Wenn sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in ihrem Unternehmen gerecht behandelt fühlen, sind sie zufriedener – und damit auch gesünder. Zu diesem Ergebnis kommt der Fehlzeiten-Report der AOK. Die erlebte Gerechtigkeit am Arbeitsplatz hat demnach ganz konkrete Auswirkungen, zum Beispiel auf die krankheitsbedingten Fehltage: Wer sich unfair behandelt fühlt, ist gut zwei Tage länger im Jahr krank.
Erlebte Ungerechtigkeit führt auch dazu, dass die Motivation der Mitarbeiter in den Keller geht: Sie fühlen sich lustlos, erschöpft oder gereizt. Hinzu kommen psychosomatische Beschwerden, zum Beispiel Schlafstörungen.
Faire Betriebe halten Mitarbeiter länger
Dass auch körperliche Leiden, wie Rückenschmerzen, auftreten, habe ihn überrascht, sagt Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des wissenschaftlichen Instituts der AOK: "Wir kennen klassischerweise die Begründung, dass wenn man zu viel auf den Schultern trägt, dass das auch auf den Rücken schlägt – das sehen wir hier in den Ergebnissen überraschenderweise."
Schröder verweist noch auf einen anderen Effekt, der gerade in Zeiten des Fachkräftemangels relevant sei: Fairen Betrieben gelinge es, hoch qualifizierte Mitarbeiter länger zu halten: "Man sollte darauf schauen, wenn man Fachkräfte an das Unternehmen binden möchte, Beschäftigte auch fair zu behandeln."
Kultur des Misstrauens und der Angst
Ob ein Unternehmen als gerecht eingeschätzt wird, hängt der Studie zufolge stark mit der Unternehmenskultur zusammen. Wichtig für Arbeitnehmer sind Anerkennung, Vertrauen und eine faire Streitkultur. Eine noch wichtigere Rolle spielen allerdings die Vorgesetzten. Vor allem sie sind maßgeblich dafür verantwortlich, ob sich jemand gerecht behandelt fühlt. Und hier gebe es noch gewaltigen Nachholbedarf, mahnt Bernhard Badura von der Universität Bielefeld, der den Fehlzeiten-Report mitherausgegeben hat:
"Es ist auf der einen Seite so, dass wir Führungskräfte haben, die führen, aber dafür nicht ausgebildet werden. Wir haben viel zu häufig Kulturen des Misstrauens und der Angst in den Unternehmen. Und das sind Dinge, die auf Dauer nicht nur den Beschäftigten schaden, sondern sie schaden auch unserer Volkswirtschaft."
Führungskräfte sollten sich fortbilden
Badura verweist auch auf den Anstieg psychisch bedingter Arbeitsunfähigkeit. In den letzten zehn Jahren sind die Fehltage aufgrund von psychischen Erkrankungen um mehr als 60 Prozent gestiegen. Gründe dafür sind einerseits, dass psychische Erkrankungen häufiger diagnostiziert werden. Aber auch, dass in den Unternehmen noch überkommene Vorstellungen von Leitung herrschen, so Badura: Statt mit Wertschätzung und Anerkennung werde mit Angst und Stress geführt.
"Das sind alles Dinge, die aus der Industrieproduktion kommen. Da haben die möglicherweise ihre Berechtigung gehabt. Auch das kann man infrage stellen. Aber in einer Gesellschaft, in der es darauf ankommt, dass Menschen Gehirn, ihren Kopf und ihre psychomentale Motivation voll einsetzen, da sind ganz andere Formen des Führens und der Zusammenarbeit gefragt."
Badura empfiehlt, dass sich Führungskräfte entsprechend fortbilden sollten. Und sich darüber informieren sollten, wie es ihren Beschäftigten geht – und zwar nicht nur anhand der Fehlzeiten, sondern zum Beispiel durch Mitarbeiterbefragungen. Nicht zuletzt liege es aber nicht nur an den Vorgesetzten, sondern an der gesamten Belegschaft, rücksichtsvoll miteinander umzugehen.