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Film der Woche "Dirty Games"
Einblick in die Schattenseiten des Sports

10. Juni 2016, 21.00 Uhr, Anstoß für die Europa-Fußballmeisterschaft – die Fans fiebern diesem Tag entgegen. Dabei liegt der Skandal um Korruption bei der Fifa nicht lange zurück. Der Dokumentarfilm "Dirty Games" wirft ein facettenreiches Schlaglicht auf die dunklen Seiten im Sportgeschäft.

Von Hartwig Tegeler |
    Das Logo des Weltfußballverbandes FIFA im Hauptquartier in Zürich.
    Das Logo des Weltfußballverbandes FIFA im Hauptquartier in Zürich (picture alliance / dpa / Steffen Schmidt)
    Ein reales Ereignis und Metapher: Ein toter Nepalese kommt zurück aus Katar, Arbeiter auf den WM-Baustellen im Golfstaat, wo 2022 das Turnier stattfinden soll.
    "Sport verbindet die Menschen. Er überwindet soziale, kulturelle und politische Grenzen. Heißt es. Mich interessiert die andere Seite."
    Sagt Regisseur Benjamin Best, beziehungsweise die Erzählerstimme in "Dirty Games". Und diese andere Seite ist eine dunkle. Erste Station dieses filmischen Schwarzbuches, wie gesagt, Nepal im Himalaja. 400.000 Nepalesen arbeiten in Katar. Arbeits-, Menschenrechte gelten dort nichts. Und der junge Arbeiter, der angeblich im Schlaf starb, und dessen Beerdigung das erste Kapitel von "Dirty Games" aufzeichnet, ist nur die Spitze eines Eisberges von moderner Ausbeutung. Sagt im Film Arjun Paudel, ehemaliger Gastarbeiter in Katar und Mitbegründer der nepalesischen Nichtregierungsorganisation PNCC.
    Es geht um ungeklärte Todesfälle auf den Baustellen, sagt Arjun Paudel, erbärmliche Arbeitsbedingungen, die aus dem 19. Jahrhundert zu stammen scheinen, Demütigungen oder um die Fälle, in denen die Arbeiter nach neun Monaten mit leeren Händen wieder nach Hause geschickt werden. NGOs schätzen, so der Nepalese, dass bis zum Beginn der WM 4000 Gastarbeiter aufgrund der Arbeitsumstände in Katar gestorben sein werden.
    Auch andere Sportarten betroffen
    "Dirty Games" ist jedoch kein Film allein über den Fußball, sondern auch über die dunklen Seiten des Boxsports beispielsweise oder des Basketballs. Über Wettskandale, Betrug. Benjamin Best hat einen Film über "mafiöse, kriminelle Syndikate" gedreht, in denen die Führungspersonen "unverfroren, offenkundig und arrogant" betrügen, wie es im Film ein US-Politiker bei der Fifa-Anhörung vor dem Senat formulierte. Es geht also um Systeme, nicht um die Verfehlungen einzelner Personen. Du manipulierst Kämpfe, um mit Wetten Geld zu machen, sagt in "Dirty Games" Charles Farrell, ehemaliger Box-Manager, der einst fünf Weltmeister betreute.
    Du manipulierst Kämpfe, um zu gewinnen, um zu verlieren; du bestichst Kampfrichter, sagt Charles Farrell, damit der im Sinne deines Boxers entscheidet oder um den Kampf vorzeitig abzubrechen. Wohl wissend, dass du damit etwas Illegales tust, aber gleichzeitig sehr, sehr viel Geld verdienst. Dann fragt Benjamin Best Charles Farrell, wie viele Kämpfe er in seiner aktiven Zeit manipuliert habe.
    Hunderte, lautet die Antwort des Ex-Boxmanagers.
    Benjamin Best erzählt von den Wettskandalen in der NBA, der US-Basketball-Profiliga, wie der Weltfußball ein Multi-Milliarden-Geschäft. Und der Dokumentarfilmer besucht Menschen in Rio de Janeiro, die wegen der Olympischen Spiele in diesem Jahr 2016 und einem vorgeblich notwendigen Parkplatz ihre Häuser verloren. Ohne dass der Parkplatz heute, wenige Wochen vor Beginn des Mega-Events, entstanden ist.
    Unangenehmer Spaß
    Lässt man sich diese Beispiele aus dem Fußball, dem Basketball, dem Boxen, der Welt des großen Sport-Geschäftes also auf der Zunge zergehen, wirkt "Dirty Games" sehr, sehr unangenehm. Denn dieser Dokumentarfilm zwingt uns die Erkenntnis auf, dass auch die kommende Fußball-Europameisterschaft, Teil des großen Geschäfts sein wird, durchzogen von Betrug, Manipulation, Machtmissbrauch und Gier. Während also der Fleischkonsument das System der quälenden Tierzucht stabilisiert - was uns Dokumentationen über die industrielle Nahrungsmittelproduktion immer wieder unter die Nase reiben, so trägt auch der Fußball-Fan vor dem Fernseher oder im Stadion seine ganz eigene Verantwortung. Filmemacher Benjamin Best:
    "Das stellt man sich natürlich die Frage, warum machen wir auch das als Zuschauer eigentlich alles mit? Denn letztendlich haben wir ja auch die Möglichkeit, zu sagen, stop, bis hierhin und nicht weiter."
    Was die ManU-Fans 2005 machten! Im letzten Kapitel erzählt "Dirty Games" die Geschichte von FC United of Manchester. Und damit wird diese Dokumentation am Ende gar zu einem sehr hoffnungsfrohen Film. Fans von Manchester United nämlich gründeten als Protest gegen die Kommerzialisierung ihres legendären Clubs und die Politik der überteuerten Tickets ihren eigenen Verein. Bei uns entscheiden nicht die aus dem Vorstand, sondern alle Mitglieder, sagt in "Dirty Games" der Mann, der am Stadion die T-Shirts verkauft. Wie er die Entwicklung im modernen Fußball sehe, fragt Benjamin Best einen anderen Fan.
    Schrecklich, schrecklich lautet die Antwort. Aber das hier, meint der FC-United-Fan, ist ehrlicher Fußball, wo die Menschen noch zusammen finden. Fußball, wie er sein soll.