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Fieberhafte Suche nach dem EHEC-Erreger

Es sei eine schwierige Suche nach der Quelle des EHEC-Erregers, sagt CDU-Agrarexperte Franz-Josef Holzenkamp. Laut Robert-Koch-Institut habe man in den letzten Jahren in 80 Prozent der EHEC-Infektionen keine Quelle ausfindig machen können. Gewisse Unstimmigkeiten seien damit zu erklären, dass "alle unterwegs" seien.

Franz-Josef Holzenkamp im Gespräch mit Gerwald Herter | 07.06.2011
    Dirk Müller: Gurken, Tomaten, Salate und jetzt auch noch Sprossen, das ist alles derzeit Tabu, da die Quelle des EHEC-Erregers immer noch nicht geklärt ist. Die Behörden und die Wissenschaftler arbeiten rund um die Uhr, doch verlässliche Erkenntnisse liegen nicht vor. Hinzu kommt die zunehmende Kritik am Krisenmanagement der Politik. – Mein Kollege Gerwald Herter hat darüber mit Franz-Josef Holzenkamp gesprochen, er ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft in der Unions-Fraktion im Bundestag. Wie gut ist das Krisenmanagement wirklich?

    Franz-Josef Holzenkamp: Also ich weiß, dass die Bundesregierung und insbesondere die Institute, also das Bundesinstitut für Risikoforschung, wie auch das Robert-Koch-Institut, was ja auch die Federführung hat, unter Hochdruck arbeiten und alles Menschenmögliche tun, um die Quelle von EHEC letztendlich zu finden.

    Gerwald Herter: Sie tun alles Menschenmögliche, dennoch haben wir hier eine schwierige Struktur. Da ist die Europäische Union zuständig, die Landesregierungen sind zuständig, verschiedene Bundesbehörden sind zuständig und die Bundesregierung schaltet sich ein. Kann denn so etwas funktionieren?

    Holzenkamp: Die Bundesregierung, die hat tatsächlich mit ihren Instituten eigentlich mehr die Funktion der Unterstützung und des Moderators. Die tatsächliche Zuständigkeit in unserer Republik haben die Bundesländer, die hier eigenverantwortlich unterwegs und zuständig sind. Man muss vielleicht nach der Krise auch mal genau gucken, wo eventuell Fehler gewesen sind, eventuell, und sie dann korrigieren. Aber ich möchte im jetzigen Stadium, wo alle unterwegs sind und versuchen, schnellstmöglich ein Ergebnis zu erzielen, jetzt nicht mir anmaßen, da irgendwo zu werten. Das könnte ich auch nicht, weil ich in deren Arbeit auch nicht hineinschauen kann.

    Herter: Das können wir auch nicht. Wir hören aber von der Opposition, dass die Bundesländer durchaus unterschiedliche Ansätze verfolgen, also nicht gerade an einem Strang ziehen.

    Holzenkamp: Also ich bin ja ein Niedersachse, ich kenne mich in Niedersachsen auch gut aus, ich kenne die Institutionen auch in Niedersachsen gut und ich weiß, dass zum Beispiel in Niedersachsen die Arbeit eigentlich gut koordiniert ist.

    Herter: Weil verschiedene Indizien dazu geführt haben, dass man einen bestimmten Betrieb identifiziert hat.

    Holzenkamp: Ja.

    Herter: Vor dessen Produkten hat man gewarnt. Auf der anderen Seite muss man sagen, die Proben sind bislang negativ.

    Holzenkamp: Richtig.

    Herter: War die Warnung nicht doch zu früh?

    Holzenkamp: Ja das ist immer die große Frage. Weil wir so viele Todesfälle und Krankheitsfälle haben und weil die Indizien sich ja sehr stark verdichtet haben und nicht nur an eine Stelle hin, sondern an unterschiedlichsten Abnehmern, glaube ich, war die Warnung richtig und notwendig.

    Herter: Obwohl es eine "falsche Warnung" auch aus Hamburg gegeben hat vor spanischen Gurken, wo sich im Nachhinein - diese Erfahrung hatte man schon gemacht – herausgestellt hat, spanische Gurken waren es nicht, es war nicht diese gefährliche Form des EHEC-Erregers.

    Holzenkamp: Inhaltlich würde ich da etwas differenzieren. In Hamburg hat man den EHEC- oder einen EHEC-Erreger festgestellt, aber eben zum Schluss nicht diesen Stamm. Vielleicht hat man dort etwas vorschnell gewarnt, weil es eben ein anderer Erreger war, oder ein anderer Stamm des EHEC-Erregers war.

    In Niedersachsen hat man ja auch sehr deutlich formuliert, dass diese Warnung auf Basis von Indizien erfolgt, und das auch sehr deutlich formuliert. Von daher glaube ich, dass das auch in der Wortwahl ausgewogen war.

    Herter: Aus Niedersachsen haben wir auch gehört, dass es überhaupt fraglich ist, ob man diese Verbreitungsquelle überhaupt jetzt noch im Nachhinein identifizieren kann.

    Holzenkamp: Ja.

    Herter: Wenn Betriebe gut hygienisch geführt werden, so kann es sein, dass nach einer Woche der Erreger dort nicht mehr nachweisbar ist. Gehen Sie davon aus, dass man die Quelle finden wird?

    Holzenkamp: Also ich hoffe es zumindest, will aber nicht spekulieren. Man hat ja, so hat das Robert-Koch-Institut uns am letzten Mittwoch in einer Sonderausschuss-Sitzung erklärt, in bisherigen EHEC-Verläufen über Jahre hinweg in nicht mal 80 Prozent aller Fälle wirklich die Quelle ausfindig gemacht. Das zeigt, dass es sehr, sehr schwierig ist. Ich hoffe, dass man auch aufgrund der Häufigkeit der Krankheitsfälle und leider auch der Todesfälle, die wir beklagen müssen, hoffentlich die Quelle findet, damit wir auch genau sagen können, wie wir Risiken ausschließen können.

    Herter: Sie sind Niedersachse, Sie haben das schon gesagt. Dioxin, da erinnern wir uns. Es kommt immer wieder zu Skandalen, die auch in Zusammenhang gebracht werden mit Niedersachsen. Ist das nur ein Zufall?

    Holzenkamp: Also Niedersachsen, muss man feststellen, ist erst mal Agrarland, ein großes Bundesland, ein Flächenland mit viel Agrarproduktion. Dort wo viel ist, kann auch statistisch häufiger etwas vorkommen. Nur in diesem Fall kann man auch dem betroffenen Betrieb ja überhaupt keine Vorwürfe machen, das hat auch der niedersächsische Minister schon gestern Abend so benannt. Man muss wirklich an die Ursache herangehen, wobei diese Krise ja ein Vielfaches wirklich schlimmer ist wie zum Beispiel bei der Dioxin-Krise, da waren ja zu keinem Zeitpunkt Menschen in Gefahr.

    Herter: In einer Presseerklärung haben Sie mitgeteilt, dass viele Landwirte völlig unverschuldet jetzt in eine Absatzkrise geraten, weil sie einfach kein Geld mehr einnehmen, ihre Produkte wegschmeißen müssen.

    Holzenkamp: Ja.

    Herter: Aber muss man nicht sagen, dass die industrielle Landwirtschaft, wie sie heute betrieben wird, diese Risiken birgt?

    Holzenkamp: Wir haben in Niedersachsen insgesamt eine sehr erfolgreiche arbeitsteilige Landwirtschaft. In einem arbeitsteiligen Prozess muss man sich ständig weiterentwickeln, alle möglichen Risiken letztendlich zu vermeiden, und das wird eine ständige Verbesserung sein. In diesem konkreten Fall handelt es sich ja gar nicht um eine arbeitsteilige intensive Landwirtschaft, sondern im Gegenteil, und deshalb, glaube ich, muss man mit solchen Beurteilungen sehr zurückhaltend und vorsichtig sein, solange man zumindest die genaue Ursache noch nicht kennt.

    Müller: Mein Kollege Gerwald Herter im Gespräch mit Franz-Josef Holzenkamp. Er ist Vorsitzender der Arbeitsgruppe Ernährung und Landwirtschaft in der Unions-Fraktion.


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    Ein Landwirt vernichtet mit seinem Traktor ein Feld mit Blattsalaten von der Sorte Lollo Bionda im südpfälzischen Weingarten.
    Ein Landwirt vernichtet mit seinem Traktor ein Feld mit Blattsalaten von der Sorte Lollo Bionda im südpfälzischen Weingarten. (AP - Ronald Wittek)