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Fernsehgelder
Verteilungskampf in der Bundesliga

Einige Traditionsvereine wollen die TV-Gelder ab 2017 nach neuen Kriterien verteilen. Um die Dominanz der Spitzenklubs einzuschränken, sagen sie. Wobei es in der Mixtur der Interessen oft nicht so leicht erkennbar ist, wer mit seinen Forderungen welche Ziele verfolgt.

Von Daniel Theweleit | 03.05.2015
    Ein Kameramann filmt den Ball vor einem Bundesligaspiel.
    Eine Gruppe verschiedener Klubs arbeitet daran, das Fernsehgeld aus der nationalen TV-Vermarktung künftig nach neuen Kriterien zu verteilen. (picture alliance / dpa - Frank Rumpenhorst)
    Es ist kein Zufall, dass der erste große Vorstoß an der Weser vorgenommen wurde. Werder Bremen spielte noch vor wenigen Jahren regelmäßig in der Champions League, inzwischen sind die Verantwortlichen schon froh, wenn sie sich aus dem Abstiegskampf fernhalten können. Lange spielte der Klub beinahe auf Augenhöhe mit Bayern München, in dieser Saison gingen die direkten Duelle mit dem Rekordmeister mit 0:6 und 0:4 verloren. Diese wachsende Chancenlosigkeit wollen sie nun bekämpfen, wie Bremens Geschäftsführer Klaus Filbry erläutert.
    "Man muss natürlich immer wieder auch auf den Wettbewerb Bundesliga achten und aufpassen, dass die Schere nicht zu groß wird. Und am Ende des Tages ist die Bundesliga wahrscheinlich noch immer die attraktivste Liga der weltweit, aber man muss immer auch nach vorne denken, und gucken, dass diese Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt."
    Der Vorschlag aus Bremen: Die Kriterien, nach denen die Fernsehgelder an die Klubs verteilt werden, müssten geändert werden. Bisher ist das Prinzip einfach: Es wird eine Tabelle aus den zurückliegenden fünf Jahren erstellt, wer in diesem Ranking vorne steht, bekommt am meisten. Der Letzte am wenigsten. Der alte TV-Vertrag endet 2017, noch in diesem Jahr soll das Ausschreibungsverfahren für die Zeit danach beginnen.
    Neue Kriterien in der Diskussion
    Und es soll - so der Plan von Werder Bremen und einigen anderen Klubs - von einer Debatte begleitet werden, in deren Mittelpunkt die Frage steht, ob künftig auch andere Kriterien die Höhe der Zuwendungen an die Klubs beeinflussen sollten. Zum Beispiel die Einschaltquoten bei den Live-Spielen im Bezahlfernsehen. Oder die Auslastung des eigenen Stadions. Oder die Menge der Auswärtsfans, die einen Klub begleiten.
    "Man muss den Sockelbetrag für alle Klubs erhöhen und dann mit den Variablen, die es bisher nur im sportlichen Bereich gibt, vielleicht noch die zweite Variable Nachfragekriterien einzuführen", sagt Filbry.
    Heribert Bruchhagen, der Vorstandsvorsitzende von Eintracht Frankfurt, hat einen entsprechenden Antrag bei der Deutschen Fußball-Liga eingereicht, in deren Vorstand er auch sitzt. Allerdings würde sich eine Einführung der ins Spiel gebrachten neuen Geldverteilungskriterien kaum auf jene Tabellenregion auswirken, wo der Reichtum immer größer wird. Das glaubt jedenfalls Stephan Schröder von der auf das Sportbusiness spezialisierten Beratungsagentur Repucom.
    "So lange die Neuverteilung an objektive Kriterien gebunden ist, die man dann nachvollziehen kann, finde ich es durchaus legitim, darüber nachzudenken. Ich glaube nur, dass es das Grundproblem nicht verändern wird. Denn das Grundproblem kommt aus diesen sehr hohen Geldern, die man durch die Teilnahme an den europäischen Wettbewerben bekommt."
    Radikalere Maßnahmen möglich?
    Zudem sind der FC Bayern oder Borussia Dortmund auch in allen vorgeschlagenen neuen Kategorien spitze. Müsste man, wenn man die Sache ernst meint, nicht ganz andere Maßnahmen fordern, um die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich zu schließen? Zum Beispiel, dass die Champions League-Teilnehmer am wenigsten aus dem Topf der nationalen TV-Einnahmen bekommen?
    "Ich glaube, das wäre zu radikal, denn das sportliche Prinzip muss immer in einer federführenden Rolle bleiben. Deswegen spielen wir in der Bundesliga, um gute Platzierungen zu erzielen. Und deswegen würde ich diesen Schritt als definitiv zu radikal betrachten", heißt es aus Bremen.
    So wie die Bewegung im Moment auftritt, scheint sie weniger die wachsende Ungleichheit in der Liga zu bekämpfen als vielmehr die aus großen Wirtschaftsunternehmen alimentierten Konkurrenten aus Leverkusen, Hoffenheim, Wolfsburg, Ingolstadt oder Leipzig. Nur wenige Leute abonnieren Sky, den derzeit größten Geldgeber der Liga, um Spiele dieser Klubs zu sehen.
    Hier sind die Stadien sind nur selten ausverkauft und diese Vereine bringen keine Sonderzüge voller Fans mit zu den Auswärtsspielen. Schlechter stünden aber auch kleinere Klubs wie der SC Freiburg oder Mainz 05 da, die ohne große Geldgeber konstant gut arbeiten, dabei aber keine Massen elektrisieren. Ist angesichts dieser heterogenen Interessen überhaupt eine Diskussion möglich, in deren Mittelpunkt das gemeinsame Wohlergehen der Liga steht?
    "Sehr schwer", sagt Marketingexperte Schröder.
    "Ich glaube, wenn die Klubs zusammensitzen und versuchen eine gemeinsame Position zu erarbeiten, merkt man, wie schwierig es ist, einen Konsens zu finden. Ich glaube, man muss die stärksten Klubs, das ist sportlich sicher Bayern München, aber von der Wirtschaftskraft auch Borussia Dortmund, wenn man die dazu bringt, daran mitzuarbeiten, dann finde ich, hat man Chancen."
    Langeweile senkt das Zuschauerinteresse
    Wobei ohnehin erstmal geklärt werden müsste, ob die Liga, die wirtschaftlich erfolgreich ist wie nie, überhaupt ein Problem hat, wenn immer die selben Klubs vorne in der Tabelle stehen. Vielleicht geht das Publikum, das immer mehr Wert auf Komfort und Bequemlichkeit legt, gar nicht mehr unbedingt ins Stadion, um einen spannenden Wettbewerb zu sehen. Möglicherweise wollen die Leute vor allem live dabei sein, wenn große Weltstars ihre Kunststücke aufführen. Geht es nicht eher um das Bedürfnis nach Spektakel, das bei einem 8:0 des FC Bayern gegen HSV vielleicht sogar eher geboten wird als bei einem engen 1:1 zwischen Wolfsburg und Dortmund? Stephan Schröder glaubt das nicht.
    "Der deutsche Fußballfan geht sehr über den Wettbewerb. Wenn ich zu einem Bundesligaspiel gehe und Bayern München ist zu Gast, dann gehe ich da natürlich auch hin und will die Stars sehen. Aber ich bin mir sicher, wenn die Zuschauer das Gefühl haben, ich habe eigentlich keine Chance, ich komme nur um zu sehen, ob Lahm oder Schweinsteiger ein tolles Spiel machen, dann werden viele gar nicht kommen. Der Wettbewerb steht schon immer an Nummer Eins."
    Wenn das stimmt, hat die Bremer Initiative vielleicht doch eine Chance, etwas zu ändern. In England und Italien sind die TV-Einschaltquoten jedenfalls längst ein wichtiges Kriterium, wenn am Ende das Geld verteilt wird.