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Feindbild Einwanderer

Für Einwanderer ohne Papiere wird die Situation in der EU immer bedrückender, zum Beispiel in Italien, wo sich seit dem Antritt der Mitte-Rechts-Regierung von Silvio Berlusconi in manchen Städten ein fremdenfeindliches Klima ausgebreitet hat. Seit dem Mord an sechs Afrikanern durch die Camorra in der Nähe von Neapel, wächst unter den Einwanderern die Angst vor Rassismus. Kirstin Hausen hat einen Ägypter getroffen, der sich ohne Papiere durchschlägt.

    Schwarzes lockiges Haar, ein schmales Gesicht, ein schüchternes Lächeln. Aziz ist Ägypter, und seit zwei Jahren illegal in Mailand. Allein. Seine Familie lebt in einer Barackensiedlung bei Kairo.

    Der Bruder ist zwanzig, die Schwestern dreizehn, vierzehn und fünfzehn Jahre alt. Die älteste hat im Frühjahr geheiratet. Sie hat Aziz Fotos von der Feier auf sein Handy geschickt: tanzende, lachende Menschen, Verwandte und Freunde.

    "Ich habe nur einmal geweint. An dem Tag. Ich war sehr traurig."

    Aziz vermisst seine Familie. Besonders seine Mutter. Einmal die Woche geht er in ein Callcenter und ruft zuhause an.
    "Meine Mutter sagt, ich soll heim kommen" erzählt Aziz: "Italien sei kein guter Ort mehr zum Leben."

    Aber Aziz ist stur. Was er sich einmal in den Kopf gesetzt hat, gibt er nicht gerne auf. Nach Italien gehen, Geld verdienen und so die Familie zuhause unterstützen - das war der Plan. Gemeinsam mit seinem Vater und dem älteren Bruder Ali kam er per Touristenvisum vor zwei Jahren nach Italien. Aziz' Vater, mit 60 Jahren bereits sehr gebrechlich, kehrte vor Ablauf des Dokuments heim, die Brüder blieben. Ohne Aufenthaltsgenehmigung. Sie schlugen sich mit Gelegenheitsjobs durch. Auf dem Bau. In Fabriken. In der Landwirtschaft.

    "Wir haben mindestens zehn verschiedene Jobs gehabt, jeweils nur für kurze Zeit. Manche Leute haben uns um unser Geld betrogen und oft hatten wir gar keinen Job", erzählt Aziz.

    Im Februar wird Ali abends auf dem Nachhauseweg von der Polizei angehalten. Am Hauptbahnhof wurde eine Frau überfallen und vergewaltigt, der Täter wird als junger Nordafrikaner beschrieben. Ali muss mit auf die Wache. Die vergewaltigte Frau entlastet ihn, aber seine Daten werden überprüft. Als herauskommt, dass er keine gültigen Papiere hat, bringen ihn die Polizisten ins Mailänder Abschiebezentrum. Stacheldraht und Kontrolltürme - hier verbringt Ali zwei Wochen. Seinem Bruder schickt er eine SMS, den Behörden verrät er nichts von Aziz' Existenz. Als Ali abgeschoben wird, jobbt Aziz gerade als Tellerwäscher in einem Restaurant. Er verdient 30 Euro am Tag, fünf Tage die Woche, soviel wie noch nie.

    "200, 300 Euro konnte ich meiner Familie schicken" sagt Aziz stolz. Aber das Glück ist nur von kurzer Dauer, dem Restaurantbesitzer wird es schnell zu gefährlich, in der Küche jemanden schwarz zu beschäftigen. Die Kontrollen sind schärfer seit das Mitte-Rechts-Bündnis von Silvio Berlusconi regiert. Diese Regierung ist schuld daran, dass uns Einwanderern alle Türen verschlossen bleiben, sagt Aziz und schaut niedergeschlagen zu Boden.
    Aziz will trotzdem nicht nach Ägypten zurückkehren. Deshalb geht er kaum auf die Straße. Die meiste Zeit verbringt er vor dem Fernseher, in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, die er sich mit fünf anderen Illegalen teilt. Sie schlafen in Etagenbetten und zahlen eine Wuchermiete, aber dafür müssen sie ihre Namen nicht angeben. In der Küche steht ein alter Fernseher, Aziz zappt sich stundenlang durch die Talkshows.

    Im Fernsehen sagen sie, die illegalen Einwanderer seien schuld an allen Problemen, die Italien hat, meint Aziz. Aziz macht sich keine Illusionen. Er glaubt nicht mehr daran, irgendwann eine Aufenthaltsgenehmigung und einen festen Arbeitsplatz zu bekommen. Er weiß, dass er früher oder später zurückkehren muss nach Ägypten, aber er will Geld mitbringen. Dafür spart er.

    Es reicht noch nicht, sagt er und macht ein entschlossenes Gesicht.