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FDP verlangt Steuersenkungen

Die Freien Demokraten verlangen bei einer Regierungsübernahme umfassende Steuersenkungen zur Konsolidierung der Staatsfinanzen. Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sagte, ein einfacheres Steuerkonzept sei Bedingung für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen mit der Union. Die Vorschläge der FDP liefen auf Entlastungen im Umfang von 14 Milliarden Euro hinaus. Gleichzeitig habe seine Partei auch Pläne für Gegenfinanzierungen in Höhe von 26 Milliarden Euro gemacht.

Moderation: Dirk Müller |
    Dirk Müller: Angela Merkel ist die Spitzenkandidatin. Was Edmund Stoiber machen wird, ist noch nicht so ganz klar, wenn die Union gemeinsam mit der FDP die geplanten Neuwahlen gewinnen sollte. Der bayerische Regierungschef ist aber wie so oft der erste in der Union, der in dieser Phase die ersten politischen Vorgaben macht: runter mit den Steuersätzen, weg mit den steuerfreien Feiertags- und Nachtzuschlägen, Abbau der Eigenheimzulage und der Pendlerpauschale. Schon mehren sich die Stimmen in der CDU/CSU, die davor warnen, eine Politik der sozialen Kälte anzubieten. Wissen die Unionsparteien inzwischen, was sie wollen und was sie können, und was verlangen die Liberalen vom potenziellen Seniorpartner? - FDP-Parteichef Guido Westerwelle ist nun zugeschaltet. Guten Morgen!

    Guido Westerwelle: Schönen guten Morgen!

    Müller: Herr Westerwelle, schreiben Sie E-Mails an Angela Merkel?

    Westerwelle: Nein, aber gelegentlich simsen wir. Warum fragen Sie?

    Müller: Um zu erfahren, was die Union will.

    Westerwelle: Das ist Aufgabe der Unionsparteien, das miteinander zu vereinbaren und dann zu veröffentlichen. Wir als FDP haben in der Steuerpolitik - das haben Sie angesprochen - ja einen kompletten Gesetzentwurf vorgelegt mit den Steuersätzen von 15, 25, 35 Prozent. Das ist ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem. Wir haben nicht nur gesagt, wie hoch die Entlastungswirkung ist, sondern auch komplett vorgerechnet, wie man es bezahlen kann.

    Müller: Wundern Sie sich auch darüber, warum die Union jetzt immer noch nicht so weit ist klar zu sagen, wo es langgeht?

    Westerwelle: Wir sind ja als Liberale von diesen Neuwahlen nicht überrascht worden, denn wir haben ja seit Monaten bereits gesagt, wenn die beiden letzten rot-grünen Landesregierungen in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen fallen, dann müssen wir jederzeit in der Lage sein, uns auch auf Neuwahlen einzustellen. Deswegen haben wir unsere Bundesparteitage in den letzten Jahren genutzt, haben zu allen notwendigen politischen Feldern Programme beschlossen, Vorschläge gemacht, Gesetzentwürfe vorgelegt. Dass die Steuerpolitik für uns ganz besonders wichtig ist, ergibt sich ja daraus, dass das eine der entscheidenden Rahmenbedingungen ist, dass neue Investitionen in Deutschland stattfinden, dass die Verbraucher wieder Vertrauen fassen, dass die Konjunktur anspringt und dass dementsprechend so neue Arbeitsplätze entstehen können.

    Müller: Haben Sie denn mit Edmund Stoiber gesprochen, dass das, was er jetzt vorgelegt hat, ja nahezu deckungsgleich ist mit dem, was die FDP will?

    Westerwelle: Auch mit Herrn Kollegen Stoiber bin ich regelmäßig im Gespräch, aber das, was die Unionsparteien miteinander zu besprechen haben, dafür brauchen sie keinen Dritten, auch keinen Postillion d’amour bei der FDP. Entscheidend ist, dass wir als Liberale unsere Position der Erneuerung der sozialen Marktwirtschaft einbringen werden in eine mögliche Koalition, wenn wir den Wählerauftrag bekommen. Ich würde niemals sagen, dass jetzt jeder Prozentsatz von unserem Gesetzentwurf dann am Schluss auch heraus kommt, aber ich garantiere, dass ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem nicht nur eine Bedingung, sondern auch ein Ergebnis von Koalitionsverhandlungen aus Sicht der FDP sein wird.

    Müller: Was macht Sie denn, Herr Westerwelle, so sicher, dass es auf jeden Fall auf ein Reformbündnis hinauslaufen wird, vor dem Hintergrund dessen, dass jetzt auch viele Unionspolitiker sagen, wir dürfen keinen sozialen Kahlschlag betreiben?

    Westerwelle: Diese Äußerungen aus den Reihen der Union machen mir deshalb Sorgen, weil es ja das glatte Gegenteil ist, was wir vor haben. Wir sind ja der Überzeugung, die sozialste Politik ist es, dafür zu sorgen, dass in Deutschland wieder Ausbildungsplätze und Arbeitsplätze entstehen. Die Frage ist doch, wie entstehen Ausbildungs- und Arbeitsplätze. Aus unserer Sicht nur durch eine wirtschaftsfreundliche Politik, die dafür sorgt, dass die Rahmenbedingungen fürs Wachstum wieder besser werden. Insoweit ist die beste Arbeitnehmerpolitik, die man machen kann, dafür zu sorgen, dass in Deutschland investiert wird, damit Menschen, die Arbeit suchen, auch Arbeit finden. Wir machen eine bessere Arbeitnehmerpolitik als diejenigen, die mit Umverteilungsphantasien in unseren Zeiten immer noch auf Stimmenfang gehen.

    Müller: Jetzt müssen Sie, Herr Westerwelle, das aber ja auch den Wählern erklären, wie man mit leeren Staatskassen Steuersenkungen finanzieren kann.

    Westerwelle: Zunächst einmal ist es wichtig zu wissen, dass die Länder, die Steuern gesenkt haben, am Schluss höhere Staatseinnahmen hatten, weil die Konjunktur angesprungen ist. Nur über mehr Arbeitsplätze schafft man ja auch wieder mehr Steuerzahler und nur über mehr Steuerzahler und weniger Leistungsempfänger, also zum Beispiel Bezüge der sozialen und staatlichen Leistungen, ist man in der Lage, die Staatsfinanzen wieder zu konsolidieren. Die Staatsfinanzen sind auch deshalb schlecht, weil das Steuersystem zu hoch ist, zu kompliziert ist und zu ungerecht ist. Also es setzt zwei Grundregeln in jeder sozialen Marktwirtschaft außer Kraft, nämlich erstens Leistung muss sich lohnen und zweitens wer arbeitet, muss auch mehr haben als derjenige, der nicht arbeitet. Deswegen ist die Politik mehr Netto vom Brutto, und zwar für alle eine Politik, die Wohlstand für alle schafft und damit eben auch ausdrücklich in der Lage ist, die Staatsfinanzen wieder auf einen ordentlichen Kurs zu bringen.

    Müller: Aber die festgeschriebenen Haushaltskosten, also das, was im Budget fixiert ist, die laufen doch weiter. Das muss doch finanziert werden.

    Westerwelle: Und deswegen haben wir als Liberale ja in unserem Gesetzentwurf für jeden unserer Hörer, der das jetzt, wenn er möchte, im Internet sofort bei der FDP nachlesen kann, vorgerechnet wie es geht. Wir senken und entlasten etwa in 14 Milliarden Höhe. Das betrifft nicht nur den Einkommenssteuerbereich, sondern ausdrücklich auch den Unternehmenssteuerbereich, also bis hin zur Körperschaftssteuer. Umgekehrt haben wir auf der anderen Seite Gegenfinanzierungsvorschläge gemacht von etwa 26 Milliarden Euro. Das heißt wir haben mehr als solide gearbeitet und selbst wenn dann der eine oder andere sagt, diese Maßnahme will ich nicht oder jene will ich nicht, dann bleibt immer noch genügend übrig, um diesen Weg auch zu gehen.

    Müller: Das hört sich ja so an, Herr Westerwelle, als würde unter dem Strich dann noch ein Gewinn dabei herauskommen.

    Westerwelle: Wenn man das richtig macht, Herr Müller, ist es auch möglich, denn ich meine nur in deutschen Ohren wird ja die Diskussion so geführt. Unsere Nachbarländer, nehmen wir doch beispielsweise Österreich, haben ja durch eine Veränderung des Steuerrechts dafür gesorgt, dass Investitionen bei ihnen stattfinden. Dort hat man mittlerweile jetzt 4,5 Prozent Arbeitslosenquote. Bei uns sind es 12 Prozent im Winter gewesen. Das zeigt ja, mit niedrigerer Arbeitslosenquote kommen auch die Staatsfinanzen wieder in Ordnung.

    Müller: Es gibt ja auch so etwas wie eine böse Liste. Die ist dadurch definiert und gekennzeichnet, dass dort Kürzungen draufstehen. Auf welche Kürzungen muss sich der Bundesbürger einstellen?

    Westerwelle: Es wird vor allen Dingen darum gehen, dass es eine Entlastung der Bundesbürger gibt, und zwar sowohl derer, die selber unternehmerisch tätig sind, als auch der Bürgerinnen und Bürger, die als Angestellte oder als Arbeiter Steuern zahlen. Denn das sagte ich ja gerade: nur dann wird ja auch die Konjunktur wieder anspringen und dann gibt es auch wieder neue Arbeitsplätze. Ich kann das aber ganz konkret sagen!

    Müller: Bitte!

    Westerwelle: Wir haben vorgeschlagen, dass zum ersten die direkten Subventionen abgebaut werden, und zwar durch einen linearen Subventionsabbau, das heißt jedes Jahr um einen feststehenden Prozentsatz. Dann kann sich auch keiner beklagen, er sei ungerechter behandelt worden als der nächste.

    Zweitens: wir werden dafür sorgen, dass ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem auch dadurch möglich wird, dass wir die ganzen steuerlichen Ausnahmetatbbestände, die man gemeinhin als Schlupflöcher bezeichnet, abbaut. Das bedeutet, dass wir nichts ausnehmen, was es an Steuersubventionen derzeit gibt, und zwar auch gar nichts ausnehmen vor einer Wahl, denn es ist doch ganz klar: es ist besser, wir haben in Deutschland niedrigere Steuersätze, die dann aber auch tatsächlich von allen bezahlt werden müssen. Das ist jedenfalls besser, als wenn wir hohe Steuersätze haben so wie bisher mit einem komplizierten Steuerrecht, und dann guckt man, wie hat man die beste Möglichkeit, darum herum zu kommen. Das gilt ja für die Unternehmen genauso wie für die Verbraucher.

    Müller: Im einzelnen heißt das also Eigenheimzulage, Pendlerpauschale, steuerfreie Nachtzuschläge. Das verschwindet alles?

    Westerwelle: Ich sagte doch gerade: keine einzige Ausnahmemöglichkeit wird ausgenommen. Ich glaube es ist besser, wenn beispielsweise eine Krankenschwester einen einfachen, niedrigeren Steuersatz hat und damit ein höheres Auskommen hat, als wenn der eine die Möglichkeit hat, mit einem Sondertatbestand nachts sich von der Steuerlast zu befreien, andere, die zufällig darunter nicht fallen mit ihrer nächtlichen Tätigkeit, haben keine Möglichkeit, sich hier steuerfrei etwas hinzuzuverdienen. Das wird aus unserer Sicht so nicht weitergehen können. Noch mal: wer niedrigere, einfachere und gerechtere Steuersätze haben will - und das ist aus Sicht der FDP dringend notwendig, wenn Arbeitsplätze entstehen sollen -, der kann nicht einen einzigen Ausnahmetatbestand, kein Schlupfloch, keine Vergünstigung, vor einer Wahl ausnehmen. Das wäre unehrlich.

    Müller: Und derjenige, Herr Westerwelle, der Hartz IV reformiert haben will hin zu mehr sozialer Gerechtigkeit, muss der auch die FDP wählen?

    Westerwelle: Ich glaube, dass Hartz IV, so wie es jetzt gemacht worden ist, einen entscheidenden Konstruktionsfehler hat. Das hat ja die FDP auch immer wieder gesagt. Solange man sich - und das ist das Problem der Regierung - nur damit beschäftigt hat, wie man Arbeitslosigkeit besser und effizienter vermitteln und verwalten kann - und das ist im Kern ja durchaus auch notwendig -, solange man aber gleichzeitig darauf verzichtet, eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik durchzuführen, die dann auch dafür sorgt, dass überhaupt neue Arbeitsplätze entstehen, solange hat man nichts, in was man hineinvermitteln kann. Wie wollen sie beispielsweise in Ostdeutschland oder in Gelsenkirchen im Ruhrgebiet, wie wollen sie bei einer Arbeitslosenquote von 25 Prozent sagen, wir vermitteln euch jetzt besser. Es gibt nichts zu vermitteln und deswegen ist das Entscheidende, dass durch eine wachstumsorientierte Wirtschaftspolitik überhaupt wieder freue und neue Arbeitsplätze entstehen. Das geht nur, wenn man die Strukturreformen auch anpackt. Dazu zählt ein niedrigeres, einfacheres und gerechteres Steuersystem.

    Müller: Frage, Herr Westerwelle, ist ja auch, wie viel Geduld die Betroffenen bei Hartz IV noch haben werden. Finden Sie es denn gerecht, dass ein 55jähriger nach einer bestimmten Laufzeit eben dieselben Sätze bekommt wie jemand, der nur 5 oder 10 Jahre gearbeitet hat?

    Westerwelle: Das ist ja jetzt zur Zeit in der Diskussion und wir müssen dabei auch sorgfältig unterscheiden, was der Kern dieser Arbeitslosenversicherung ist. Ich werde mit Sicherheit eine Sache jetzt nicht aufmachen, nämlich neue Leistungen anbieten in einer Bundestagswahl. Selbst wenn der eine oder andere Punkt korrigiert werden muss, ist es meines Erachtens nicht seriös, wenn jetzt Politiker hingehen und glauben, dass Wählerstimmen dadurch zu gewinnen sind, indem man schon wieder großartige Versprechungen macht, was man alles wieder an staatlichen Leistungen zusätzlich bezahlen will. Die sollen eines nicht vergessen dabei: Alles was die Politik ausgibt an Staatsgeldern, hat sie irgendwo her: entweder aus Schulden gemacht und dann zu Lasten de rnächsten Generationen, oder von den Steuern genommen, denn alles, was Politiker ausgeben, haben vorher Arbeitnehmer erst mal erarbeitet.

    Müller: Wird es weniger Leistungen geben?

    Westerwelle: Ich glaube es wird unterm Strich die Chance geben, genauso wie in den 50er und 60er Jahren, wenn die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt werden, Wohlstand für alle wieder zu vergrößern. Nur wenn wir das schaffen, dass wir begreifen, wir brauchen wieder eine neue Gründerzeit, in der es eben nicht zuerst um das Verteilen geht, sondern zuerst einmal wieder um das Erwirtschaften, dann haben wir meines Erachtens eine Chance, das als Wirtschaftswunder zu erleben, was ja andere europäische Staaten geschafft haben. Warum sollen die schaffen, was wir nicht können? Wir können das auch!

    Müller: FDP-Parteichef Guido Westerwelle war das. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.

    Westerwelle: Auf Wiederhören!