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Fehler bei AKW-Abschaltung
Biblis-Untersuchungsausschuss sieht Verantwortung beim Bund

Nicht die damalige schwarz-gelbe Landesregierung in Hessen war 2011 für die rechtlichen Fehler verantwortlich, die es bei der Abschaltung des AKW Biblis nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima gab, sondern der Bund. So lautet die Hauptaussage im Abschlussbericht des Biblis-Untersuchungsausschusses - doch der ist umstritten.

Von Ludger Fittkau | 20.04.2016
    Zu sehen sind die Reaktoren und Kühltürme des AKW Biblis.
    Nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima wurden die ältesten Reaktoren kurzfristig vom Netz genommen. Auch der RWE-Atommeiler Biblis wurde abgeschaltet. Die juristischen Pannen dabei könnten zu teuren Schadensersatzzahlungen führen. (picture-alliance / dpa / Christoph Schmidt)
    Nach zwei Jahren Arbeit wird heute im hessischen Landtag um exakt 13.15 Uhr der Abgeordnete Frank Kaufmann von den Grünen ein wichtiges Dokument vorlegen. Nämlich den 333-seitigen Entwurf eines Abschlussberichtes des Biblis-Untersuchungsausschusses des Parlamentes. Der Text kursiert jedoch schon seit Tagen.
    Die besonders umstritten Hauptaussage lautet: Nicht die damalige schwarz-gelbe Landesregierung in Hessen war 2011 für die rechtlichen Fehler verantwortlich, die es bei der Abschaltung des AKW Biblis nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima gab. Sondern für den Grünen Frank Kaufmann lag die politische Verantwortung für die Abschaltung ganz eindeutig beim Bund. Kaufmann argumentiert mit dem Rechtsbegriff des "konkludenten", das heißt schlüssigen Handeln des damaligen Bundesumweltministers:
    "Das konkludente Handeln des Bundesumweltministers, nachdem die politische Entscheidung getroffen war, das kann man aus den Unterlagen und den Vernehmungen ja entnehmen, dass das darauf zielte, einen einheitlichen Verfahrensvollzug in Deutschland zu haben, bei den fünf Ländern, ist ganz eindeutig. Einen einheitlichen Vollzug kriege ich nur hin, wenn ich sage, wo es lang geht. Und das genau ist ja auch geschehen."
    Bundesumweltministerium macht hessische Landesregierung verantwortlich
    Das Bundesumweltministerium sieht das ganz anders. Die Verantwortung trage - so wörtlich - "nach wie vor die zuständige hessische Behörde für den Erlass der von ihr mit Außenwirkung erlassenen Verwaltungsakte".
    Gemeint ist damit das hessische Umweltministerium, 2011 geleitet von der CDU-Politikerin Lucia Puttrich. Deren Verantwortung für die Biblis-Abschaltung betonten 2013 auch noch die hessischen Grünen. Das war jedoch, bevor sie in die gemeinsame Regierung mit der CDU gingen. Man habe im Untersuchungsausschuss hinzugelernt, argumentiert die grüne Landtagsabgeordnete Angela Dorn jetzt im HR-Fernsehen:
    "Also man muss jetzt auch anerkennen, wir haben zwei Jahre lang intensiv Menschen befragt, unglaublich viele Akten gelesen und insofern sind jetzt schon bei uns neue Erkenntnisse gewachsen."
    Die Opposition im hessischen Landtag kritisiert die Grünen dafür, dass im Abschlussbericht des Untersuchungsausschusses die politischen Fehler der damaligen Landesregierung nicht ausreichend berücksichtigt werden. Auch FDP-Politiker René Rock, dessen Partei 2011 während der Fukushima-Katastrophe noch gemeinsam mit der CDU in Hessen regierte, sieht heute genauso wie die Bundesregierung die Verantwortung weiterhin bei der damaligen schwarz-gelben Landesregierung in Wiesbaden:
    "Es gab handwerkliche Fehler in Hessen, die waren immens. In Hessen wurde die Fachabteilung enthoben bei der Umsetzung. Die Verantwortung hat Ministerin Puttrich übernommen. Und jetzt müssen wir warten, welcher Schaden auf Hessen zukommt, ich hoffe, er wird nicht so hoch."
    RWE-Konzern will 325 Millionen Euro von der öffentlichen Hand
    325 Millionen Euro will der RWE-Konzern für die rechtlichen Fehler bei der Abschaltung von Biblis 2011 von der öffentlichen Hand. Der Prozess wird gerade am Landgericht Essen geführt. Für Holger Bellino, CDU-Obmann im Biblis-Untersuchungsausschuss im hessischen Landtag, ist diese Summe viel zu hoch – egal ob am Ende Hessen oder der Bund geradestehen muss:
    "RWE hat ja nichts unternommen, um einen Schaden zu mindern. Außerdem hatten sie ja anderen Strom verkauft, es ist ja nicht so, dass sie keine Geschäftsgrundlage mehr hatten. Sie haben den Atomstrom nicht mehr gehabt, aber die hatten andere Stromquellen, die sie ja entsprechend vermarktet haben."
    Zumindest in diesem Punkt trifft sich die hessische Politik dann wieder mit der Bundesregierung. Das Bundesumweltministerium verweist in seiner aktuellen Erklärung zum Biblis-Abschlussbericht in Hessen darauf, dass "der Prozess der RWE AG gegen das Land Hessen und den Bund" ja noch andauere. Dort werde "auch zu klären sein, ob der Klägerin überhaupt nachweisbar ein erstattungspflichtiger Schaden entstanden ist."