Fechten hat das Image einer elitären, weißen Sportart. Degenfechterin Alexandra Ndolo möchte das ändern, wie sie im Dlf-Sportgespräch erläutert. Die Tochter einer Polin und eines Kenianers gewann 2019 bei den Europameisterschaften die Bronzemedaille im Einzel, zwei Jahre zuvor die Silbermedaille. Ndolo sagt: "Es ist mir wichtig zu zeigen, dass ein Sport, der früher eher als elitär angesehen wurde, heute Diversität mit sich bringt." Warum Fechten noch immer eine vorwiegend "weiße Sportart" ist, vermag Ndolo nicht zu sagen. Aber: "Ich hoffe einfach, dass ich hier in Deutschland der Anfang sein kann." Sie hoffe, dass sie zeigen könne, dass sich Fechten nicht "nur reiche Menschen mit einem gewissen Hintergrund leisten können".
Verletzende Erfahrungen mit Rassismus
Die gebürtige Bayreutherin weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, als schwarze Person in Deutschland zu leben. Auch, wenn sie selten Erfahrung mit Alltagsrassismus mache. "Nichtsdestotrotz bin ich stark getroffen, wenn es dann passiert. Ich sehe mich als Deutsche. Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen und habe hier mein Abitur gemacht. Ich bin zwar auf meinen Migrationshintergrund stolz und bin mir der Kultur meiner Eltern sehr bewusst und trage die im Herzen. Aber ich sehe mich als Deutsche. Ich starte auch für Deutschland und deswegen ist es auch sehr verletzend, wenn mir jemand das Deutschsein abspricht."
Ndolo schildert eine Begegnung am Düsseldorfer Flughafen, wo sie vor einigen Jahren zu einem sogenannten Vor-Fechten antrat, um so Passanten möglicherweise für den Fechtsport zu begeistern. "Dort haben Eltern mit einem kleinen braunen Mädchen länger zugeguckt und hinterher haben wir uns unterhalten. Sie sagten: 'Mensch, wir hätten uns gar nicht vorstellen können, dass unsere Tochter das auch machen kann.' Und dann haben sie darüber nachgedacht, weil ich sie ermutigt habe. Ich hoffe, dass ich da ein Vorbild sein kann", erzählt Ndolo.
Nicht-schwarzen Deutschen fehle das Bewusstsein
In den sozialen Medien teilt Ndolo ihre eigenen Erfahrungen mit Rassismus und die Erfahrungen anderer Menschen. "Ich habe gemerkt, dass es vielen nicht-schwarzen Deutschen gar nicht bewusst ist", sagt sie. "Die verstehen diese Art zu denken gar nicht und erfahren diese rassistischen Übergriffe auch nicht. Da bin ich quasi die Schnittstelle, weil ich erzählen kann, wie es ist, mit dunkler Hautfarbe durch Deutschland zu laufen." Dennoch betont sie: "Ich sehe mich als Athletin und nicht als politische Aktivistin."
Engagiert ist Ndolo vor allem in Kenia, der Heimat ihres Vaters. Dort hat sie den kenianischen Fecht-Verband gegründet. Mittlerweile sind 30 Athleten in dem Verband organisiert. "Immer wenn ich mit meiner Familie in Kenia war und erzählt habe, was ich mache, wurden die Augen groß und es kamen viele Fragen. Dann dachte ich mir: 'Gut, dann baue ich hier etwas auf.'". Mittlerweile ist der kenianische Fechtverband Teil des Welt-Fechtverbandes. Ndolo arbeitet dafür, dass der Fechtsport in Kenia künftig nicht mehr über Spenden finanziert: "Auf lange Sicht möchte ich, dass sich ein System in Kenia aufbaut, das sich selbst erhalten kann. Ich halte eher etwas von Hilfe durch Selbsthilfe als davon, 'stumpf' Geld nach Afrika zu schicken."
Absoluter Olympiafan
Zur Verschiebung der Olympischen Spiele in diesem Jahr sagt Alexandra Ndolo, dass dies zwar schade, aber nachvollziehbar sei. "Wenn es eine Pandemie gibt, kann sich der Sport natürlich nicht rausnehmen. Es sei wichtig gewesen zu wissen, dass die Spiele in Tokio nicht abgesagt, und auf welches Datum sie verschoben werden. Damit könne man arbeiten. Sie habe die Olympischen Spiele erstmals mit zehn Jahren im Fernsehen gesehen und sei trotz der Kritik am IOC "absoluter Olympiafan". Sie räumte aber ein, dass sie möglicherweise etwas anderes sagen werde, wenn sie einmal teilgenommen habe.
Ndolo ist Sportsoldatin und studiert nebenbei Wirtschaftspsychologie. Nach ihrer Karriere könnte sie sich vorstellen, im Fechten zu bleiben. Allerdings eher nicht als Trainerin, "weil wir elf Monate im Jahr unterwegs sind, das würde ich meiner Familie vielleicht nicht antun." Zur Konkurrenzfähigkeit der deutschen Mannschaft sagte Ndolo, sie sei Vollprofi, studiere aber nebenbei noch. In anderen Nationen wie China, Südkorea oder Russland machten die Profis ab 16 Jahren nichts anderes mehr. "Es ist schwer da mitzuhalten, obwohl ich bis zu 26 Stunden pro Woche trainiere", so die Degenfechterin.
Ndolo beklagt mangelnde Wertschätzung für den Sport
Ndolo kritisierte die mangelnde Aufmerksamkeit, die ihrer und anderer Sportarten zuteil werde: "Ich habe manchmal das Gefühl, dass in Deutschland der Sport einfach nicht mehr den Stellenwert hat", sagte sie. Sie trete im Namen Deutschlands im Ausland an und habe das Gefühl, sie komme zurück und niemand habe das mitbekommen. In Frankreich und Italien sei die Wertschätzung höher, da bekomme man zwar auch wenig Geld, aber mehr Aufmerksamkeit. Sie selbst habe eine "ziemlich starke intrinsische Motivation", aber: "Ich kann schon den ein oder anderen verstehen, der sagt, wieso mache ich das denn hier, für eine Nation, die das überhaupt nicht interessiert. Das ist ja nicht nur im Fechtsport so." X-fache Weltmeister kenne hierzulande niemand. Ndolo betonte, es wäre schön, wenn der mediale Fokus breiter auf mehr Sportarten wäre. Wenn sie gefragt werde, wann man ihren Sport im Fernsehen angucken könne, "dann muss ich jedes Mal sagen, 'sorry, alle vier Jahre bei Olympia, sonst werde ich nicht übertragen.'"
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