Archiv


Fehlendes Frühwarnsystem und Katastrophenschutz schuld an hohen Opferzahlen

Stefan Heinlein: Gibt es einen Schutz gegen diese Urgewalt der Natur?

Moderation: Stefan Heinlein |
    Wolf Dombrowsky: Also diese Frage ist nicht eindeutig mit "Ja" oder "Nein" zu beantworten. Im Prinzip ist es so, dass wohlhabendere Gesellschaften immer besser in der Lage sind, durch Warneinrichtungen und entsprechende Schutzbauten zu schützen, und dass eben arme Gesellschaften zu genau diesen Investitionen oft nicht in der Lage, aber manchmal auch nicht willens sind.

    Heinlein: Was hätte denn mit einem besseren Frühwarnsystem verhindert werden können?

    Dombrowsky: Tatsache ist, dass dieses Seebeben ja schon viele Stunden vor dem Eintreffen der Flutwelle bekannt war und dass amerikanische und pazifische Messstationen dieses Beben registriert und auch versucht haben, alle möglicherweise betroffenen Regionen zu informieren, und dass eben in den jetzt so stark betroffenen Ländern genau diese Informationen nicht entsprechend aufgenommen werden konnten. Es gab dort keine Katastrophenschutzzentralen, keine Ansprechpartner und eben auch kein vernünftiges Warnsystem.

    Heinlein: Fehlt es da an politischen Willen oder schlicht und einfach an Geld?

    Dombrowsky: Auch das ist nicht so einfach zu beantworten. Es ist immer eine Frage der Prioritäten, die dort gesetzt werden. Also im Prinzip müsste man ja sagen, dass solche Gebiete, in denen viel Tourismus ist, an denen ja auch gut verdient wird, dass man sich nicht zu schade sein sollte, sollte Systeme zu installieren und dafür auch Investitionen vorzunehmen. Dafür wäre das Geld ja da, und es würde sich auch lohnen, denn die Ausfälle jetzt durch diese enorme Katastrophe werden ja ökonomisch gewaltig sein. Von daher hätte man es tun können, aber man hat andere Prioritäten gesetzt.

    Heinlein: Sind also die Verantwortlichen, die Regierungen in den betroffenen Ländern quasi sehenden Auges in diese Katastrophe gegangen? Haben sie leichtfertig agiert durch ihren Verzicht auf diese ausreichenden Frühwarnsysteme, die es ja in den USA oder auch in Japan durchaus gibt?

    Dombrowsky: Also leichtfertig ganz sicher nicht, denn es wird immer eine Art Nutzenabwägung vorgenommen und gesagt, na ja, das wird wohl so selten sein, dass wir davon nicht betroffen sein werden, von daher investieren wir unsere Gelder in wichtigere Dinge. Wenn Sie einmal im historischen Atlas gucken, dann ist diese Auswirkung ja doch tatsächlich sehr selten gewesen. Das heißt also, man geht das Risiko ein und sagt, für so seltene Dinge nehmen wir nicht diese hohen Investitionen vor. Das ist eigentlich normal; so reagieren wir Menschen, und wenn es dann passiert, sind wir hinterher alle mehrfach betroffen.

    Heinlein: Müssen die Regierungen in den betroffenen Ländern jetzt die entsprechenden Lehren aus dieser Katastrophe ziehen? Wird es vielleicht sogar mit internationaler Hilfe den Aufbau eines entsprechenden Frühwarnsystems geben müssen?

    Dombrowsky: Ja, ich denke ohnehin, dass wir angesichts dieser Katastrophendimensionen uns von dem Gedanken verabschieden müssen, dass das sozusagen von einzelnen Staaten oder einzelnen gesellschaftlichen Gruppen bewältigt werden kann. Hier müssen sozusagen internationale Zusammenschlüsse erfolgen. So etwas gibt es beispielsweise auch in Europa. Die südeuropäischen Länder haben sich ja auch zusammengeschossen und gemeinsam im Mittelmeerraum ein Warnsysteme aufgebaut. Das heißt, hier muss international und letztlich global ein gemeinsames Erdwarnsystem aufgebaut werden.

    Heinlein: Bewältigt werden müssen auch die Folgen dieser schrecklichen Katastrophe. Die internationale Hilfe ist angelaufen. Wie muss sie funktionieren, damit den Menschen vor Ort tatsächlich geholfen werden kann?

    Dombrowsky: Ja, einmal gibt es ja längst auf der internationalen suprastaatlichen Ebene Institutionen, von den Vereinten Nationen bis hin zur Weltgesundheitsorganisation, die solche Hilfen organisieren, koordinieren und auch entsprechend bündeln. Zugleich gibt es natürlich immer, vor allen Dingen in den wohlhabenden Staaten, eine Reihe von Organisationen, die mit großem Engagement aber auch mit einem gewissen Willen, unbedingt in das Gebiet hineinzuwollen, helfen zu wollen, derart handeln, dass vieles individuell, unkoordiniert und punktuell passieren wird. Im Grunde genommen müssen wir auch hier zu globalen Einrichtungen kommen, wo koordiniert und zentralisiert geholfen werden kann.

    Heinlein: Anders als vor einem Jahr im iranischen Bam ist diesmal ja ein riesiges Gebiet betroffen, sechs bis acht Länder. Ist dies eine Erleichterung oder eine Belastung für die internationale Hilfe?

    Dombrowsky: Zunächst einmal macht das deutlich, dass eine internationale koordinierte Hilfe nötig ist, weil man ja auch hier Prioritäten setzen muss, welches Gebiet ist am stärksten betroffen, wo muss man zuerst hin, wo muss Seuchenprävention getroffen werden? Also man kann ja nicht mit der Gießkanne sozusagen überall gleichmäßig ein bisschen, sondern man muss hier sehr planvoll und sehr koordiniert vorgehen. Bei Bam - Sie haben es ja zu Recht angesprochen - konnte man alle Hilfe auf einen Punkt beinahe konzentrieren, und hier ist ein riesiges Gebiet betroffen mit großen Sekundärschäden. Also der Ausfall von Elektrizität, Telekommunikation, Infrastruktur macht ja deutlich, dass es hier kaum Wert hat, wenn einzelne Organisationen vor Ort ein bisschen Hilfe leisten. Für die Betroffenen ist das immer gut und wichtig, aber hier muss ja doch in einer ganz anderen Weise planvoll gehandelt werden.

    Heinlein: Wie sinnvoll ist es vor diesem Hintergrund, den Sie gerade geschildert haben, jetzt für uns einzelne Personen zu spenden? Kommt das unmittelbar den Menschen in den betroffenen Gebieten zugute?

    Dombrowsky: Also das ist ein ganz heikles Thema, und ich werde mich hüten, hier irgendwelche Ratschläge zu geben. Was wir aus der internationalen Forschungsperspektive her wissen, ist, dass sehr viel Hilfe eben nicht so ankommt, wie es sich der Spender wünscht. Wenn man einen solchen Satz sagt, dann führt das im Grunde genommen auch dazu, dass viele Leute sich überlegen zu spenden, obgleich es eben unendlich wichtig ist, dass gespendet wird und dass dort vor allen Dingen Geld hinkommt, weil diese Regionen so arm sind. Das heißt, was man den Spendern unbedingt raten muss, ist, dass sie sich in den Listen, die es in jedem Land gibt über seriöse Organisationen und weniger seriöse, dass sie sich darüber schlau machen und dass sie nur dort spenden, wo es wirklich auch seriös ist.

    Heinlein: Wo findet man diese Listen?

    Dombrowsky: Die finden Sie im Internet. Sie können auch durchaus beim Auswärtigen Amt nachfragen. Auch dort weiß man, wo es seriös ist und wo nicht.

    Heinlein: Vielen Dank für das Gespräch.