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FDP wird Vertrauensfrage mit "Ja" beantworten - Für illegale Spenden an die CDU gibt es bisher keine Beweise

11.09.2000
    Wagener: Die hessische FDP-Spitze will trotz der CDU-Finanzaffäre und aller Mahnungen aus der Bundes-FDP an der Koalition unter Führung von Ministerpräsident Roland Koch festhalten. So heißt es übereinstimmend in den Agenturen. Damit unterstützte der hessische Parteivorstand am Wochenende die Position der Landtagsfraktion und der FDP-Landeschefin Ruth Wagner. Koch, der sich morgen im hessischen Landtag einer Vertrauensabstimmung stellen will, darf damit also auch auf die liberale Unterstützung zählen, weiterhin zählen. Dessen ungeachtet nimmt der Druck auf Hessens Ministerpräsident Roland Koch. Mit 5,1 Prozent knapp über der Hürde, die zum Einzug ins Parlament nötig ist, regieren die hessischen Liberalen seit 1999 überglücklich mit, wie der "Spiegel" heute eindeutig sarkastisch bemerkt. Wie groß die Lust am Regieren mit Ronald Koch noch ist, soll uns nun die Chefin der Hessen-FDP sagen, mit der wir nun verabredet sind. Guten Morgen Ruth Wagner!

    Wagner: Guten Morgen Herr Wagener.

    Wagener: Frau Wagner, am Wochenende erlebten wir als Beobachter in Gießen so etwas wie die Beweisumkehr auf Seiten Ihrer Partei. Roland Koch soll jetzt belegen, dass er von der Schwarzgeld-Affäre nichts wusste. Vorher hatte er so etwas wie einen Vertrauenspersilschein. Täuscht der Eindruck?

    Wagner: Nein, das ist ja nicht wahr. Sowohl die Beurteilung des "Spiegel" ist sehr merkwürdig. Der "Spiegel" hat mich nicht gefragt, wie meine Gefühle beim Regieren sind, ob ich überglücklich, glücklich oder sonst was bin. Das sind alles Erfindungen von Leuten, die nie mit mir geredet haben. Das zweite ist: Es gibt überhaupt keine Beweisumkehr. Wir tun das, was der Landesparteitag uns gemeinsam auferlegt hat, nämlich die CDU aufzufordern, entweder selbst, was sie kann, ihren Finanz- und Parteiskandal aufzuklären. Das hat sie in Teilen in den letzten Wochen getan, indem sie zum Beispiel selbst die Akten, die ihr von der Staatsanwaltschaft überlassen worden sind, gesichtet hat und uns mitgeteilt hat, wo sie Probleme sieht. Daraufhin haben wir erst diese Dinge beurteilt. Wir haben zweitens den Auftrag unseres Parteitages, im Untersuchungsausschuss die Vorwürfe endgültig zu klären, und daran arbeiten wir mit. An dem Auftrag hat sich also überhaupt nichts verändert.

    Wagener: Aber Sie werden zugeben müssen, dass die Situation schlechter geworden ist im Vergleich zu einigen Wochen vorher?

    Wagner: Sie ist insofern schlechter geworden, als das eingetroffen ist, was sich möglicherweise in den letzten Tagen und Wochen verdichtet hat, dass nämlich Widersprüche für ein Kabinettsmitglied in den Aussagen, die Herr Jung beim Berliner Untersuchungsausschuss getroffen hat, und dem, was uns an Akten vorgetragen worden ist und was sich offensichtlich jetzt nicht aufklären lässt, festgestellt worden sind. Das hat sich geändert, und deshalb haben wir der CDU die Empfehlung gegeben, dass Herr Jung daraus die persönlichen Konsequenzen zieht. Das ist einmütig vom Landesvorstand gebilligt worden und ich glaube, dass diese Haltung richtig ist. Daran können auch einzelne Stimmen aus anderen Landesverbänden nichts ändern.

    Wagener: Mal unabhängig davon, wie die Sache nun weitergeht. Das bisher bekannte, illegale Spenden wurden in den Haushalt eingespeist, ein Kassenbuch wurde vernichtet und ein neues wieder angelegt, reicht doch eigentlich für eine Koalitionsaufkündigung?

    Wagner: Erstens wissen Sie und ich nicht, ob es illegale Spenden sind. Das behaupten Sie jetzt. Das ist nicht bewiesen. Zweitens hat für diese Manipulation des Anlegens neuer Kassenbücher derjenige, der das gemacht hat, die Konsequenzen ziehen müssen. Das war der Generalsekretär Müller. Daraufhin ist er sofort entlassen worden.

    Wagener: 200.000 Blatt Dokumente und Vernehmungsprotokolle der Justiz sind noch nicht beim Untersuchungsausschuss gelandet. Sie sind noch bei der CDU. Wann werden Sie denn Einblick nehmen können?

    Wagner: Nein, die sind nicht bei der CDU. Das ist auch falsch. Sie sind nicht informiert. 15.000 Blatt von den 200.000 sind von der Staatsanwaltschaft an den Eigentümer, bei dem es beschlagnahmt wurde, zurückgegeben worden.

    Wagener: Also bei der CDU?

    Wagner: Ja. Und wir haben gemeinsam vorgeschlagen, übrigens mit Stimmen von SPD und Grünen - das war ein Vermittlungsvorschlag der FDP -, dass diejenigen Akten, die wirklich relevant sind, von einem Amtsrichter in Wiesbaden sortiert werden. Das macht er seit letzter Woche. Das sind immerhin 15.000 Blatt. Diese sollen unverzüglich an den Untersuchungsausschuss gegeben werden. Das was die Grünen zum Beispiel beantragt haben, nämlich dass sämtliche Unterlagen, etwa alle Unterlagen der Abrechnung von Ortsverbänden der CDU auch an den Untersuchungsausschuss gegeben werden, das ist schlicht verfassungswidrig. Wir brauchen auch im Untersuchungsausschuss ordentliche Verfahren. Das heißt nur die Akten, von denen die Staatsanwaltschaft und der Amtsrichter, der das untersucht, sagen, die sind wirklich relevant für die Untersuchung, die sollen so schnell wie möglich an den Untersuchungsausschuss und nicht die allgemeine Korrespondenz der CDU.

    Wagener: Werden Sie von der CDU auf dem laufenden gehalten, was in diesen Akten drin steht? Sind Sie mit der Kommunikation zufrieden?

    Wagner: Ja, das hat doch dazu geführt, dass wir am Mittwochmorgen informiert worden sind und daraus unsere Konsequenzen gezogen haben. Das heißt wir haben die CDU seit dem Frühjahr aufgefordert, uns zu informieren. Wir müssen uns darauf verlassen, dass das geschieht, aber das reicht nicht aus. Wir wollen so schnell wie möglich im Untersuchungsausschuss die relevanten Akten haben, um uns selbst ein Bild machen zu können. Wir besitzen keine Akten, wie alle anderen Abgeordneten auch nicht. Die Entscheidung, so ist unser Auftrag, unseres Parteitages wird dann sein. Wenn alle Dinge im Untersuchungsausschuss aufgeklärt sind, werden wir das bewerten und danach unsere Konsequenzen ziehen.

    Wagener: Morgen ist ja nun die namentliche Abstimmung. Wäre bei einer Geheimwahl Roland Koch fällig?

    Wagner: Wieso meinen Sie das?

    Wagener: Na ja, es gibt eine namentliche Abstimmung. Das ist natürlich sehr viel mehr Transparenz.

    Wagner: Das ist aber die Verfassungslage und daran halten wir uns. Die Vertrauensfrage ist eine Frage, die die FDP mit "ja" beantworten wird, denn wir haben den Eindruck, dass das, was diese Landesregierung mit Herrn Koch und mir getan hat, etwas ist, was dem Land gut tut. Wir haben dafür gesorgt, dass die Unterrichtsversorgung erheblich verbessert wird, auch qualitativ. Ich habe dafür gesorgt, dass wir in den Hochschulen mehr Geld zur Verfügung haben. Wir haben die Flughafenentscheidung vorbereitet. In Hessen werden endlich wieder Straßenbauten vorangetrieben. Das sind alles Erfolge, die die Menschen sehen. Dafür sind wir gewählt worden. Dafür haben wir eine Legitimation. Wir haben nicht nur eine Verpflichtung gegenüber unserer Partei, sondern gegenüber unseren Wählern, die uns für vier Jahre gewählt haben.

    Wagener: Frau Wagner, Sie haben es ja im Moment nicht nur nicht leicht mit Ihrem Koalitionspartner, sondern auch mit der eigenen Partei, und zwar mit den Landesverbänden wie auch mit der Bundes-FDP. Ist Ihnen der Druck zu groß?

    Wagner: Mit einigen, das gilt ja nicht für alle. Es gab einige, die sich geäußert haben.

    Wagener: Viele wichtige!

    Wagner: Es gab ganz andere, die uns sehr wohl anders als im Frühjahr gesagt haben, ihr macht es richtig. Dann war die gelbe Karte. Das muss die CDU wissen und damit müssen wir umgehen.

    Wagener: Noch in diesem Jahr soll ja das Wahlprüfungsverfahren abgeschlossen werden, eine Entscheidung darüber, ob die Wahl der CDU/FDP-Regierung 1999 aufgrund der bisher bekannten Schwarzgeldbewegung bei der CDU überhaupt als legal angesehen werden kann. Neuwahlen drohen also obendrein noch. Rechnen Sie damit, dass es so weit kommen wird?

    Wagner: Das ist schwer zu beurteilen. Wir haben ja nun endlich eine Entscheidung, dass dieses Wahlprüfungsgericht kein Gericht ist. Ich habe eigentlich die Diskussionen begonnen, weil mir völlig unklar erschien, dass Mitglieder eines Gerichtes Abgeordnete sind, also sowohl der ersten wie der dritten Gewalt angehören und über ihre eigenen Entscheidungen sozusagen zu befinden haben, also über ihre eigene Wahl. Unser Staatsgerichtshof hat in den letzten Wochen nun entschieden, es ist ein Parlamentsausschuss, aber es gibt dagegen die Möglichkeit, ein Gericht anzurufen in der Revision. Von daher sind die Verfahren sicher länger. Wenn diese Verfahren abgeschlossen sind, stellen wir uns dem. Das ist überhaupt keine Frage.

    Wagener: Die hessische FDP-Landeschefin Ruth Wagner war das zum Stand der Dinge in der Schwarzgeld-Affäre der CDU in Wiesbaden. - Haben Sie recht herzlichen Dank für das Gespräch.

    Link: Interview als RealAudio