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FDP will "saubere Stabilitätskriterien" für Europa

"Wir sind eine europafreundliche Partei," entgegnet Birgit Homburger den Kritikern der FDP. Man wolle aber nicht einfach die Schulden anderer Länder bezahlen. Ihre Partei wolle für Europa strengere Stabilitätskriterien und eine Insolvenzordnung für Staaten.

Birgit Homburger im Gespräch mit Peter Kapern | 20.09.2011
    Peter Kapern: Klarer Fall: Die große Presseschau läuft bei uns im Deutschlandfunk zwischen 7:05 Uhr und 7:15 Uhr. Aber ein paar weitere Zitate aus den heutigen Kommentaren sind trotzdem ganz hilfreich für das gleich folgende Interview, zum Beispiel diese. Mannheimer Morgen: "Die Liberalen sind personell wie programmatisch am Ende." – Emder Zeitung: "Die FDP ist momentan weit davon entfernt, überhaupt regierungsfähig zu sein." – Westdeutsche Allgemeine: "Rösler sieht aus, als laufe ein Film vor ihm ab, der seiner eigenen Demontage." – Neue Westfälische: "Dass Schwarz-Gelb auf Bundesebene zur Harmonie zurückfindet, glauben wirklich nur noch notorische Berufsoptimisten." – Und zum Schluss die Lausitzer Rundschau: "Als Traumkoalition waren sie angetreten, ein politischer Albtraum sind sie schon jetzt."
    Vor der Sendung habe ich die erste stellvertretende Vorsitzende der FDP, Birgit Homburger, gefragt, ob sie so etwas Verheerendes schon jemals über die eigene Partei und die eigene Regierung gelesen hat.

    Birgit Homburger: Ich sehe in der Tat, dass wir in einer sehr schwierigen Situation sind, als FDP, aber auch als Regierungskoalition in Berlin. Wir haben schwierige Herausforderungen vor uns und die werden wir gemeinsam bewältigen müssen.

    Kapern: Wie denn?

    Homburger: Indem wir die Probleme, die vor uns liegen, angehen, und ich möchte zunächst einmal schon festhalten, dass das, was an Herausforderungen auf diese Regierung zugekommen ist, natürlich vor der Bundestagswahl nicht erkennbar war und dass es eine Dimension hat und eine Bedeutung hat, die ihresgleichen in den vergangenen 20 Jahren sucht.

    Kapern: Aber damit umzugehen, dafür werden ja Regierungen gewählt!

    Homburger: So ist es, und deshalb haben wir auch innerhalb der Bundesregierung, innerhalb der Koalition eine Linie zu diesen Fragen abgestimmt, und ich denke, wir sind da nicht so weit auseinander, wie es in der Öffentlichkeit ausschaut. Wir haben eine klare Haltung zu Griechenland, wir haben deutlich gemacht, dass wir bereit sind, für den Euro etwas zu tun, dass wir bereit sind, ihn zu unterstützen, weil wir wissen, dass wir wirtschaftlich, aber auch von den Arbeitsplätzen stark mit dem Euro verbunden sind und vom Euro profitiert haben. Aber das kann nicht heißen, dass es deshalb den Weg in eine Schuldenunion gibt, sondern es muss den Weg in eine Stabilitätsunion geben, und genau für eine solche Stabilitätsunion kämpft die FDP.

    Kapern: Aber Frau Homburger, wir müssen doch mal Folgendes festhalten: Da ist ein Parteivorsitzender, nämlich Guido Westerwelle, ausgewechselt worden und eine Fraktionsvorsitzende, nämlich Sie, ist aus dem Amt gekippt worden, und das Ergebnis ist, die FDP holt heute nicht mehr drei, sondern nur noch 1,8 Prozent. Wie bewerten Sie das?

    Homburger: Als wir im Mai beim Bundesparteitag eine Neuaufstellung vorgenommen haben, da war uns allen klar, dass das nicht von heute auf morgen zu einer Verbesserung führt, sondern dass wir einen langen Weg vor uns haben. Vertrauen, das verspielt worden ist, das verspielt man schnell, aber es dauert eine ganz lange Zeit, bis man dieses Vertrauen wiedergewonnen hat. Das geht nur durch solide, seriöse Arbeit, durch klare Positionen und dadurch, dass wir deutlich machen, dass wir unserer Verantwortung für Deutschland gerecht werden, und das ist genau die Linie, die die Partei auch eingeschlagen hat, und wir werden gemeinsam mit der CDU/CSU dann auch im Bundestag diese Linie auch beschließen, auch mittragen, und es wird für die Abstimmung zum EFSF in der nächsten Woche im Deutschen Bundestag auch eine eigene Mehrheit der Koalition geben, dabei bin ich ganz sicher.

    Kapern: Aber Frau Homburger, ist Ihnen an den Wahlabenden Mecklenburg-Vorpommern, Berlin, als Sie dann die Hochrechnungen gesehen haben, nie der Gedanke gekommen, es war falsch, mich als Fraktionsvorsitzende abzulösen?

    Homburger: Wissen Sie, Herr Kapern, es macht jetzt keinen Sinn, noch irgendwelche Personalspekulationen, irgendwelche Personalfragen zu diskutieren. Wir haben eine Entscheidung getroffen. Ich habe seinerzeit die Entscheidung getroffen, dass ich nicht wieder für den Fraktionsvorsitz antrete und damit den Weg freimache für eine Neuaufstellung. Ich habe eine andere Aufgabe in der Führung der Partei übernommen als stellvertretende Bundesvorsitzende. Das ist eine Entscheidung, zu der ich stehe und die wir damals getroffen haben. Und jetzt müssen wir gemeinsam nach vorne schauen, dass wir vor allen Dingen geschlossen eine klare Linie vertreten, und ich bin überzeugt davon, wenn wir uns an dem orientieren, was die Bürgerinnen und Bürger bewegt – und dazu gehört die Frage einer stabilen Währung -, dann werden wir auch verloren gegangenes Vertrauen wiedergewinnen.
    Im Übrigen möchte ich an dieser Stelle auch noch mal deutlich machen: Wir wären heute nicht in einer so schwierigen Situation, in der wir jetzt sind, wenn nicht seinerzeit eine rot-grüne deutsche Regierung unter Führung von Herrn Schröder und Herrn Fischer die Stabilitätskriterien in Europa zurückgeschraubt hätte und damit auch ein Stück weit diese Situation heute verantwortet.

    Kapern: Frau Homburger, Sie geben die Parole aus für den künftigen Erfolg der FDP, und diese Parole lautet "weiter so". Was macht Sie glauben, dass das reichen kann?

    Homburger: Es geht nicht um einfach "weiter so", sondern es geht darum, dass wir an Positionen, die wir inhaltlich richtig finden, auch festhalten. Nochmals: Das Thema Euro beschäftigt die Menschen und es beschäftigt die Menschen vor allen Dingen deshalb, weil sie wissen wollen, ob ihre Währung stabil bleibt, und das ist die große Herausforderung, die wir haben, das ist das, wofür wir kämpfen, dass es eben nicht zu einer Schuldenunion kommt, dass es nicht zu einer Situation kommt, dass Schulden anderer Länder einfach bezahlt werden. Das ist ja genau das Konzept von Rot-Grün in Deutschland, dieses Konzept wollen wir nicht gehen, sondern es gibt einen schwierigeren Weg, aber den halten wir für richtig, nämlich den Weg, klare, saubere Stabilitätskriterien zu verankern in Europa, dann auch Mechanismen einzubauen, um das zu kontrollieren und sicherzustellen, dass solche Kriterien auch eingehalten werden. Und nicht zuletzt ist es auch notwendig, dass wir ein Instrumentarium brauchen für den Umgang mit einer solchen Situation, nämlich dass wir auch eine Gläubigerbeteiligung brauchen und eine Insolvenzordnung für Staaten. Das ist eine Forderung, die die FDP schon beim ersten Griechenland-Hilfspaket im Deutschen Bundestag formuliert hat und die immer noch unsere Position ist, und wir sind von führenden Wirtschaftswissenschaftlern in der letzten Woche hier auch unterstützt worden. Die haben ausdrücklich auch gesagt, dass sie die Haltung des Bundeswirtschaftsministers Philipp Rösler unterstützen.

    Kapern: Aber Wirtschaftswissenschaftler reichen nicht für den Wahlerfolg. Als Sammelbecken der Euro- und Europaskeptiker war die FDP am letzten Sonntag einfach nicht erfolgreich, Frau Homburger. Das muss man doch anerkennen.

    Homburger: Es geht doch überhaupt nicht um ein Sammelbecken für irgendwelche Euro-Skeptiker. Wir sind eine europafreundliche Partei, und ich habe deutlich gerade eben schon gesagt, dass wir zum Euro stehen, dass wir wissen, dass der Euro für die deutsche Wirtschaft, für die Arbeitsplätze wichtig ist, und deswegen wollen wir einen stabilen Euro. Aber die Tatsache, dass wir für diesen Euro sind, heißt noch lange nicht, dass es deshalb einfach nur so sein muss, dass wir jetzt hergehen und die Schulden anderer Staaten übernehmen und von Deutschland aus und von anderen Geberländern zahlen. Das wäre genau der falsche Weg. Wir wollen auch gegebenenfalls eine Insolvenzordnung für Staaten. Wenn sie ein solches Instrumentarium nicht schaffen, dann werden sie auf Dauer beliebig erpressbar durch diejenigen, die die Lage anders einschätzen als wir.

    Kapern: Der Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag, Hans-Ulrich Rülke, der Fraktionschef der Liberalen dort – den werden Sie kennen, Frau Homburger -, der hat gesagt, dass es ganz offensichtlich ist, dass Frau Merkel wenig Interesse daran hat, die Koalition zum Erfolg zu führen. Sehen Sie das auch so?

    Homburger: Wir haben den Willen zum gemeinsamen Erfolg als Koalition, das haben wir immer wieder deutlich gemacht, und ich bin überzeugt davon, dass die Koalition hier in Berlin auch gemeinsam Erfolg haben wird. Wir haben eine Linie als FDP eingeschlagen, die wir in weiten Teilen zwischenzeitlich auch Konsens nennen können in der Koalition, und ich bin überzeugt davon, dass wir diese Linie auch gemeinsam fortsetzen werden.

    Kapern: Kommt irgendwann für Sie der Punkt, an dem die FDP aus der Koalition raus muss, um sich in der Opposition auf ihr politisches Überleben zu konzentrieren?

    Homburger: Ich halte das für eine sehr skurrile Diskussion. Wissen Sie, im Augenblick begegnen wir großen Herausforderungen in Europa und da muss ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland handlungsfähig sein.

    Kapern: Ein Trennungspapier wie das Lambsdorff-Papier von 1982, das wird 2011, 2012 garantiert nicht geschrieben werden?

    Homburger: Es gibt keinen Grund für diese Spekulationen. Nochmals: wir haben große Herausforderungen, diese Herausforderungen stehen im Zentrum unserer Arbeit. Es geht jetzt darum, dass wir diesen Herausforderungen begegnen, dass wir Lösungen finden, dass wir zu einer Stabilitätsunion kommen und dass wir für die Bundesrepublik Deutschland, für die Menschen in diesem Land, aber auch für ganz Europa eine gute Zukunft schaffen, und das ist das, was wir gemeinsam erreichen wollen, und ich bin überzeugt, dass wir das auch gemeinsam schaffen.

    Kapern: Ein Gespräch mit Birgit Homburger, der stellvertretenden Vorsitzenden der FDP.

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