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FIFA-Exekutive in Tokio

In Tokio traf sich am Rande der Klub-Weltmeisterschaft zum letzten Mal in diesem turbulenten Jahr das Exekutivkomitee des Fußball-Weltverbandes FIFA. Eigentlich hatte Präsident Joseph Blatter zu diesem Termin versprochen, die so genannte Einstellungsverfügung im ISL-Bestechungsskandal zu veröffentlichen. Doch dies wurde auf unbestimmte Zeit verschoben. Dafür hat Blatter einige korrupte FIFA-Funktionäre entlastet.

Von Jens Weinreich |
    Schon vor kurzem hatte die FIFA in einer dürren Mitteilung das Exekutivmitglied Worawi Makudi aus Thailand vom Vorwurf freigesprochen, eigenen Grundbesitz mit Mitteln aus dem Entwicklungshilfeprogramm GOAL aufgewertet zu haben. Makudi habe entlastende Unterlagen vorgelegt, hieß es. Nähere Angaben dazu wurden nicht gemacht. Makudi verweigerte sich einem Interview.

    Der Deutschlandfunk erfuhr jedoch exklusiv, um welche Unterlagen es sich handelte: Mit Datum vom 16. November 2011 hat Makudi die Grundstücke an Thailands Fußballverband übertragen. Ein von der FIFA in Auftrag gegebenes Gutachten der Zürcher Kanzlei Niederer, Kraft & Frey hält das fest. Die beglaubigte Übertragung geschah also erst acht Jahre nachdem Makudi das Versprechen gegeben und das GOAL-Geld beantragt hatte. Und erst, nachdem die FIFA ihm bis 1. Dezember eine zweite Frist gesetzt hatte, Unterlagen beizubringen. Ob er zur ersten Frist gelogen hat und gefälschte Unterlagen einreichte, wie thailändische Quellen vermuten, lässt sich nicht sagen. Die FIFA gibt dazu und zu vielen anderen Fragen in der Causa Makudi keine Antwort.

    Den Vizepräsidenten Issa Hayatou aus Kamerun, ISL-Schmiergeldempfänger, unterstützte Blatter ebenfalls. Hayatou war vergangene Woche vom Internationalen Olympischen Komittee IOC nur ermahnt worden. Die FIFA unternimmt gar nichts.

    Blatters Aussage, simultan übersetzt in Tokio:

    "Herr Hayatou ist immer noch ein gutes, ständiges Mitglied. Und das Exekutivkomitee hat das ebenfalls betont, und die meisten haben sogar geklatscht."

    Ovations für Hayatou? Diese Frage geht an den DFB-Präsidenten Theo Zwanziger.

    "Stimmt es, dass Hayatou Beifall bekommen hat heute?""

    "Haben Sie bitte Verständnis, dass ich also über Sitzungsinhalte, über Wortbeiträge und auch über Beifall oder Pfiffe keine Auskunft geben möchte."

    Nur zwei Stunden dauerte die Sitzung, in der die Namen der Mitglieder der Governance-Kommission des Basler Professors Mark Pieth bekannt gegeben wurden. Reformen im Schnelldurchlauf. Die Besetzung ist wenig spektakulär, Transparency International verzichtet auf einen Sitz. Während sich Zwanzigers Statutenkommission bereits zweimal getroffen hat, wird Pieths Kommission im Januar die Arbeit aufnehmen und dabei auch investigative Journalisten befragen. Ende Februar soll es gemeinsame Sitzungen aller fünf Kommissionen geben, die zum so genannten Reformpaket gehören.

    Entscheidend für die Glaubwürdigkeit dieser mit viel PR-Gedöns vermarkteten Gruppen wird der Umgang mit der Vergangenheit sein. Blatter benutzte in Tokio einige Male die Vokabel "Schlussstrich". Auf eine offenbar bestellte Frage eines so genannten Journalisten aus Katar, der all jene bestrafen lassen will, die die WM-Vergabe an das Emirat kritisieren, erklärte Blatter:

    ""Ich kann ihnen sagen, dass die Entscheidung der FIFA-Exekutive am 2. Dezember 2010, die WM 2018 an Russland und 2022 die WM an Katar zu vergeben, aufrechterhalten bleibt. Ich weiß nicht, wer diese Entscheidungen umstoßen sollte. Wenn sie die Leute innerhalb der FIFA fragen, ob es Mitglieder gibt innerhalb des Exekutivkomitees, die solche Erklärungen abgeben, dann werde ich persönlich eingreifen. Ich kann natürlich nicht die gesamte FIFA-Familie aufhalten."

    Der Interpretation, er sei nicht daran interessiert, Korruption bei der WM-Vergabe aufzuklären, werde aber gegen all jene vorgehen, die Aufklärung fordern und die skandalumtoste WM-Vergabe kritisieren, widersprach Blatter vehement. Ein Eiertanz.

    Zwanziger, der im Zusammenhang mit der WM in Katar kürzlich das Wort "pervers" benutzt hat, blieb von Blatters Drohungen unbeeindruckt.

    "Normalerweise ist das doch nicht der Ort, wo man eine Weltmeisterschaft austragen sollte. Und natürlich auch all das, was darum herum gerankt und geschrieben werden kann. Allerdings muss ich auch sagen, es gibt für mich erkennbar bis heute keinen Beleg, dass dort Korruption oder was auch immer am Platz gewesen sein könnte. Es sind wohl Interessen eingeflossen, die ein Stück über den rein sportlichen Vergabeprozess hinausgehen. Und ich denke, diese Aussage habe ich in der Vergangenheit gemacht und die werde ich auch in der Zukunft machen. Das muss ich sagen und das werde ich mir auch nicht verbieten lassen."

    Blatter schützt etliche alte Weggefährten wie Makudi und Hayatou. Er will nach vorn schauen, nicht zurück, das sagte er oft. Er trägt vernehmbar auch nichts zur Aufklärung der märchenhaften Reichtümer des Ersten Vizepräsidenten und FIFA-Finanzchefs Julio Grondona und des Amerikaners Chuck Blazer bei.

    Zwanziger unterstellt Blatter dennoch ein Interesse an Reformen. Vor allem aber nennt er zwei der entscheidenden Themen in den kommenden Wochen:

    "Also einfach Vergangenheit totreden und sagen, die ist jetzt weg, das wird man nicht können. Und von daher denke ich schon, dass diese Punkte WM-Vergaben und auch das Thema ISL auf der Tagesordnung bleiben werden, ob man es will oder nicht. An diesem Punkt wird man nicht vorbei kommen. Dass man einfach auch klar und deutlich beschreibt: Was ist gewesen? Wo hat es Zahlungen gegeben? Inwieweit sind die zu beanstanden, inwieweit sind die ethisch vorwerfbar? Und wenn das auf dem Tisch liegt, dann muss die Frage geprüft werden, gibt es unter den heutigen Statuten die Möglichkeit einzuschreiten oder gibt es sie nicht mehr. Also das ist für diesen Vorgang aus meiner Sicht völlig klar: Offenlegung, so schnell wie möglich. Und auch da gilt nur, konsequent zu sein."

    Zwanziger sagt, er wolle es nicht nur in der Frage der WM-Vergabe an Katar genau wissen. Unabhängig von den angeblich rechtlichen Problemen bei der Veröffentlichung der ISL-Einstellungsverfügung, für die die FIFA einst sogar ein Millionen-Schweigegeld gezahlt hat, will Zwanziger alle FIFA-Funktionäre überprüft haben, die in den ISL-Unterlagen auftauchen. Und das sind neben Hayatou auch Ehrenpräsident Havelange sowie aus dem Exekutivkomitee Südamerikas Konföderationschef Leoz und Brasiliens Verbandschef Teixeira.

    Teixeira, auch WM-Organisationschef 2014, hat sich zunächst einmal von der FIFA beurlauben lassen – bis Ende Januar.