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Ferrero-Waldner: G8-Gipfel ein Zwischenschritt zu mehr Klimaschutz

EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner hält die Beratungen unter den G8-Industriestaaten für ein bedeutendes Forum der Weltpolitik. Damit sei die Möglichkeit gegeben, auf alleroberster Ebene neue große Themen anzusprechen, die die den Planeten berühren, sagte Ferrero-Waldner. Vom bevorstehenden Gipfel in Heiligendamm erwartet sie wichtige Zwischenschritte auf dem Weg zu einem besseren Klimaschutz.

Moderation: Friedbert Meurer | 05.06.2007
    Friedbert Meurer: Der G8-Gipfel in Heiligendamm: Eigentlich beginnt er erst morgen, aber die ersten Gäste treffen schon heute ein. Zum Beispiel eben US-Präsident Bush: Morgen wird er vor dem Gipfel schon einmal mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammenkommen, um das eine oder andere vorab zu klären. Das eine oder andere, das ist natürlich zum Beispiel der Klimaschutz. Die deutsche Ratspräsidentschaft will unbedingt irgendeinen vorzeigbaren Erfolg vorlegen können. In der Öffentlichkeit bleibt bisher als nachhaltigster Eindruck von G8 leider der Zaun von Heiligendamm und vor allen Dingen die schwere Randale der Autonomen am Samstag in Rostock hängen. Wie sinnvoll ist solch eine Mammutkonferenz?

    Am Telefon begrüße ich Benita Ferrero-Waldner, EU-Außenkommissarin. Guten Morgen!

    Benita Ferrero-Waldner: Schönen guten Morgen, Herr Meurer!

    Meurer: "Club der Mächtigen" wir der G8-Gipfel gerne genannt. Ist er in dieser Zusammensetzung noch zeitgemäß?

    Ferrero-Waldner: Ich glaube, er ist sehr wichtig, denn was vertritt der Club der G8? Es sind doch die größten gewählten Oberhäupter der Industrienationen, und zusätzlich werden eingeladen eine ganze Reihe von ganz wesentlichen Schwellenländern, wie da sind zum Beispiel Brasilien, China, Indien, Mexiko und Südafrika. Damit ist sozusagen die Möglichkeit gegeben, auf alleroberster Ebene und auf breitester Ebene auch neue große Themen anzusprechen, die uns alle, die den Planeten berühren.

    Meurer: Warum kann man dann die Schwellenländer nicht gleich in den G8-Gipfel aufnehmen?

    Ferrero-Waldner: Schauen Sie, das ist eine Frage, die, ich glaube, heute viel zu sehr hochgespielt wird. Es geht darum, dass die größten Industrieländer unverbindlich zusammensitzen, aber gleichzeitig immer wieder bereit sind, viele andere große Länder mit einzubeziehen. Das Wesentliche ist ja wohl, dass sie dabei sind.

    Meurer: Es heißt aber doch immer wieder, die Großen maßen sich an, für alle zu entscheiden. Spielt Anmaßung mit?

    Ferrero-Waldner: Ich glaube, das stimmt nicht, sondern das sind unverbindliche Entscheidungen, sind aber sehr wesentliche Entscheidungen, wenn Sie denken, worum es geht. Es geht, wie Sie richtig sagten, um den Klimaschutz. Es geht um die Bekämpfung der Armut in der Welt. Es geht um die Frage der Energiesicherheit, also wirklich um die großen Themen, und es geht auch um die Möglichkeit von Konfliktlösung.

    Meurer: Eine Lösung soll gefunden werden im Streit um den Klimaschutz. Gestern waren Sie dabei beim EU-Kanada-Gipfel. Die Kanadier geloben Besserung, sagen aber sie können Kyoto, die Werte, die Kyoto vorschreibt, nicht einhalten. Was erwarten Sie vom G8-Gipfel beim Klimaschutz?

    Ferrero-Waldner: Generell erwarte ich, dass es in die Richtung von verbindlichen, messbaren und auch durchsetzbaren Zielen geht bei der Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen. Ich glaube, das ist wesentlich. Und wir haben eine Dringlichkeit dafür, denn wenn wir in den nächsten 15 Jahren hier nicht radikal heruntergehen - und Sie kennen ja die Ziele, zum Beispiel Halbierung bis zum Jahr 2050 dieser Grünhausgas-Emissionen -, dann haben wir nicht einen Klimawandel, sondern wir haben eine Klimakatastrophe.

    Meurer: Wird die USA, wird George Bush mitspielen?

    Ferrero-Waldner: George Bush hat zumindest, Sie wissen es, in den letzten zwei Tagen einen neuen Plan vorgestellt, und ich erinnere mich noch sehr gut daran, als er noch im Januar hier sehr zurückhaltend war, als ich mit Präsident Barroso in Washington mit diesem Thema sehr stark ihn konfrontieren konnte.

    Meurer: Wo liegt der Unterschied in der Position von US-Präsident Bush bei dem, was Sie damals in Washington erfahren haben, und zum Vorschlag, den er jetzt letzte Woche vorgelegt hat?

    Ferrero-Waldner: Damals war es nur, durch Technologie voranzugehen, ohne irgendwelche verbindlichen Ziele. Jetzt ist er hier doch ein großes Stück weiter gegangen, ist aber immer noch nicht so weit, den doch sehr wichtigen Emissionshandel anzuerkennen, der uns Europäern so wesentlich ist.

    Meurer: Was halten Sie von der Idee Bushs, die 15 größten Kohlendioxid-Emittenten sollen sich zusammensetzen und eben nur diese 15 und nicht die gesamte UNO?

    Ferrero-Waldner: Schauen Sie, die 15, das ist beinahe der Club, der ohnehin zusammensitzt, und dann muss es die UNO sein. Hier sind wir ganz klar, wir Europäer, auch die Kanadier, auf dieser Linie und viele, viele andere auch. Ich freue mich zum Beispiel, dass auch die Chinesen beginnen sich zu bewegen. Vor kurzem hatten sie noch keinen Klimawandel-Plan. Jetzt haben sie einen. Das heißt, es beginnen die Strategien zu kommen, und die kommen ja nicht von selbst, sondern dieser G8-Gipfel ist sozusagen ein Katalysator dafür geworden.

    Meurer: Erwarten Sie von dem G8-Gipfel klare, messbare Zahlen beim Klimaschutz?

    Ferrero-Waldner: Ich erwarte mir Zwischenschritte auf diesem Weg. Die große Konferenz zu Post-Kyoto findet ja in Bali am Ende des Jahres im Dezember statt, und ich erwarte mir ganz wegweisende Zielstrecken in dieser Konferenz.

    Meurer: Wir schauen alle, Frau Ferrero-Waldner, auf den Klimaschutz. Das ist aus unserer Sicht das wichtigste Thema des G8-Gipfels. Sieht man das möglicherweise in Afrika anders?

    Ferrero-Waldner: Da bin ich mir nicht so sicher. Afrika hat natürlich auf der einen Seite die Armutsbekämpfung als das ganz, ganz große Thema, aber auch der Klimawandel beeinflusst natürlich Afrika, wenn Sie an die Desertifikation denken, an die Verwüstung vieler Gebiete, an das Zurückgehen des Wassers, was ja auch für die Menschen dort absolut fundamental ist. Also das eine hat mit dem anderen durchaus auch zu tun.

    Meurer: Was wird der Gipfel wohl beschließen oder vorschlagen, um dem Kontinent Afrika, der vielfach als der verlorene Kontinent oder vergessene Kontinent bezeichnet wird, zu helfen?

    Ferrero-Waldner: Ich glaube, es wird wieder die Frage der Millenniums-Ziele hier eine große Rolle spielen, dass die wirklich auch erreicht werden, dass die Industrieländer sich bemühen, wesentliche Hilfen für Afrika bereitzustellen, aber nicht nur das, sondern dass man auch versucht, Afrika beizustehen, was zum Beispiel die Frage der guten Regierungsführung anbetrifft, dass die Fragen der Migration mit den Afrikanern auch diskutiert werden, weil ja von hieraus auch eine Welle an Menschen zu uns kommen kann, die aber bei uns dann auch nicht alle Arbeit finden werden, was für beide Seiten dann eine Katastrophe bedeutet. Ich glaube, auch hier sind die großen Fragen immer dieselben, die aber leider noch nicht gelöst sind.

    Meurer: EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk, vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm. Schönen Dank, Frau Ferrero-Waldner, Wiederhören.

    Ferrero-Waldner: Danke schön, Herr Meurer. Auf Wiederhören.