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FIFA-Skandal
"UEFA und FIFA sind nicht ohne Weiteres zerstörbar"

Nach der Suspendierung von Sepp Blatter und Michel Platini sei es wichtig, ein transparentes Wahlverfahren in der FIFA zu organisieren, sagte Silvia Schenk von Transparency International im DLF. Man könne nicht zulassen, "dass die FIFA führungslos dahindümpelt". Die Existenz beider Verbände sieht Schenk dennoch nicht bedroht.

Silvia Schenk im Gespräch mit Matthias von Hellfeld | 09.10.2015
    FIFA-Präsident Joseph Blatter (l) und UEFA-Präsident Michel Platini beim 65. FIFA-Kongress am 29.5.2015 im Schweizerischen Zürich
    FIFA-Präsident Joseph Blatter (l) und UEFA-Präsident Michel Platini sind von der FIFA-Ethikkommission für 90 Tage von ihren Ämtern suspendiert worden. (picture-alliance / dpa / Walter Bieri)
    Matthias von Hellfeld: Seit gestern munkelten es die Insider des Weltfußballs, heute wurde es Realität. FIFA-Präsident Sepp Blatter und UEFA-Chef Michel Platini sind von der FIFA-Ethikkommission für die kommenden 90 Tage von allen ihren Ämtern suspendiert worden. Nun, so jedenfalls die Hoffnung, besteht die Möglichkeit, den Sumpf aus Korruption und Vetternwirtschaft innerhalb der FIFA trockenzulegen.
    Wir bleiben beim Thema Korruption in der FIFA und sind jetzt mit jemandem verbunden, der es genau weiß, nämlich Silvia Schenk. Sie war nicht nur erfolgreiche Leichtathletin, sondern sie leitet die Arbeitsgruppe Sport, und zwar von Transparency International. Guten Abend, Frau Schenk.
    Silvia Schenk: Hallo! Guten Abend!
    Von Hellfeld: Hat Sie die Entscheidung der FIFA-Ethikkommission überrascht, oder haben Sie sie erwartet?
    Schenk: Nachdem gestern Abend die ersten Gerüchte auftauchten, habe ich sie erwartet, hatte aber davor nicht unbedingt damit gerechnet, dass jetzt auch noch solche vorläufigen Suspendierungen ausgesprochen werden.
    Von Hellfeld: Blatter und Platini sind jetzt zunächst mal für 90 Tage aus dem Verkehr gezogen. Können die beiden je wieder in den Weltfußball zurückkehren?
    Schenk: Blatter wohl sowieso nicht, weil das ist ja dann fast schon die Neuwahl, die dann ansteht, wenn die 90 Tage vorbei sind. Dann blieben ihm nur wenige Wochen, weiterzumachen.
    Bei Platini weiß ich es nicht. Da muss man jetzt einfach abwarten, auf welcher Faktenbasis denn diese Suspendierung stattgefunden hat. Die muss ja eigentlich schon sehr grundlegend sein, denn wenn man so in einen Wahlkampf eingreift, wie das die Ethikkommission mit dieser vorläufigen Maßnahme tut, dann muss man sehr gute Gründe dafür haben. Aber die sind bisher, wenn ich das richtig sehe, nicht öffentlich bekannt gegeben worden, jedenfalls nicht, was es an Fakten und Nachweisen gibt.
    "Der wichtigste Punkt wird sein, ein transparentes Wahlverfahren zu organisieren"
    Von Hellfeld: So ein bisschen müssen wir heute Abend tatsächlich noch spekulieren. Was sind denn möglicherweise die nächsten Schritte, die jetzt kommen?
    Schenk: Es könnte sein, dass Platini und Blatter sich wehren. Das muss man abwarten, was es dann dazu an Diskussionen gibt. Das ist die eine Seite. Viel interessanter ist aber jetzt die Frage, wie geht es bei der FIFA selber weiter. Da hat der bisherige Vizepräsident Hayatou, dem nun auch nicht unbedingt zu trauen ist, jetzt die Führung übernommen. Entscheidend wäre wohl, dass es möglichst schnell eine Sitzung des Exekutivkomitees gibt und möglichst diejenigen, die neu drin sind und nicht belastet sind von irgendwelchen Vorwürfen, wie es bei Hayatou zum Beispiel der Fall ist, dass die jetzt sagen, wir übernehmen die Führung der FIFA, damit man jetzt nicht führungslos weitersteuert. Und der wichtigste Punkt wird dann sein, ein transparentes Wahlverfahren zu organisieren, damit nicht alles in einer absoluten Schlammschlacht endet.
    Von Hellfeld: Wenn jetzt die Führungsspitze und vielleicht noch mehr Menschen in der FIFA korrupt waren oder Bestechung ausgeübt haben, hat das auch Auswirkungen auf die Vergabe beispielsweise von Weltmeisterschaften in den kommenden Jahren gehabt und was muss dann eigentlich als Konsequenz daraus kommen?
    Schenk: Man müsste für jeden einzelnen Fall erst mal nachweisen, dass Korruption stattgefunden hat, dass die Korruption ausschlaggebend war. Das müsste gerichtsfest nachgewiesen werden, das ist ein längerer Prozess. Da kann man nicht einfach sagen, da sind zwar Verträge von der FIFA geschlossen worden. Wenn Sie jetzt darauf anspielen, die Vergabe des Fußball-World-Cups 2018 und 2022 an Russland und Katar, das lässt sich nicht in einem Handstreich, auch nicht mit einem neuen Exekutivkomitee oder nur einem neuen Präsidenten vom Tisch wischen. Das ist juristisch im Moment schon ziemlich festgelegt.
    "Es bringt nichts, über Korruption zu spekulieren"
    Von Hellfeld: Das heißt, die beiden Weltmeisterschaften werden, egal wie sie zustande gekommen sind, da stattfinden, wohin sie vergeben worden sind?
    Schenk: Nicht egal wie sie zustande gekommen sind, aber wenn man jetzt Fakten finden und nachweisen könnte und das alles vor Gericht in letzter Instanz, dann ließe sich unter Umständen noch etwas ändern. Nur für die Weltmeisterschaften in Russland wäre das mit Sicherheit zu kurzfristig, weil die sind in drei Jahren schon vorüber, und für Katar wird es auch langsam eng. Aber es bringt auch gar nichts, darüber zu spekulieren. Bislang ist zu diesen beiden Vergaben nichts wirklich nachgewiesen worden. Es geht erst mal darum, die FIFA auch für die Zukunft handlungsfähig zu machen.
    "UEFA und FIFA sind nicht zerstörbar ohne Weiteres"
    Von Hellfeld: Sie hatten eben gesagt, dass Transparenz bei der Nachfolgewahl hergestellt werden müsse. Was muss sich denn überhaupt grundlegend ändern? Sind FIFA und UEFA, so wie sie jetzt sind, überhaupt erhaltbar?
    Schenk: Sie sind aber auch nicht zerstörbar so ohne Weiteres. Das sind immerhin noch juristische Einheiten. Der jeweilige Kongress ist das höchste Gremium, das zu entscheiden hat, wie es weitergeht, das auch Wahlen vorzunehmen hat. Die UEFA ist nicht handlungsunfähig. Da übernimmt jetzt der Vizepräsident Villar die Führung. Und das ist ja auch nur eine vorübergehende Suspendierung. Bei der FIFA ist ja schon terminiert, wann die Neuwahl stattfinden soll. Da wäre es eben nur wichtig, dass jetzt nicht bis zum 26. Oktober, bis die Wahlvorschläge eingereicht werden müssen, noch so viele andere Suspendierungen und Verdächtigungen und sonst was durch den Raum schwirren, dass überhaupt niemand mehr als Kandidat übrig bleibt. Insofern ist das jetzt die Aufforderung vor allen Dingen an die Kontinentalverbände, an die Nationalverbände, gute und völlig unbelastete Kandidaten auszuwählen und vorzuschlagen.
    "Man kann nicht zulassen, dass die FIFA praktisch führungslos dahindümpelt"
    Von Hellfeld: Was erwarten Sie von Wolfgang Niersbach, dem DFB-Chef?
    Schenk: ... , dass er mit anderen gemeinsam, die unbelastet sind, im Exekutivkomitee der FIFA die Führung übernimmt, weil irgendwer muss ja jetzt sich der Verantwortung stellen. Man kann nicht zulassen, dass die FIFA praktisch führungslos dahindümpelt.
    Von Hellfeld: Soweit Silvia Schenk von der Arbeitsgruppe Sport von Transparency International, mit der ich vor dieser Sendung gesprochen habe.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.