswegen alle Maßnahmen zu ergreifen, anstatt nachher dann die böse Überraschung zu erleben.

    Insofern sehe ich weiterhin die Notwendigkeit, dass wir alle Anstrengungen unternehmen, hier eine Ausweitung der Pandemie zu verhindern, und dazu gehört auch ein Werben bei den Risikogruppen für die Schutzimpfung. Es ist noch nicht die Notwendigkeit, dass wir sehr breit in die Impfung hereingehen, aber es sind nach der WHO und nach den Expertenerfahrungen dort ja Risikogruppen definiert worden. Und für die Risikogruppen ist es nötig, jetzt die Vorbereitungen zu treffen, damit die rechtzeitig geimpft werden können.

    Breker: Und mit der Schutzimpfung wäre dann die Verhältnismäßigkeit der Mittel gewahrt?

    Bahr: Ich sehe das. Ich kann den Kollegen Wodarg von der SPD da nicht verstehen. Man darf es auch nicht verharmlosen. Es ist richtig und wir können froh sein, dass es so moderat verläuft, aber wenn jetzt Herr Wodarg sich in der öffentlichen Meinung hinstellt und das alles verharmlosen will, nur weil es bisher moderat verläuft, dann birgt das zumindest die Gefahr, dass wir viel höhere Kosten haben, wenn man nicht rechtzeitig agiert und nicht rechtzeitig alles vorbereitet. Deswegen glaube ich, sind diese Schritte, die jetzt grundsätzlich unternommen werden, nötig.

    Breker: Aber der Streit um die Kosten dieser Schritte, insbesondere der Schutzimpfung, der ist doch so überflüssig wie ein Kropf?

    Bahr: Das teile ich vollkommen, Herr Breker. Der Streit, den wir im Moment erleben, der ist völlig überflüssig. Das hätte längst und dringend besprochen werden müssen. Wir haben ja die Diskussion über die Schweinegrippe-Impfung nicht erst seit ein paar Wochen, sondern die beschäftigt uns jetzt schon seit Monaten, die Debatte darüber. Und es war absehbar, dass wir die Frage klären müssen. Aber anscheinend hat das Gesundheitsministerium, hat auch die Bundesgesundheitsministerin, die Zeit nicht genutzt und hat auch in ihrer Verordnung offensichtlich noch nicht die Fragen geklärt. Denn die aktuelle Meldung der Städte und Gemeinden stimmt ja nachdenklich, die sagen, hier sind die Zuständigkeiten und auch die Finanzierungen noch nicht geklärt, obwohl nächste Woche schon im Bundeskabinett die Entscheidung getroffen werden soll.

    Deswegen fordere ich hier das Bundesgesundheitsministerium und die Ministerin auf, schnellstmöglich die Klärung zu organisieren. Das kann nicht auf dem Rücken der Patienten, das kann nicht auf dem Rücken der Versicherten ausgetragen werden, denn die - und das spüre ich in meinen Sprechstunden und in den Veranstaltungen - sind höchst verunsichert und wissen nicht, was sie tun sollen. Dabei ist ja gerade die Idee der Organisation der Impfung, dass wir die Versicherten und Patienten hier in Sicherheit und in Ruhe wiegen und nicht zusätzlich verunsichern.

    Breker: Um es klar zu benennen, Herr Bahr: Die Kosten, die entstehen, das ist zum einen der Impfstoff, dann die Aktion der Impfung selber und der Verwaltungsaufwand. Es wird gestritten, weil die Politik versäumt hat, sich mit den Betreffenden, mit den Verantwortlichen zusammenzusetzen und einen ganz klaren Plan auszuarbeiten, wer das übernehmen soll - und zwar in der Aktion selber und in der Bezahlung der Kosten?

    Bahr: Genau das ist das Problem. Das ist bis heute nicht eindeutig geklärt und das ist ja auch mein Vorwurf an das Bundesgesundheitsministerium. Das hätte man schon längst klären müssen. Es ist nicht nur Aufgabe der Krankenkassen. Ich kann die Unruhe der Krankenkassen verstehen. Es ist eine Mischaufgabe. Auch die Länder müssen sich beteiligen, und sie sind ja auch schon in Vorleistung getreten, was die Bevorratung des Impfstoffes angeht.

    Es können hier nicht alle Kosten auf die Krankenkassen überwältigt werden. Aber die Krankenkassen haben selbstverständlich - sie sind ja für Krankheit und auch für die Vorsorge von Krankheit zuständig; also haben auch die Krankenkassen Kosten zu tragen. Also auch andererseits die Strategie der Krankenkassen, jetzt alle Kosten auf den Staat abzuwälzen, das kann es auch nicht sein.

    Deswegen wäre es ja so nötig gewesen, frühzeitig alle an einen Tisch zu bringen und hier eine Aufgabenteilung vorzunehmen. Ich glaube, dass mit eine der Ursachen für diesen Streit auch das Finanzkonstrukt ist, das durch die Gesundheitsreform auf den Weg gebracht wurde. Der Gesundheitsfonds hat dazu geführt, dass die Krankenkassen nicht mehr die Flexibilität haben, dass die Krankenkassen nicht mehr die Beitragsautonomie haben, jetzt auch bei steigenden Kosten die Beiträge anpassen zu können, sondern sie geben jetzt sofort den Druck zurück an die Politik, weil die Politik ja einen staatlich festgelegten Einheitsbeitragssatz vorgesetzt hat den gesetzlichen Krankenkassen.

    Breker: Und weil die Vermeidung einer Pandemie eine öffentliche Aufgabe ist. Da sind die Gesundheitsämter schon mit einbezogen.

    Bahr: Deswegen sage ich ja: Es ist eine Mischaufgabe. Auch die Gesundheitsämter, auch die Bundesländer - völlig richtig - haben ihren Beitrag dazu zu leisten. Aber wenn die Impfung von der ständigen Impfkommission empfohlen wird - und damit ist zu rechnen -, dann ist das auch eine Leistung, die die gesetzlichen Krankenkassen zu tragen haben, denn das ist ja bei der Grippeschutz-Impfung oder bei anderen Impfungen, die von der Stiko [Ständige Impfkommission] empfohlen werden, genauso.

    Hier ist eine klassische Mischaufgabe, wo klar getrennt werden muss, welche Kosten sind von wem zu tragen. Auf eine Seite es nur abzuwälzen, das ist sicherlich das Falsche. Aber der Streit um die Finanzierung hat auch die Ursache in dem verkorksten Gesundheitsfonds, denn der bringt die Kassen in schwierige finanzielle Lage, weil man eben nicht in einem Jahr im Voraus planen kann, wie die Ausgaben für Gesundheit sein sollen, und das war die irrige Annahme dieser Koalition, dass man für ein Jahr im Voraus genau planen kann, wie die Ausgaben aussehen. Und wir sehen: Jetzt kommen unvorhergesehene Ausgaben und der Gesundheitsfonds bietet die nötige Flexibilität nicht.

    Deswegen müssen wir wieder zurückkommen zur Beitragsautonomie der Krankenversicherung, dass die in ihren Planungen auch kurzfristig die Flexibilität haben. Das haben sie im Moment nicht. Der Gesundheitsfonds muss wieder rückabgewickelt werden.

    Breker: Ja und sie werden sie vermutlich, Herr Bahr, auch nicht haben bis zu dem Zeitpunkt, wo die Schutzimpfung ablaufen soll. Also es wird hohe Zeit, dass jetzt gehandelt wird, dass geklärt wird, wer ist für was verantwortlich zuständig?

    Bahr: Genau das ist richtig. Es soll nächste Woche im Kabinett beraten werden. Ich verstehe gar nicht, warum wir vom Gesundheitsministerium hier eine so trügerische Ruhe erleben. Ich kann mich nur anschließen Herrn Vöcking von der Barmer, der ein Spitzengespräch gefordert hat.

    Das wäre schon längst nötig gewesen. Wie gesagt, die Verunsicherung in der Bevölkerung ist groß und es ist Aufgabe der Regierung, hier eine klare Aufgabenteilung vorzunehmen, wer was finanzieren soll. Es muss geteilt werden zwischen Ländern und Krankenkassen. Das kann man auch, das ist aus meiner Sicht gar nicht so schwer, sondern es liegt auf der Hand, dass hier bestimmte Aufgaben sind - und das sind die Aufgaben bei einem Pandemie-Fall der öffentlichen Sicherheit, die die Länder zu tragen haben, die der Staat zu tragen hat, und das sind die Aufgaben, die die klassischen Aufgaben einer Krankenversicherung sind, nämlich die Aktion. Die müssen die Krankenversicherungen tragen.

    Ich habe gelesen, dass auch die private Krankenversicherung ja schon längst ihr Signal gesetzt hat, sich auch daran zu beteiligen. Also sehen wir auch Bereitschaft und da ist genau diese Moderation vorzunehmen.

    Breker: Okay! Schnelle Entscheidungen waren das. Daniel Bahr, der gesundheitspolitische Sprecher der Freien Demokraten, hat sie heute Mittag im Deutschlandfunk gefordert. Herr Bahr, danke für dieses Gespräch.

    Bahr: Vielen Dank, Herr Breker.