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Feiertag im Islam
Das komplizierte Leben nach dem Mond

Muslime weltweit begehen seit dem 6. Juni den Fastenmonat Ramadan. Doch wann er beginnt und wann er endet - das unterscheidet sich von Land zu Land. Seit Jahrzehnten versucht man in der islamischen Welt, sich auf einheitliche Termine zu verständigen. Warum ist es so schwierig für Muslime, sich in einer scheinbar so unwichtigen Frage einigen?

Von Hüseyin Topel | 15.06.2016
    Die Sichel des zunehmenden Mondes leuchtet bei Einbruch der Dunkelheit am Himmel über dem brandenburgischen Sieversdorf (Oder-Spree), aufgenommen am 26.03.2012. 20 Prozent des Mondes sind zu sehen.
    Religiöse Feste wie der Ramandan werden nach dem Mondkalender ausgerichtet - festgelegt mit Telekop oder bloßem Auge (dpa-Zentralbild/ Patrick Pleul )
    Es geht darum, sagt Hakan Aydin, islamische Vorstellungen mit anderen Kulturen zu verbinden. Das gelte auch für religiöse Festtage. Hakan Aydin ist Dozent am Zentrum für islamische Theologie an der Universität in Münster. Er hat ein Buch geschrieben mit dem Titel: "Der Islam im europäischen Zusammenleben". Islam, Europa und Zusammenleben - das würde mit Blick auf religiöse Feste bedeuten, sagt Hakan Aydin, den Mondkalender künftig mit moderner Technik schon frühzeitig zu berechnen.
    "Die wichtigen islamischen Feste werden mit Hilfe des Mondkalenders festgelegt. Deshalb wird heute oft vom islamischen Kalender gesprochen. Eigentlich gibt es so etwas wie einen islamischen Kalender gar nicht. Und in Europa richten wir unser tägliches Leben ja ohnehin nach der Christlichen Zeitrechnung aus - und haben kein Problem damit."
    Dass religiöse Festtage nach dem Mondkalender ausgerichtet werden, kennen auch Judentum und Christentum, wie etwa an Pessach und Ostern. Für heftige Diskussionen in der islamischen Welt sorgt zum Beispiel immer wieder, dass Araber und Türken, die sich jeweils am Mondkalender orientieren, dennoch zu unterschiedlichen Berechnungen kommen.
    "Es gibt keine religiöse Autorität, die offiziell die religiösen Tage für alle verbindlich festlegt. Deshalb fallen die Termine unterschiedlich aus. Viele Araber versuchen von einem möglichst hohen Punkt einer Landschaft aus, etwa einem Hügel, den Neumond mit bloßem Auge zu sichten. Das ist die traditionelle Art. Wenn man von dort aus den Neumond mit bloßem Auge nicht sehen kann, lehnen sie es ab, mit dem Fasten zu beginnen und warten auf den nächsten Tag. Sie legen Wert darauf, den Termin ohne Hilfsmittel nur mit bloßem Auge festzulegen.
    Ganz anders ist das bei den Türken. Sie setzen technische Hilfsmittel ein - etwa Teleskope. Wie sich die islamische Welt auf gemeinsame Standards einigen könnte, wie religiöse Festtage festgelegt werden sollen, darüber wird seit Jahrzehnten debattiert.
    "1978 gab es einen Entschluss vieler islamischer Länder, inklusive Saudi Arabiens. Der besagte: Am wichtigsten ist es, den Neumond zu sichten, egal ob mit bloßem Auge oder mit moderner Technik."
    "Warum kriegen wir ein so einfaches Problem nicht gelöst?"
    Doch bis heute wurde dieser Beschluss immer noch nicht in die Tat umgesetzt. Auch das Treffen von Vertretern aus vielen islamischen Ländern in diesen Wochen in Istanbul brachte keinen Fortschritt. Vor allem Saudi Arabien hält an den alten Regeln fest, obwohl es den Beschluss von 1978 unterzeichnet hat. Der Islamwissenschaftler Hakan Aydin von der Universität Münster.
    "Wir hoffen, dass sich Saudi Arabien endlich an diesen Entschluss hält und die Muslime in Europa von diesem Zerwürfnis befreit. Wenn Saudi Arabien diese Entscheidung mittragen würde, dann werden die Muslime in Europa am meisten davon profitieren."
    Für die Muslime in Saudi Arabien und in den anderen islamischen Ländern hätte eine solche Entscheidung in der Praxis keine besondere Bedeutung, da in diesen Ländern ohnehin die gesamte muslimische Bevölkerung diese Feste gemeinsam wahrnimmt. Das sieht in Europa ganz anders aus. Denn hier leben Muslime aus unterschiedlichen islamischen Ländern. Wenn sich alle nach den Terminen in ihren Heimatländern richten, kann es sogar dazu kommen, dass das Ende des Ramadans an drei unterschiedlichen Tagen gefeiert wird.
    "Die Muslime in Europa richten sich nach ihren Herkunftsländern, da sie den Fastenmonat gemeinsam mit ihren Verwandten in der Heimat feiern möchten. Wir Muslime in Europa müssen sagen: Wenn die muslimischen Länder weltweit es nicht schaffen, sich zu einigen, müssen sich die Muslime in Europa dennoch einigen."
    Hakan Aydin nennt ein Beispiel dafür, warum einheitliche islamische Feiertage für das muslimische Leben in Deutschland wichtig wären.
    "Ein muslimischer Arzt kann doch nicht erst drei Tage vor Dienstbeginn sagen, wann er seinen Dienst antritt und wann nicht - und das alles, weil man den Feiertag nicht vorher festlegen will."
    Im Moment spricht allerdings wenig für eine Einigung, was Hakan Aydin von der Universität Münster ratlos macht:
    "Wenn die muslimische Community schon ein so einfaches Problem nicht lösen kann, wie soll das bei größeren und wichtigeren gelingen?"