Bettina Klein: Lange Gesichter in New York. Die angestrebte UNO-Reform ist nicht so wie gewünscht zustande gekommen. Herausgekommen ist wieder einmal der kleinste gemeinsame Nenner. Man muss mit dem Wenigen zufrieden sein, sagen manche Diplomaten, andere, wie Bundesaußenminister Fischer, haben sehr bedauert, dass in wichtigen Fragen, wie in der Abrüstung und der Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen etwa, es keine Einigung gegeben hat. So ein Aufwand für diesen Gipfel und dann so ein dürftiges Ergebnis, monierten Beobachter. Ob das Champagnerglas halb voll oder halb leer sei wurde ein Korrespondent gefragt: Egal, meinte dieser, im Glas sei doch eh nur Wasser. Am Telefon begrüße ich die EU-Außenkommissarin Benita Ferrero-Waldner. Frau Ferrero-Waldner, Wasser im halbleeren Champagnerglas, ein verwässertes Ergebnis, was fällt Ihnen zu dieser Bilanz, was fällt Ihnen zu dieser UNO-Reform ein?
Benita Ferrero-Waldner: Ich würde zuerst sagen, dass Wasser das Lebenselixier Nummer eins ist und ich würde sagen, das Wasserglas oder Champagnerglas, wie immer sie wollen, ist halb voll. Allerdings stimmt es, dass wir nicht über alles so enthusiastisch sind. Es sind einige Dinge, die Fortschritt gebracht haben und andere, wo wir wesentlich mehr erwartet hätten und wo wir ein bisschen enttäuscht sind.
Klein: Was ist für Sie der Fortschritt an diesem Papier, das an diesem Freitag, also heute, verabschiedet wird?
Ferrero-Waldner: Fortschritt ist absolut der, dass es nun die Millenniumsziele gibt und dass wir, die Europäische Union, eine wirkliche Führerschaft übernommen haben, darin dass wir bis zum Jahre 2010 66 Milliarden Euro pro Jahr geben werden und bis zum Jahre 2015 sogar 90 Milliarden Euro. Zweitens halte ich es für sehr, sehr wichtig, dass es eine Friedenskommission gibt, die in Zukunft sich um alle Aspekte einer Postkonfliktsituation kümmert. Und ich würde sagen drittens ist mir ein besonderes Anliegen, dass es gelungen ist in der Frage Verantwortung zum Schutz der Zivilbevölkerung gegen Völkermord, gegen die Frage auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit voranzugehen. Wenn es hier keine andere Lösung gibt, als letztes Mittel können hier die Staaten von sich aus tätig werden im Rahmen des Sicherheitsrates und das ist, glaube ich, eine große Anerkennung der wichtigen Rolle der Vereinten Nationen.
Klein: Können Sie noch mal kurz beschreiben diesen letzten Punkt? Was ist absolut möglich, was vorher noch nicht möglich war, wenn es darum geht, bei Konflikten einzugreifen?
Ferrero-Waldner: Vorher war es nicht möglich, wenn im Sicherheitsrat ein Veto eingelegt wurde, in einen Konflikt einzugreifen, wenn es eben um ethnische Säuberungen ging. Sie erinnern sich an den Fall Kosovo, aber auch an Ruanda, oder aber wenn es um echte Verletzungen wirklich gegen die Menschlichkeit geht oder aber um Kriegsverbrechen. Hier ist das jetzt möglich, wenn allerdings alle anderen prozeduralen Schritte ausgeschöpft sind, das heißt, wenn es in den Sicherheitsrat gebracht wurde und hier keine Entscheidung gefällt wird, oder ein Veto eingelegt wird, kann trotzdem eingegriffen werden.
Klein: Aber es bleibt doch dabei, dass möglicherweise viele Staaten eben kein Interesse haben, dass die UNO bei bestimmten Konflikten eingreift und dies darüber auch im Sicherheitsrat verhindern wollen. Ist das dann nicht mehr möglich?
Ferrero-Waldner: Wenn alle anderen Schritte vorher geprüft wurden oder durchlaufen wurden, dann ist in diesen Fällen, das sind ganz spezifische Fälle - das ist ganz genau Genozid, das ist Kriegsverbrechen, das ist ethnische Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit - dann ist möglich tatsächlich auch ohne einen Beschluss des Sicherheitsrates, einen positiven, voranzugehen.
Klein: Was ist für Sie am schmerzlichsten bei den Dingen, die man nicht erreichen konnte?
Ferrero-Waldner: Das Schmerzlichste würde ich sagen, ist für mich sicher der Menschenrechtsrat, denn der wäre für uns ganz besonders wichtig gewesen. Die heutige Menschenrechtskommission in dieser Form funktioniert wirklich nicht mehr und was notwendig wäre, ist eine Gruppe von Staaten in diesem Menschenrechtsrat zu haben, die selber Menschenrechte einhalten und beachten und es wäre auch wichtig, eine entsprechende Selektion zu treffen. Die Idee war zum Beispiel mit einer Zweidrittelmehrheit eine Wahl in der Generalversammlung zu erreichen. Da ist eigentlich sehr wenig bis jetzt weitergegangen worden. Man hat nur das Prinzip eines solchen Menschenrechtsrates festgeschrieben aber überhaupt nichts über Einzelheiten, über Prozeduren - und Sie wissen ja, sehr viel hängt daran, da muss jetzt sozusagen von Stunde Null an wieder neu verhandelt werden.
Klein: Die Menschrechtskommission funktionierte bisher nicht so wie sie sollte, das haben Sie gerade angedeutet, sie hat oft ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt oder verspielt. Große Sünder ließ man laufen oder einige Sünder durften dann selbst Richter spielen in der Kommission. Woran oder an wem hat es eigentlich gelegen, dass man hier nicht weiter gekommen ist?
Ferrero-Waldner: Es hat zum einen an der Geschäftsordnung gelegen, die so war, dass manche Staaten sich hier herauswinden konnten und andererseits eben an bestimmten Staaten, die immer wieder einen Forschritt verdorben haben, um das Wort von Kofi Annan der "Spoilers" zu zitieren, der Verderber.
Klein: Welche Staaten waren das?
Ferrero-Waldner: Das ist ganz generell. Ich kann jetzt, ich möchte jetzt ganz bewusst hier nicht Staaten ansprechen, aber es waren immer wieder bei unterschiedlichen Resolutionen unterschiedliche Staaten.
Klein: Es waren, soweit man es gehört hat, China und Russland, etwa. Was können Sie sich vorstellen, wie diese Länder jetzt umgestimmt werden sollen?
Ferrero-Waldner: Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir einen sehr starken Willen zeigen und dass auch hier die Zivilgesellschaft hereinkommt. Ich habe zum Beispiel gestern viele NGOs hier in New York getroffen, die sich besonders mit der Frage der Menschenrechte befassen und die mit Recht sagen, das ist einer der Kernpunkte und da müssen wir eben gemeinsam arbeiten.
Klein: Ja, gemeinsam arbeiten. Haben Sie eine Vorstellung, welche Möglichkeiten an Verhandlungen, vielleicht sogar an Druckmittel auf der internationalen Bühne möglich sind, um da Fortschritte zu erreichen in Fragen des Menschenrechtsrates?
Ferrero-Waldner: Druckmittel wahrscheinlich keine, aber je mehr Staaten sich hier dieser Linie anschließen, desto mehr Interesse und Wahrscheinlichkeit ist gegeben, dass wir das auch durchsetzten können.
Klein: Auch in anderen wichtigen Punkten hat es ja keinen Konsens gegeben. Teilweise tauchen Themen gar nicht mehr auf in dem Schlussdokument zum Beispiel. Wie steht es um Abrüstung von Atomwaffen, Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, Definition von Terrorismus? Da hat man sich ebenfalls nicht einigen können. Ist es denn eigentlich realistisch, noch daran festzuhalten, bei diesen Themen, irgendeine Art von Papier zustande zu bringen, das mehr wäre als ein kleinster gemeinsamer Nenner?
Ferrero-Waldner: Sie haben sicher Recht mit dem, was Sie sagen, dass es nicht einfach ist. Aber ich bin ja schon lange auch eine Kennerin der UNO. Ich war selber dort einmal tätig auch für eine bestimmte Zeit und ich muss Ihnen sagen, was nicht im ersten Schritt geht, geht manchmal im zweiten oder dritten Schritt. Ich glaube, man muss persistent sein, man muss seine Ziele weiterverfolgen und diese mit großer Festigkeit weiterhin verfolgen. Dann ist zumindest eine Chance. Für die Terrorismuskommission bin ich relativ optimistisch oder vorsichtig optimistisch, denn es ist hier doch sehr weiter gegangen worden. Man hat einen Text geschaffen. Allerdings fehlt noch die sehr schwierige Definition.
Klein: Welche Rolle kann dabei die Europäische Union etwa spielen, um hier weiterzukommen?
Ferrero-Waldner: Die Europäische Union spielt hier eine, ich würde sagen, Vorreiterrolle, eine der wichtigsten Rollen, denn wir haben ja gemeinsam eine Kommunikation auf den Tisch gelegt, die auch vom Rat unterstützt wurde, wir die Kommission, und das war die gemeinsame Position der Europäischen Union und wenn Sie denken, das sind 25 Länder, zwei schließen sich laufend an, die spätere Mitglieder werden, Rumänien und Bulgarien und viele andere folgen unserem Beispiel. Wir haben hier die stärkste Rolle gespielt.
Klein: Benita Ferrero-Waldner, EU-Außenkommissarin in den Informationen am Morgen hier im Deutschlandfunk.
Benita Ferrero-Waldner: Ich würde zuerst sagen, dass Wasser das Lebenselixier Nummer eins ist und ich würde sagen, das Wasserglas oder Champagnerglas, wie immer sie wollen, ist halb voll. Allerdings stimmt es, dass wir nicht über alles so enthusiastisch sind. Es sind einige Dinge, die Fortschritt gebracht haben und andere, wo wir wesentlich mehr erwartet hätten und wo wir ein bisschen enttäuscht sind.
Klein: Was ist für Sie der Fortschritt an diesem Papier, das an diesem Freitag, also heute, verabschiedet wird?
Ferrero-Waldner: Fortschritt ist absolut der, dass es nun die Millenniumsziele gibt und dass wir, die Europäische Union, eine wirkliche Führerschaft übernommen haben, darin dass wir bis zum Jahre 2010 66 Milliarden Euro pro Jahr geben werden und bis zum Jahre 2015 sogar 90 Milliarden Euro. Zweitens halte ich es für sehr, sehr wichtig, dass es eine Friedenskommission gibt, die in Zukunft sich um alle Aspekte einer Postkonfliktsituation kümmert. Und ich würde sagen drittens ist mir ein besonderes Anliegen, dass es gelungen ist in der Frage Verantwortung zum Schutz der Zivilbevölkerung gegen Völkermord, gegen die Frage auch Verbrechen gegen die Menschlichkeit voranzugehen. Wenn es hier keine andere Lösung gibt, als letztes Mittel können hier die Staaten von sich aus tätig werden im Rahmen des Sicherheitsrates und das ist, glaube ich, eine große Anerkennung der wichtigen Rolle der Vereinten Nationen.
Klein: Können Sie noch mal kurz beschreiben diesen letzten Punkt? Was ist absolut möglich, was vorher noch nicht möglich war, wenn es darum geht, bei Konflikten einzugreifen?
Ferrero-Waldner: Vorher war es nicht möglich, wenn im Sicherheitsrat ein Veto eingelegt wurde, in einen Konflikt einzugreifen, wenn es eben um ethnische Säuberungen ging. Sie erinnern sich an den Fall Kosovo, aber auch an Ruanda, oder aber wenn es um echte Verletzungen wirklich gegen die Menschlichkeit geht oder aber um Kriegsverbrechen. Hier ist das jetzt möglich, wenn allerdings alle anderen prozeduralen Schritte ausgeschöpft sind, das heißt, wenn es in den Sicherheitsrat gebracht wurde und hier keine Entscheidung gefällt wird, oder ein Veto eingelegt wird, kann trotzdem eingegriffen werden.
Klein: Aber es bleibt doch dabei, dass möglicherweise viele Staaten eben kein Interesse haben, dass die UNO bei bestimmten Konflikten eingreift und dies darüber auch im Sicherheitsrat verhindern wollen. Ist das dann nicht mehr möglich?
Ferrero-Waldner: Wenn alle anderen Schritte vorher geprüft wurden oder durchlaufen wurden, dann ist in diesen Fällen, das sind ganz spezifische Fälle - das ist ganz genau Genozid, das ist Kriegsverbrechen, das ist ethnische Säuberung und Verbrechen gegen die Menschlichkeit - dann ist möglich tatsächlich auch ohne einen Beschluss des Sicherheitsrates, einen positiven, voranzugehen.
Klein: Was ist für Sie am schmerzlichsten bei den Dingen, die man nicht erreichen konnte?
Ferrero-Waldner: Das Schmerzlichste würde ich sagen, ist für mich sicher der Menschenrechtsrat, denn der wäre für uns ganz besonders wichtig gewesen. Die heutige Menschenrechtskommission in dieser Form funktioniert wirklich nicht mehr und was notwendig wäre, ist eine Gruppe von Staaten in diesem Menschenrechtsrat zu haben, die selber Menschenrechte einhalten und beachten und es wäre auch wichtig, eine entsprechende Selektion zu treffen. Die Idee war zum Beispiel mit einer Zweidrittelmehrheit eine Wahl in der Generalversammlung zu erreichen. Da ist eigentlich sehr wenig bis jetzt weitergegangen worden. Man hat nur das Prinzip eines solchen Menschenrechtsrates festgeschrieben aber überhaupt nichts über Einzelheiten, über Prozeduren - und Sie wissen ja, sehr viel hängt daran, da muss jetzt sozusagen von Stunde Null an wieder neu verhandelt werden.
Klein: Die Menschrechtskommission funktionierte bisher nicht so wie sie sollte, das haben Sie gerade angedeutet, sie hat oft ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel gesetzt oder verspielt. Große Sünder ließ man laufen oder einige Sünder durften dann selbst Richter spielen in der Kommission. Woran oder an wem hat es eigentlich gelegen, dass man hier nicht weiter gekommen ist?
Ferrero-Waldner: Es hat zum einen an der Geschäftsordnung gelegen, die so war, dass manche Staaten sich hier herauswinden konnten und andererseits eben an bestimmten Staaten, die immer wieder einen Forschritt verdorben haben, um das Wort von Kofi Annan der "Spoilers" zu zitieren, der Verderber.
Klein: Welche Staaten waren das?
Ferrero-Waldner: Das ist ganz generell. Ich kann jetzt, ich möchte jetzt ganz bewusst hier nicht Staaten ansprechen, aber es waren immer wieder bei unterschiedlichen Resolutionen unterschiedliche Staaten.
Klein: Es waren, soweit man es gehört hat, China und Russland, etwa. Was können Sie sich vorstellen, wie diese Länder jetzt umgestimmt werden sollen?
Ferrero-Waldner: Ich glaube, es ist sehr wichtig, dass wir einen sehr starken Willen zeigen und dass auch hier die Zivilgesellschaft hereinkommt. Ich habe zum Beispiel gestern viele NGOs hier in New York getroffen, die sich besonders mit der Frage der Menschenrechte befassen und die mit Recht sagen, das ist einer der Kernpunkte und da müssen wir eben gemeinsam arbeiten.
Klein: Ja, gemeinsam arbeiten. Haben Sie eine Vorstellung, welche Möglichkeiten an Verhandlungen, vielleicht sogar an Druckmittel auf der internationalen Bühne möglich sind, um da Fortschritte zu erreichen in Fragen des Menschenrechtsrates?
Ferrero-Waldner: Druckmittel wahrscheinlich keine, aber je mehr Staaten sich hier dieser Linie anschließen, desto mehr Interesse und Wahrscheinlichkeit ist gegeben, dass wir das auch durchsetzten können.
Klein: Auch in anderen wichtigen Punkten hat es ja keinen Konsens gegeben. Teilweise tauchen Themen gar nicht mehr auf in dem Schlussdokument zum Beispiel. Wie steht es um Abrüstung von Atomwaffen, Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen, Definition von Terrorismus? Da hat man sich ebenfalls nicht einigen können. Ist es denn eigentlich realistisch, noch daran festzuhalten, bei diesen Themen, irgendeine Art von Papier zustande zu bringen, das mehr wäre als ein kleinster gemeinsamer Nenner?
Ferrero-Waldner: Sie haben sicher Recht mit dem, was Sie sagen, dass es nicht einfach ist. Aber ich bin ja schon lange auch eine Kennerin der UNO. Ich war selber dort einmal tätig auch für eine bestimmte Zeit und ich muss Ihnen sagen, was nicht im ersten Schritt geht, geht manchmal im zweiten oder dritten Schritt. Ich glaube, man muss persistent sein, man muss seine Ziele weiterverfolgen und diese mit großer Festigkeit weiterhin verfolgen. Dann ist zumindest eine Chance. Für die Terrorismuskommission bin ich relativ optimistisch oder vorsichtig optimistisch, denn es ist hier doch sehr weiter gegangen worden. Man hat einen Text geschaffen. Allerdings fehlt noch die sehr schwierige Definition.
Klein: Welche Rolle kann dabei die Europäische Union etwa spielen, um hier weiterzukommen?
Ferrero-Waldner: Die Europäische Union spielt hier eine, ich würde sagen, Vorreiterrolle, eine der wichtigsten Rollen, denn wir haben ja gemeinsam eine Kommunikation auf den Tisch gelegt, die auch vom Rat unterstützt wurde, wir die Kommission, und das war die gemeinsame Position der Europäischen Union und wenn Sie denken, das sind 25 Länder, zwei schließen sich laufend an, die spätere Mitglieder werden, Rumänien und Bulgarien und viele andere folgen unserem Beispiel. Wir haben hier die stärkste Rolle gespielt.
Klein: Benita Ferrero-Waldner, EU-Außenkommissarin in den Informationen am Morgen hier im Deutschlandfunk.