Friedbert Meurer: Um einen entführten Soldaten zu befreien, hat Israel gestern eine militärische Großoffensive im Gazastreifen begonnen. Aus der Luft werden Straßen und Brücken bombardiert. Ein Elektrizitätswerk wurde dabei zerstört. Israelische Soldaten stoßen auch mit Panzern und Planierraupen vor. Und in der Nacht hat Israel im Westjordanland in Ramallah, dort wo die Autonomiebehörde ihren Sitz hat, mehrere Hamas-Minister verhaftet.
In Moskau kommen heute derweil die G8-Außenminister zusammen. Ein Thema dort wird auch sein die zugespitzte Lage im Nahen Osten zwischen Israelis und Palästinensern. Teilnehmen wird Benita Ferrero-Waldner, die EU-Außenkommissarin. Bei uns ist sie jetzt am Telefon. Guten Morgen, Frau Ferrero-Waldner!
Benita Ferrero-Waldner: Einen schönen guten Morgen!
Meurer: Es gibt eine harsche Antwort der Israelis auf die Entführung eines israelischen Soldaten: die Militäraktion im Gazastreifen. Jetzt sind im Westjordanland mehrere Minister der Hamas verhaftet worden. Ist das alles noch durch das Recht auf Selbstverteidigung gedeckt?
Ferrero-Waldner: Zuerst lassen Sie mich einmal sagen, dass die Situation äußerst gespannt ist, äußerst schwierig ist. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man noch einmal betont, dass wirklich alle Seiten ihre Verantwortungen ganz sorgfältig wahrnehmen müssen in dieser so schwierigen Situation. Natürlich soll die Geisel Schalit so schnell als möglich von den Geiselnehmern freigelassen werden, denn diese Art von Aktionen sind keine Maßnahmen, die irgendwelche politischen Ziele durchsetzen können. So kann es sicher nicht gehen.
Auf der anderen Seite möchte ich aber auch die Israelis zu mehr Vorsicht aufrufen. Natürlich verstehen wir ihre Erregung und ihre Aufregung, aber es muss die Möglichkeit gegeben werden, dass hier mit diplomatischen Mitteln ein Weg gefunden wird, dass Gilad Schalit frei kommt.
Meurer: Wenn jetzt Brücken zerstört werden im Gazastreifen, ein Elektrizitätswerk zerstört wird und 70 Prozent der Menschen keinen Strom mehr haben werden auf Monate hinaus, ist das eine adäquate oder eine überzogene Antwort und Reaktion?
Ferrero-Waldner: Wissen Sie, nachdem ich auch nur die Berichte aus den Medien habe und noch nicht die direkten Berichte auch von unseren Delegationen, möchte ich mich hier jetzt der Bewertung eigentlich enthalten. Das Wesentliche ist für uns, dass natürlich so Grundbedürfnisse der Menschen, die sie absolut brauchen, wie Elektrizität und Wasser, im Augenblick in Mitleidenschaft gezogen sind und dass es ganz, ganz wesentlich ist, dass wir möglichst schnell alles unternehmen - und zwar alle gemeinsam -, dass hier das palästinensische Volk nicht noch mehr leidet. Das wäre ein kollektives Leiden für eine sehr falsche Geiselnahme, aber es soll das Volk nicht leiden.
Meurer: Wie schätzen Sie die humanitäre Situation im Augenblick im Gazastreifen ein?
Ferrero-Waldner: Ich fürchte eben, dass sie nach wie vor schlecht ist. Wir müssen alles daran setzen, Aufrufe zu setzen, dass sie nicht noch schlimmer wird. Denn ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, dass beide Seiten jetzt eigentlich vor diesem Abgrund eher zurückgehen, an dem sie sich befinden und wo eigentlich eine Krise so weit gehen könnte, dass niemand sie mehr eindämmen kann. Das wäre äußerst gefährlich.
Meurer: Was macht Sie optimistisch, was gibt Ihnen Hoffnung, Frau Ferrero-Waldner, dass das Ganze nicht in einem Krieg endet, sondern dass die Krise doch beigelegt werden kann?
Ferrero-Waldner: Ich würde sagen, derzeit muss man die Situation eher mit Realismus betrachten. Wir können nur an beide Seiten appellieren, die Vernunft hier einzuschalten und die Vernunft walten zu lassen. Denn je schwieriger die Lage, desto mehr Ruhe muss bewahrt werden.
Meurer: Sie sind ja in den letzten Jahren häufiger in Israel und in den Palästinensergebieten gewesen. Können Sie sich erinnern, dass die Situation dort schon einmal an einem so kritischen Punkt gestanden hat?
Ferrero-Waldner: Ich glaube, es gab immer wieder sehr schwierige Punkte, aber ich gebe zu, dass das eine eben, wie ich gerade sagte, Krisensituation ist, die wirklich aus der Hand laufen könnte. Wir müssen alles daran setzen, dass dies nicht geschieht. Und ich bin sicher, dass das heute auch ein Thema bei unserem G8-Außenministertreffen in Moskau sein wird.
Meurer: Welche Vorschläge könnte es denn beim G8-Außenministertreffen geben in diesem Zusammenhang?
Ferrero-Waldner: Vielleicht noch einmal ein gemeinsamer Appell aller G8-Außenminister an beide Seiten oder allenfalls auch am Gipfel.
Meurer: Was will die EU, die Europäische Union tun, um Einfluss zu nehmen?
Ferrero-Waldner: Ich meine, wir haben ja viele Einflussmöglichkeiten. Wir kennen beide Parteien, und selbstverständlich werden hier auch entsprechende Aktionen weiter gesetzt werden. Sie wissen ja, dass neben den Ägyptern auch offensichtlich französische Kollegen mit eingeschaltet sind, was die Befreiung dieser Geisel Schalit anbetrifft. Also auch hier sind natürlich gewisse Kanäle da, aber ich möchte jetzt darüber nicht sprechen.
Meurer: Wie aussichtsreich diese Verhandlungen zur Geiselbefreiung möglicherweise sind, haben Sie dazu Informationen oder eine Einschätzung?
Ferrero-Waldner: Dazu habe ich momentan leider keine Einschätzung. Ich kann nur hoffen, dass es gelingt, um diese Krise so schnell als möglich zu beenden.
Meurer: Die Hamas, die zuletzt die Wahlen gewonnen hat, hat ja jetzt erstmals indirekt das Existenzrecht Israels anerkannt. Für wie bedeutsam halten Sie diesen Schritt der Hamas-Organisation?
Ferrero-Waldner: Ich halte ihn für einen wichtigen ersten Schritt auf diesem Wege der Anerkennung der drei Prinzipien. Allerdings glaube ich, dass die drei Prinzipien voll anerkannt werden müssen, aber es ist immerhin eine Bewegung in die richtige Richtung, eine Bewegung in Richtung auch Wegskizze "road map" zu einer Zwei-Staaten-Lösung und insofern durchaus zu begrüßen.
Meurer: Das Angebot reicht aber dann noch nicht aus, um die Finanzhilfen der EU wieder an die Autonomiebehörde zu überweisen?
Ferrero-Waldner: Nein, da haben Sie Recht. Wir haben aber noch einmal betont, dass wir jederzeit bereit sind, mit einer Regierung, die klar diese drei Prinzipien anerkennt, selbstverständlich zusammenarbeiten würden.
Meurer: Die beiden anderen Prinzipien neben der Anerkennung sind?
Ferrero-Waldner: Das sind selbstverständlich keine Gewalt, voller Gewaltverzicht, und auch das dazu stehen, dass frühere Abkommen der Palästinenser eingehalten werden müssen wie zum Beispiel Oslo oder eben auch die "road map", die Wegskizze, die ja zu einer Zwei-Staaten-Lösung führen kann.
Meurer: In Moskau tagen heute die Außenminister der G8-Staaten. Ein Thema: die Krise zwischen Israelis und Palästinensern. Ich bedanke mich bei Benita Ferrero-Waldner, der EU-Außenkommissarin. Schönen Dank und auf Wiederhören nach Moskau.
Ferrero-Waldner: Danke vielmals. Auf Wiederhören.
In Moskau kommen heute derweil die G8-Außenminister zusammen. Ein Thema dort wird auch sein die zugespitzte Lage im Nahen Osten zwischen Israelis und Palästinensern. Teilnehmen wird Benita Ferrero-Waldner, die EU-Außenkommissarin. Bei uns ist sie jetzt am Telefon. Guten Morgen, Frau Ferrero-Waldner!
Benita Ferrero-Waldner: Einen schönen guten Morgen!
Meurer: Es gibt eine harsche Antwort der Israelis auf die Entführung eines israelischen Soldaten: die Militäraktion im Gazastreifen. Jetzt sind im Westjordanland mehrere Minister der Hamas verhaftet worden. Ist das alles noch durch das Recht auf Selbstverteidigung gedeckt?
Ferrero-Waldner: Zuerst lassen Sie mich einmal sagen, dass die Situation äußerst gespannt ist, äußerst schwierig ist. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man noch einmal betont, dass wirklich alle Seiten ihre Verantwortungen ganz sorgfältig wahrnehmen müssen in dieser so schwierigen Situation. Natürlich soll die Geisel Schalit so schnell als möglich von den Geiselnehmern freigelassen werden, denn diese Art von Aktionen sind keine Maßnahmen, die irgendwelche politischen Ziele durchsetzen können. So kann es sicher nicht gehen.
Auf der anderen Seite möchte ich aber auch die Israelis zu mehr Vorsicht aufrufen. Natürlich verstehen wir ihre Erregung und ihre Aufregung, aber es muss die Möglichkeit gegeben werden, dass hier mit diplomatischen Mitteln ein Weg gefunden wird, dass Gilad Schalit frei kommt.
Meurer: Wenn jetzt Brücken zerstört werden im Gazastreifen, ein Elektrizitätswerk zerstört wird und 70 Prozent der Menschen keinen Strom mehr haben werden auf Monate hinaus, ist das eine adäquate oder eine überzogene Antwort und Reaktion?
Ferrero-Waldner: Wissen Sie, nachdem ich auch nur die Berichte aus den Medien habe und noch nicht die direkten Berichte auch von unseren Delegationen, möchte ich mich hier jetzt der Bewertung eigentlich enthalten. Das Wesentliche ist für uns, dass natürlich so Grundbedürfnisse der Menschen, die sie absolut brauchen, wie Elektrizität und Wasser, im Augenblick in Mitleidenschaft gezogen sind und dass es ganz, ganz wesentlich ist, dass wir möglichst schnell alles unternehmen - und zwar alle gemeinsam -, dass hier das palästinensische Volk nicht noch mehr leidet. Das wäre ein kollektives Leiden für eine sehr falsche Geiselnahme, aber es soll das Volk nicht leiden.
Meurer: Wie schätzen Sie die humanitäre Situation im Augenblick im Gazastreifen ein?
Ferrero-Waldner: Ich fürchte eben, dass sie nach wie vor schlecht ist. Wir müssen alles daran setzen, Aufrufe zu setzen, dass sie nicht noch schlimmer wird. Denn ich glaube, es ist ganz, ganz wichtig, dass beide Seiten jetzt eigentlich vor diesem Abgrund eher zurückgehen, an dem sie sich befinden und wo eigentlich eine Krise so weit gehen könnte, dass niemand sie mehr eindämmen kann. Das wäre äußerst gefährlich.
Meurer: Was macht Sie optimistisch, was gibt Ihnen Hoffnung, Frau Ferrero-Waldner, dass das Ganze nicht in einem Krieg endet, sondern dass die Krise doch beigelegt werden kann?
Ferrero-Waldner: Ich würde sagen, derzeit muss man die Situation eher mit Realismus betrachten. Wir können nur an beide Seiten appellieren, die Vernunft hier einzuschalten und die Vernunft walten zu lassen. Denn je schwieriger die Lage, desto mehr Ruhe muss bewahrt werden.
Meurer: Sie sind ja in den letzten Jahren häufiger in Israel und in den Palästinensergebieten gewesen. Können Sie sich erinnern, dass die Situation dort schon einmal an einem so kritischen Punkt gestanden hat?
Ferrero-Waldner: Ich glaube, es gab immer wieder sehr schwierige Punkte, aber ich gebe zu, dass das eine eben, wie ich gerade sagte, Krisensituation ist, die wirklich aus der Hand laufen könnte. Wir müssen alles daran setzen, dass dies nicht geschieht. Und ich bin sicher, dass das heute auch ein Thema bei unserem G8-Außenministertreffen in Moskau sein wird.
Meurer: Welche Vorschläge könnte es denn beim G8-Außenministertreffen geben in diesem Zusammenhang?
Ferrero-Waldner: Vielleicht noch einmal ein gemeinsamer Appell aller G8-Außenminister an beide Seiten oder allenfalls auch am Gipfel.
Meurer: Was will die EU, die Europäische Union tun, um Einfluss zu nehmen?
Ferrero-Waldner: Ich meine, wir haben ja viele Einflussmöglichkeiten. Wir kennen beide Parteien, und selbstverständlich werden hier auch entsprechende Aktionen weiter gesetzt werden. Sie wissen ja, dass neben den Ägyptern auch offensichtlich französische Kollegen mit eingeschaltet sind, was die Befreiung dieser Geisel Schalit anbetrifft. Also auch hier sind natürlich gewisse Kanäle da, aber ich möchte jetzt darüber nicht sprechen.
Meurer: Wie aussichtsreich diese Verhandlungen zur Geiselbefreiung möglicherweise sind, haben Sie dazu Informationen oder eine Einschätzung?
Ferrero-Waldner: Dazu habe ich momentan leider keine Einschätzung. Ich kann nur hoffen, dass es gelingt, um diese Krise so schnell als möglich zu beenden.
Meurer: Die Hamas, die zuletzt die Wahlen gewonnen hat, hat ja jetzt erstmals indirekt das Existenzrecht Israels anerkannt. Für wie bedeutsam halten Sie diesen Schritt der Hamas-Organisation?
Ferrero-Waldner: Ich halte ihn für einen wichtigen ersten Schritt auf diesem Wege der Anerkennung der drei Prinzipien. Allerdings glaube ich, dass die drei Prinzipien voll anerkannt werden müssen, aber es ist immerhin eine Bewegung in die richtige Richtung, eine Bewegung in Richtung auch Wegskizze "road map" zu einer Zwei-Staaten-Lösung und insofern durchaus zu begrüßen.
Meurer: Das Angebot reicht aber dann noch nicht aus, um die Finanzhilfen der EU wieder an die Autonomiebehörde zu überweisen?
Ferrero-Waldner: Nein, da haben Sie Recht. Wir haben aber noch einmal betont, dass wir jederzeit bereit sind, mit einer Regierung, die klar diese drei Prinzipien anerkennt, selbstverständlich zusammenarbeiten würden.
Meurer: Die beiden anderen Prinzipien neben der Anerkennung sind?
Ferrero-Waldner: Das sind selbstverständlich keine Gewalt, voller Gewaltverzicht, und auch das dazu stehen, dass frühere Abkommen der Palästinenser eingehalten werden müssen wie zum Beispiel Oslo oder eben auch die "road map", die Wegskizze, die ja zu einer Zwei-Staaten-Lösung führen kann.
Meurer: In Moskau tagen heute die Außenminister der G8-Staaten. Ein Thema: die Krise zwischen Israelis und Palästinensern. Ich bedanke mich bei Benita Ferrero-Waldner, der EU-Außenkommissarin. Schönen Dank und auf Wiederhören nach Moskau.
Ferrero-Waldner: Danke vielmals. Auf Wiederhören.