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Feuerzeug für das Pentagon

In den USA wird in zwei Jahren der größte Laser der Welt fertiggestellt: riesig wie ein Fußballstadion und mit 3,5 Milliarden US-Dollar eine der teuersten Forschungsanlagen überhaupt. Einerseits könnte er ein Durchbruch für die kontrollierte Kernfusion und damit einer potenziellen Energiequelle der Zukunft sein, andererseits befürchten Kritiker die Entwicklung einer neuen Generation von Wasserstoffbomben.

Von Frank Grotelüschen | 29.07.2007
    Edward Teller. Geboren 1908, gestorben 2003.

    "Ich habe an der Wasserstoffbombe länger und mehr gearbeitet als irgendein anderer."

    Amerikanischer Kernphysiker. Kommunistenfeind. Antreiber des nuklearen Wettrüstens.

    "Livermore unternimmt dasselbe wie das besser bekannte Laboratorium in Los Alamos: geheime Arbeit, die Arbeit an den modernen Waffen."

    Edward Teller. Mitbegründer des Lawrence Livermore National Laboratory in Kalifornien, einem der beiden großen Militärforschungszentren der USA.

    "Und ich muss sagen: Livermore hat einen großen Anteil daran gehabt, dass Amerika bei den modernen Waffen an der Spitze stand und es für die Sowjets unmöglich war, uns einzuholen."

    Livermore liegt anderthalb Fahrstunden östlich von San Francisco, am Highway 580, zwischen flachen, kargen Hügeln. Das Forschungszentrum findet sich am Ortsrand: eine Quadratmeile groß, 8.000 Menschen arbeiten hier. Für Besucher ist es alles andere als leicht, Zutritt zu bekommen. Die Sicherheitsabteilung verlangt eine ganze Litanei an persönlichen Auskünften: Adresse, Geburtsdatum, Telefon, Reisepass, Visum. Das OK kommt spät, ein paar Tage vor dem Abflug.

    Der Grund für den Besuch: In Livermore entsteht eine der teuersten Forschungsmaschinen der Welt - der stärkste Laser, den es je gegeben hat. NIF heißt er, National Ignition Facility. Baukosten 3,5 Milliarden Dollar. Eine Maschine mit doppelter Mission: NIF soll der kontrollierten Kernfusion zum Durchbruch verhelfen - womöglich die Energiequelle der Zukunft, unerschöpflich und klimaschonend. Aber: NIF soll auch wichtige Daten liefern für das Nuklearwaffen-Programm der USA.

    Punkt 1 Uhr 15, das Empfangsbüro an der Westpforte. Vor dem Schalter eine Schlange, einige Leute tragen Uniform. Handy und Kamera dürfen nicht mit aufs Gelände, sagt die Dame hinterm Tresen. Als nächstes bittet sie einen auf einen Hocker vor eine weiße Wand. Eine Digitalkamera löst aus: Das Bild für den Ausweis, der im Forschungszentrum immer deutlich sichtbar zu tragen ist. Und noch eine Vorschrift: Auf dem gesamten Gelände dürfen sich nie zwei Ausländer in ein- und demselben Raum aufhalten, ohne dass ein US-Bürger zugegen ist.

    Dann erscheint Bob Hirschfeld, Mitarbeiter der Pressestelle.
    In seinem Wagen geht es am Wachposten vorbei aufs Gelände: vorbei an zahllosen Laborgebäuden, Hallen, Bürobaracken.

    "Ursprünglich war das hier ein Stützpunkt der US-Marineflieger. Hier wurden während des zweiten Weltkriegs Piloten ausgebildet. Doch nach dem Krieg brauchte man diesen Stützpunkt nicht mehr. Also bot die US-Regierung das Gelände der Universität von Kalifornien an. Die Universität verwaltete damals schon das Forschungszentrum in Los Alamos, wo die Atombombe entwickelt worden war - und sie wollte gern noch ein zweites Labor. Sie übernahm das Gelände und gründete das Forschungszentrum hier in Livermore. Benannt wurde es nach dem Physiknobelpreisträger Ernest Lawrence, einem der Konstrukteure der Atombombe. Das war im Jahre 1952."

    Anfangs sei Livermore ein reines Waffenlabor gewesen. Doch mittlerweile, betont Hirschfeld, laufen hier immer mehr zivile Projekte: Strahlendetektoren, die Koffer am Flughafen nach radioaktivem Inhalt durchforsten. Sensoren, die Krankheitskeime in der Luft aufspüren. Die künstliche Netzhaut, die Blinde sehend machen soll. Und:

    "Wir haben hier den schnellsten Supercomputer der Welt. Er ist mehr als dreimal schneller als der zweitbeste Supercomputer der Welt. Einerseits brauchen wir ihn für militärische Zwecke, für Simulationen von Nuklearexplosionen. Andererseits nutzen wir ihn auch für Klimaberechnungen oder lassen Simulationen für die Molekularbiologie laufen. Wir sind ein Regierungslabor und tun das, was die Regierung für wichtig hält."

    Das Auto fährt an einem Bau vorbei, der aussieht wie der Hochsicherheitstrakt eines Gefängnisses: Wachtürme, meterhoher Stacheldraht, abgerichtete Hunde, Wachposten, die Gewehre geladen mit scharfer Munition. Das ist unser Plutoniumlabor, erklärt Hirschfeld. Später lese ich auf der Homepage, dass man hier Waffenplutonium untersucht: seine Eigenschaften, sein Verhalten, seine Haltbarkeit.

    Dann das Ziel: ein Halle, ziemlich neu und groß wie ein Fußballstadion. In dieser Halle entsteht NIF, der größte Laser der Welt. Im Foyer erwartet uns Robert Kauffman, Physiker und einer der Pioniere von NIF:

    "Angefangen hat es 1993. Damals erhielten wir die Erlaubnis, mit den Konstruktionsplänen für NIF zu beginnen. 1995 wurde das Projekt bewilligt. 2009 soll der Laser endgültig fertig sein. Unser Ziel war immer, eine kontrollierte Kernfusionsreaktion zu zünden. NIF hat aber auch andere Ziele, etwa für das Verteidigungsprogramm der USA: Zum Beispiel wollen wir herausfinden, welchen Effekt eine Kernwaffenexplosion auf die Elektronik von Waffensystemen hat. NIF hat also mehrere Missionen. Und wir freuen uns drauf. "

    Die Kernfusion. Wasserstoff verschmilzt zu Helium, Energie wird frei. Verwirklicht findet sie sich im Inneren der Sonne - und bei der Wasserstoffbombe mit ihrer gewaltigen Explosionskraft.

    Seit Jahrzehnten schon versuchen die Physiker die Kernfusion zu zügeln, um mit ihr in Kraftwerken Energie zu gewinnen. Bislang mit bescheidenem Erfolg. Die meisten Fusionsforscher versuchen es mit der Magnetfusion: Sie wollen Wasserstoffgas in einen Magnetkäfig einsperren und so stark erhitzen, dass es zu Helium verschmilzt. Den Durchbruch soll im nächsten Jahrzehnt das Experiment ITER bringen: ein 30 Meter hoher Reaktor, der bald in Südfrankreich gebaut wird. Er soll ein loderndes Fusionsfeuer entfachen und beweisen, dass die Kernfusion tatsächlich als Energiequelle taugt. In Livermore setzt man auf den anderen, den konkurrierenden Weg - die Trägheitsfusion: ein Laser, der viele ultrastarke Blitze von allen Seiten auf ein Kügelchen aus gefrorenem Wasserstoff schießt und es entzünden soll.

    "Die Strahlen erhitzen den gefrorenen Wasserstoff und pressen ihn so stark zusammen, dass die Wasserstoffkerne zu Helium verschmelzen und Energie liefern."

    Eine Art Wasserstoffbombe im Miniformat. Damit sie funktioniert, müssen die Laserblitze, die von allen Seiten auf den Wasserstoff treffen, unvorstellbar stark sein. Nur: Einen derart starken Laser gibt es noch nicht. Deswegen baut Livermore jetzt die National Ignition Facility - den größten Laser aller Zeiten, 50 Mal stärker als seine Vorgänger.

    Kauffman: "Es sind viele Terawatt. Aber nur einen winzigen Augenblick lang."

    Hirschfeld: "Für einen Zeitraum von 20 Milliardstel Sekunden leistet NIF genauso viel wie alle Kraftwerke in den USA zusammen."

    Die Führung kann beginnen - mit einer Sicherheitseinweisung.

    Hirschfeld: "Ziehen Sie bitte diese rote Weste hier an. Die muss jeder Besucher tragen. So weiß jeder unserer Angestellten, dass Sie sich hier nicht auskennen, und er kann Ihnen in einem Notfall helfen. Außerdem setzen Sie bitte diesen Schutzhelm auf. Achten Sie bitte auf Ihre Schritte. Wo sie eine gelbe Abgrenzung sehen, müssen sie besonders aufpassen. Und hinter einer roten Abgrenzung haben sie nichts zu suchen! Wir wollen nicht, dass ihnen hier etwas passiert."

    Der Fahrstuhl fährt nach oben. Die Tür öffnet sich, es geht weiter durch einen schmalen Gang. Dann bleibt Bob Kauffmann vor einer Tür stehen. "Master Oscillator Room", steht in großen Buchstaben auf einem Schild.

    "Hier entsteht der Laserblitz. Erzeugt wird er durch einen kleinen, unscheinbaren Halbleiterchip. Dieser Chip arbeitet äußerst genau; er kann den Blitz sehr präzise formen. Doch der Blitz aus diesem Chip ist nur sehr schwach, er hat gerade mal ein paar Nanojoule Energie."

    Ein einziger, schwacher Blitz. Man kann ihn nicht mal sehen, seine Frequenz liegt im Infraroten. Diesen Blitz teilen die Forscher in 192 Einzelblitze. Und diese Einzelblitze müssen gewaltig verstärkt werden - um einen Faktor von 3 Billiarden. Im Wesentlichen passiert das in einer großen Halle, der Laserhalle.

    Um keinen Schmutz in die Halle zu tragen, streifen wir Überschuhe aus Plastik über die Füße und legen ein Haarnetz an. Außerdem sind klobige Sicherheitsbrillen vorgeschrieben - ein Schutz gegen die Schweißfunken, die bei den Bauarbeiten in der Halle herumfliegen.

    Kauffman: "Bevor wir einen Laserschuss abgeben, müssen wir die Halle evakuieren. Sonst könnten Leute durch den Laserstrahl verletzt werden, oder durch Hochspannungsfunken. Also darf hier während eines Schusses keiner drin sein."

    Hirschfeld: "Um hier reinzukommen, müssen Sie eine Code-Karte in diesen Schlitz stecken. Dann weiß der Computer, dass Sie in der Halle sind. Wenn Sie dann wieder rausgehen, müssen Sie Ihre Karte erneut in den Schlitz stecken. Auf diese Weise weiß der Computer immer, ob sich noch jemand in der Halle aufhält."

    Die Halle ist riesig. 100 Meter lang und hoch wie ein Kirchenschiff. Vorne wird geschweißt und gehämmert, weiter hinten schleicht ein Roboter von der Größe eines Kleinlasters den Gang entlang. An Bord hat er eine Spezialoptik, die er gleich in den Laser einsetzen wird. Dann kommt Siegfried Glenzer auf uns zu. Er ist Deutscher, doch seit zwölf Jahren schon lebt und arbeitet er als Physiker in Livermore. Glenzer zeigt auf das Innenleben der Halle.

    "Viele große Betonklötze. Die sind vier bis fünf Meter hoch und richtig breit. Es gibt eine ganze Reihe von denen; sie sind aufgereiht entlang der ganzen Laserhalle. Ganz beeindruckend die Größe. Ungefähr vier Meter über uns befinden sich die Laserstrahlen."

    Die Laserstrahlen laufen durch lange Metallröhren, eine für jeden der 192 Laserblitze. An manchen Stellen führen die Röhren durch massive Klötze - die Lichtverstärker. Ihr Herzstück: Glasscheiben, groß wie Kellerfenster, sorgfältig poliert und leicht getönt, denn sie sind mit Neodymatomen gespickt.

    "Es sieht sehr schön aus - hell lila. Der Laserstrahl geht dadurch und wird dabei verstärkt. Der Laser ist so aufgebaut, dass er durch elf von diesen Scheiben viermal durchgeht."

    Kurz bevor die schwachen Laserpulse aus dem Halbleiterchip in die Halle kommen, leuchten Hunderte von Blitzlampen auf. Ihr Licht pumpt Energie ins Neodymglas. Läuft dann der Laserblitz durchs Glas, überträgt das Neodym seine Energie auf ihn und vervielfacht seine Intensität. 44 Mal trifft jeder Laserblitz auf so eine Verstärkerscheibe. Am Ende ist er 3 Billiarden Mal stärker als am Anfang. Einige der 192 Einzellaser sind bereits fertig. Mit ihnen haben die Forscher schon Probeschüsse abgegeben.

    "Natürlich haben wir keinen Zutritt dann. Aber man hat schon mal eine Kamera aufgestellt: Man sieht dann einen großen Blitz, dann ist er auch schon wieder weg. Im Bruchteil einer Sekunde ist der Schuss schon wieder vorbei. Wenn die Blitzlampen schießen, ist das extrem laut. Die Kondensatoren werden entladen, man hört das im ganzen Gebäude. Man hört es richtig rappeln."

    Nur: Nach jedem Schuss heißt es erst mal Abwarten und Tee trinken, sagt Bob Kauffman. Denn:

    "Wenn wir die Blitzlampen auslösen, werden die Verstärkergläser durch das intensive Blitzlicht ziemlich heiß. Bevor wir dann den nächsten Schuss machen können, müssen erst mal warten, bis sich das Glas wieder abgekühlt hat. Sonst sind seine optischen Eigenschaften einfach zu schlecht. In Zahlen heißt das: Wir können den Laser nur alle drei Stunden abfeuern. Im Prinzip kommen wir also auf 8 Schüsse pro Tag. Aber da wir zwischendurch immer wieder umbauen müssen, werden wir im Durchschnitt eher auf zwei Schüsse pro Tag kommen. "

    Dann steckt Kauffmann seine Code-Karte in den Schlitz, und wir verlassen die Laserhalle.

    Der Fahrstuhl bringt uns in eine andere Halle. Sie ist rund wie ein Zirkuszelt. Doch ihre Wände sind extrem massiv.

    Glenzer: "Über einen Meter dicke Betonwände, für den Fall, dass die Fusion stattfinden wird - was wir alle erhoffen innerhalb der nächsten zwei Jahre zu erreichen. Dann würden die Neutronen in den dicken Wänden gestoppt werden."

    Nun sind wir am Ziel. Eine Riesenkugel aus Metall, blau lackiert, Durchmesser 10 Meter. Die Kugelwand hat Dutzende von Löchern groß wie Gullydeckel. Hier schießen die Laserblitze ein.

    "In der Kugel ist hauptsächlich Vakuum. Und in der Mitte der Vakuum-Kugel sitzt das Target, das nur einen Zentimeter groß ist."

    Die 192 Laserstrahlen kommen von allen Seiten. Massive Quarzlinsen fokussieren sie genau auf den Mittelpunkt der Kugel. Zusammen bringen es die Laserstrahlen auf 1,5 Megajoule - soviel Energie, als würde man einen 10-Tonnen-Lkw aus 15 Metern Höhe fallen lassen. Ein paar Nanosekunden lang konzentriert sich diese Energie auf das Ziel, das Target. Es ist ein kleiner Zylinder aus purem Gold, gehalten von einem Teleskoparm. In diesem Zylinder steckt das Brennstoffkügelchen aus gefrorenem Wasserstoff. Genauer gesagt besteht es aus einem Gemisch aus Tritium und Deuterium.

    "Der Goldzylinder ist so groß wie eine Tablettenkapsel. Er hat zwei Löcher, und durch die kommen die Laserstrahlen. Die Strahlen werden an der Innenwand des Zylinders hin- und hergeworfen und erzeugen extrem intensives Röntgenlicht."

    "Dieses Röntgenlicht verdampft dann die Außenschicht des Brennstoffkügelchens zu einem Plasma. Das Plasma dehnt sich schlagartig aus und lässt das Brennstoffkügelchen implodieren. Dann herrschen im Inneren des Kügelchens ein Druck von 100 Millionen Bar und eine Temperatur von 100 Millionen Grad".

    Unter diesen Extrembedingungen können die Wasserstoffkerne zu Helium verschmelzen. Die Fusionsreaktion zündet. Das Entscheidende: Bei der Fusion wird Energie frei - und zwar deutlich mehr, als man mit dem Laser hineingeschossen hat.

    "Die ersten Experimente sollen ungefähr den Faktor 10 der ursprünglichen Laserenergie erzeugen. Etwa 1,5 Megajoule werden auf das Target geschossen, und zwischen 10 und 20 Megajoule wollen wir rausbekommen."

    Später sollen es sogar 100 Megajoule sein, sagt Siegfried Glenzer. Das entspricht einer Sprengkraft von 25 kg TNT - immerhin soviel wie eine Geschossgranate. Noch aber ist das graue Theorie. Denn noch ist NIF nicht fertig. Aber Bob Kauffman und seine Kollegen sind zuversichtlich: NIF wird ein Erfolg.

    "Wir haben viele Computersimulationen gemacht, bei denen wir die Ergebnisse früherer Laserexperimente extrapoliert haben. Und wir sind uns sicher: Wir liegen in einem Bereich, in dem wir die Zündung schaffen können."

    Liebert: "So eine Anlage kann möglicherweise genutzt werden, um Energieforschung zu betreiben, also einen Pfad der Fusion zu verwirklichen."
    Wolfgang Liebert, Physiker an der Technischen Universität Darmstadt.

    "Daran glaubt aber nicht wirklich jemand. Weil mit der Laserfusion wahrscheinlich nie ein Weg zu einer energiewirtschaftlichen Anwendung gefunden werden kann."
    Liebert leitet in Darmstadt die Interdisziplinäre Arbeitsgruppe Naturwissenschaft, Technik und Sicherheit, kurz IANUS. Er beobachtet den Riesenlaser in Kalifornien aus kritischer Distanz.

    "Die entscheidende Frage ist: Wie oft kann so ein Laser schießen, um dann auch zu einer wirtschaftlichen Anwendung zu kommen? Man bräuchte viele Schüsse pro Sekunde, um zu einer Energiequelle zu kommen. Und es ist höchst zweifelhaft, ob das jemals gelingen kann."

    In der Tat: Selbst wenn NIF in ein paar Jahren die Fusion schafft - der Weg zu einem Kraftwerk wäre noch weit. Offene Fragen gibt es viele:
    Wie wandelt man die Energie, die bei der Explosion des Brennstoffkügelchens frei wird, effektiv in Strom um? Wo sind die Materialien, die auf Dauer dem ständigen Neutronenbombardement standhalten, das in einem Fusionsreaktor zu erwarten ist? Und wo sind die Laser, die mehrere Schüsse pro Sekunde schaffen statt nur drei pro Tag - und das auch noch deutlich effizienter als der Laser in Kalifornien?

    Es gibt noch jede Menge Hindernisse auf dem Weg zu einem Fusionskraftwerk. Das geben auch Siegfried Glenzer und seine Kollegen in Livermore zu. Aber: Sie sehen Licht am Horizont.
    " Man arbeitet an vielen Fronten gleichzeitig, um möglicherweise ein kommerzielles Fusionskraftwerk bauen zu können. "

    Man könnte zum Beispiel mit zwei Lasern schießen statt mit einem: Der erste würde zum Vorkomprimieren dienen, der zweite dann als Zündkerze. Oder: Man könnte das Target künftig mit grünem Licht beschießen. Der Vorteil:

    "Man könnte mit viel mehr Energie reingehen und eine größere Fusionskapsel zum Zünden bringen."

    Oder: Man nimmt gar keinen Laser zum Zünden, sondern schnelle Teilchenstrahlen, erzeugt von einem riesigen Beschleuniger. Zwar sind all diese Ideen noch recht vage. Dennoch: Die Forscher aus Livermore glauben an ihre Mission.

    Kauffman: "Das hängt natürlich von den Forschungsgeldern ab, die man investieren will und vom Aufwand, den man in diese Projekte steckt. Aber ich könnte mir vorstellen, dass wir in 15 bis 20 Jahren ein richtiges Demonstrationskraftwerk haben."

    Und was steckt hinter der militärischen Mission von NIF, dem größten Laser der Welt? Als Antwort zeigt Siegfried Glenzer auf die Targetkammer, die blaue Riesenkugel - auf eine Stelle mit einer auffallend großen Öffnung.

    "Hier sieht man ganz schön eine mögliche Anwendung für ein militärisches Experiment. Man sieht eine riesengroße Öffnung in der Targetkammer. Die Anwendung ist ganz einfach, dass man ein Objekt reinfährt und in die Targetkammer reinbringt. Und dann untersucht man den Einfluss der Röntgenstrahlen, die erzeugt werden, auf dieses Objekt.""

    Mit solchen Versuchen wollen die Militärs unter anderem herausfinden, ob ihre Waffensysteme noch funktionieren, wenn sie extremer Strahlung ausgesetzt sind - Strahlung, wie sie bei der Explosion einer Wasserstoffbombe frei wird. Bob Kauffman deutet auf einen mit Elektronik vollgestopften Kasten, knapp so groß wie ein Kühlschrank.

    "Das hier ist glaube ich ein Gerät, das die Militärs testen wollen, und zwar seine Beständigkeit gegenüber radioaktiver Strahlung. Ich weiß nicht genau aus, was es ist. Aber es könnte mit dem neuen Raketenabwehrsystem der USA zu tun haben.
    "

    Und die Zündung im Reaktor? Ist nicht auch sie hochinteressant für die Militärs - wo doch im kleinen Maßstab dasselbe passiert wie bei einer Wasserstoffbombe? Die Antwort von Bob Kauffman, sie fällt ziemlich knapp aus.

    "Natürlich passiert das auch in Atomwaffen. Und dadurch wird es möglich, die Waffenphysik besser zu verstehen - und zwar ohne Kernwaffentests durchführen zu müssen."

    Liebert: "Eingebettet ist diese National Ignition Facility in das sog. Stockpile Stewardship Program - also das Programm in den USA, was sich bemüht, die Permanenz der Atomwaffen aufrechtzuerhalten. Das Wissen, das Know-how, soll gesammelt werden, und es soll möglich werden, das Atomwaffen-Arsenal erhalten und verbessern zu können, ohne auf unterirdische Tests zurückgreifen zu müssen."

    Ohne diesen militärischen Aspekt wäre der 3,5 Milliarden teure Riesenlaser nie gebaut worden. Da ist sich Wolfgang Liebert aus Darmstadt sicher.

    "Man muss sich das so vorstellen, dass man im Prinzip eine Wasserstoffbomben-Explosion im Labor erzeugt. Das ist natürlich keine Waffe. Aber man kann die entscheidende Physik studieren, die man braucht, um die Atomwaffen gut zu verstehen. Man braucht die experimentellen Daten, um verstehen zu können, was in den Waffen genau abläuft."

    Die Ergebnisse von NIF sollen kombiniert werden mit den Daten aus anderen Nuklearlabors und den Simulationen von Supercomputern - der größte und schnellste von ihnen steht ja ebenfalls in Livermore. Damit wollen sich die USA möglichst unabhängig machen von Kernwaffentests. Die sind schließlich seit den 90er Jahren verboten. Nur: Kritiker befürchten, dass es bei diesem Programm nicht nur darum geht, das bestehende Atomwaffenarsenal aufrecht zu erhalten und herauszufinden, ob die Sprengköpfe vorzeitig altern und dann womöglich nicht mehr funktionieren. Nein - womöglich geht es den Militärs auch darum, eine ganz neue Generation von Kernwaffen zu entwickeln.

    Liebert: "Ich glaube schon, dass wenn diese National Ignition Facility funktioniert und erste Experimente gemacht werden, man sehr viel mehr darüber versteht, was in einer thermonuklearen Waffe an Prozessen abläuft. Und die können auf jeden Fall benutzt werden für das Design von Kernwaffen. Da gehören auch Überlegungen dazu, schlagkräftig zu werden gegen Massenvernichtungsprogramme anderer Staaten. Und das bedeutet als ein wichtiger Aspekt, der heiß diskutiert wird: Sollte man nicht Nuklearwaffen als Bunkerbrecher einsatzfähig machen? Das wäre ein neuer Typ von Sprengkopf. Ob das gelingt, ist physikalisch sehr zweifelhaft. Aber das Ziel ist integriert in diese neue Nuklearwaffenplanung der USA."

    Und die USA ist nicht die einzige Atommacht, die einen Riesenlaser baut. Frankreich arbeitet an einer ganz ähnlichen Maschine, einem Projekt namens Megajoule. Es entsteht in der Nähe von Bordeaux und soll zwei Jahre später fertig sein als NIF.

    "Es ist grundsätzlich dieselbe Thematik. Nur ist es so, dass wir über die US-Planung weit mehr erfahren, weil wir eine größere Offenheit durch den US-Kongress und andere Quellen haben. In Frankreich ist das noch mehr unter der Decke der Verschwiegenheit. Aber es ist auch da völlig klar, dass dieser Laser eingebaut ist in ein Programm, das die Kernwaffen der Franzosen beibehalten und fortentwickeln will."

    Zurück in Livermore. Auf dem Weg zum Ausgang ein Blick in den Kontrollraum: An der Wand fünf riesige Flachbildschirme, davor Dutzende von kleineren Monitoren. Blinkende Anzeigelämpchen, Displays zeigen Kurven, Zahlen und Diagramme. Eine Atmosphäre wie auf der Brücke eines Raumschiffs.

    Glenzer: "Man sieht hier vorne ein Pult. Da sitzt der Schussdirektor. Er ist verantwortlich für den ganzen Schuss, für alle Abläufe, die in der Anlage stattfinden."

    Es herrscht hektische Betriebsamkeit. Die Forscher bereiten gerade den nächsten Probeschuss vor.

    "Der nächste Schuss wird heute Nacht stattfinden. Im Moment machen wir immer wieder Testschüsse, um die Qualität der Laserstrahlen zu optimieren."

    "Wir starten den Schuss mit einem Countdown. Dieser Countdown dauert etwa fünf Minuten. Am Anfang checken die Computer, ob alle Daten stimmen. Danach laden wir die Kondensatoren. Das dauert etwa zwei Minuten. Dann werden die Kondensatoren schlagartig entladen, die Blitzlampen leuchten auf und regen das Neodym in den Glasscheiben an. Sekundenbruchteile später schicken wir den Puls aus dem Halbleiterchip los. Er läuft durch die Glasscheiben, wird dort verstärkt und trifft dann auf das Target. "

    Bislang funktionieren nur 48 der 192 Laserstrahlen - zu wenig, um die Fusion zu zünden. Doch das, sagt Siegfried Glenzer, soll sich bald ändern.

    "Der Plan von heute bis zur Fusion ist eigentlich schon klar. Wir könnten jetzt in mein Büro gehen, dann könnte ich Ihnen das Planungsdokument zeigen."

    Auf diesem Plan steht: Sommer 2008 - Fertigstellung von Laser 96. Sommer 2009: Fertigstellung von Laser 192. Die National Ignition Facility - mit 3,5 Mrd. Dollar eine der teuersten Forschungsmaschinen der Welt - ist komplett und operationsfähig.

    Kauffman: "Unsere erste Zündung ist für September 2010 vorgesehen. Doch wir hoffen, sie schon früher zu schaffen."

    Eine Erfolgsmeldung, auf die man im Pentagon schon warten dürfte.