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Film
Von Philadelphia nach Dallas

Mit "Streets of Philadelphia" kam Tom Hanks im Charakterfach an, gewann den Oscar für seine Rolle. 20 Jahre später könnte ihm Matthew McConaughey folgen: Auch er spielt in "Dallas Buyers Club" einen HIV-Infizierten, auch er beeindruckt, auch er ist nominiert für den Filmpreis.

Von Jörg Albrecht | 05.02.2014
    Die Schauspieler Jared Leto (l) als Rayon und Matthew McConaughey als Ron Woodroof in einer undatierten Filmszene des Kinofilms "Dallas Buyers Club". Sie sitzen voneinander abgewandt auf einer Bank.
    Jared Leto (l.) und Matthew McConaughey in "Dallas Buyers Club" (picture alliance / dpa / Ascot Elite Filmverleih GmbH)
    "Ihre Tests waren positiv auf HIV."
    Die Diagnose des Arztes gleicht einem Todesurteil. Nach einer Routineuntersuchung im Jahr 1985 ist das Leben für den von Matthew McConaughey gespielten Ron Woodroof nicht mehr dasselbe.
    "Mr. Woodroof, haben Sie jemals intravenös Drogen injiziert oder sind Sie vielleicht jemals homosexuell aktiv gewesen? – Ich bin keine Schwuchtel, Sie blöder Wichser! Ich kenne auch keine verfickten Schwuchteln. Sehen Sie mich an! Was sehen Sie? Das gottverdammte Rodeo sehen Sie."
    Ein Elektriker aus Texas, der Rodeos liebt, Frauen und Koks. Das ist Ron Woodroof. Dass er die – wie er es ausdrückt – "Schwulenseuche" haben soll, hält er für einen schlechten Scherz. Als sich sein Zustand weiter verschlechtert, zeigt Woodroof aber Kampfgeist und Überlebenswillen. Weil ihm das einzige Medikament, das in den USA zur Verfügung steht, mehr schadet als nützt, sucht er nach Alternativen. Fündig wird er in Mexiko. In den USA aber sind die Arzneien, die bei ihm und anderen Patienten Erfolge zeigen, nicht zugelassen. Ihre Einfuhr und ihr Verkauf sind illegal und eine Straftat. Doch Woodroof ist kreativ.
    "Denken Sie nicht, dass ich die Medikamente verkaufe. Ich verteile sie kostenlos. Gegen eine Mitgliedschaft. 400 Dollar im Monat Beitrag, und man kriegt so viel, wie man braucht. – Sie sind ein Hurensohn! – Hurensöhne. Ein Haufen Schwuchteln in New York zieht genau die gleiche Geschichte durch. Daher habe ich die Idee. Willkommen im 'Dallas Buyers Club'!"
    Kampf gegen Krankheit und Gesundheitssystem
    Der Beginn eines florierenden Geschäftes. Ron Woodroof: Wohl- und Straftäter in einer Person. Ein Aktivist, der sich für die Rechte von Patienten einsetzt. Das hört sich nach einem sympathischen, integren Charakter an – so ganz nach dem klassischen Helden eines großen Hollywooddramas. Doch erstens ist "Dallas Buyers Club" eine kleine Produktion, die ohne ein großes Filmstudio auf den Weg gebracht worden ist. Und zweitens ist dieser Ron Woodroof alles andere als ein Sympathieträger, mit dem sich der Zuschauer identifizieren möchte.
    Letzteres unterscheidet McConaugheys Rolle auch von Tom Hanks´ Charakter in "Philadelphia". Beide Filme sind Charakterstudien zweier Männer, die sich mit dem tödlichen Virus infizieren, als die Krankheit noch die Schlagzeilen in den Medien beherrscht hat. Anders aber als in "Philadelphia", wo sich der Protagonist gegen Diskriminierung zur Wehr setzt, führt die Hauptfigur in "Dallas Buyers Club" einen Kampf gegen die amerikanischen Gesundheitsbehörden und die Pharmaindustrie.
    "Die Leute können mit dieser Krankheit länger leben, als Ihnen gesagt wird. ..."
    Dem kanadischen Regisseur Jean-Marc Valée gelingt es, in "Dallas Buyers Club" ein authentisches Bild zu zeichnen: sowohl von seinen Figuren als auch dem Milieu, in dem sie agieren. Ungeschönt und frei von Rührseligkeiten. Ohne manipulative Strategien. In seiner Nüchternheit erinnert das an die Handschrift eines Steven Soderbergh in "Erin Brockovich". Die Geschichte eines anfangs homophoben Mannes, der sich mit den Gesundheitsbehörden anlegt und der für ein Patientenrecht auf selbstbestimmte Arzneimittelwahl eintritt, spricht für sich.
    Hoffen aus den Oscar
    "Ich sage, was in meinen Körper kommt. Nicht Sie! Glauben Sie, dass ich eines Ihrer Versuchskaninchen bin? Sehe ich für Sie wie ein Nagetier aus? – Mr. Woodroof, Sie halten sich für clever? Sie greifen zu einem Mittel, das keiner richtig kennt, und Sie schmuggeln einen Zwei-Jahres-Vorrat ein. Aber ich werde Sie auffliegen lassen."
    Um in seiner Rolle auch physisch zu überzeugen, hat sich Matthew McConaughey 23 Kilo von seinem durchtrainierten Körper runtergehungert.
    "And the Oscar goes to Tom Hanks in 'Philadelphia'" (Oscar-Verleihung 1994)
    Genau 20 Jahre, nachdem Tom Hanks den Oscar für die Darstellung eines AIDS-Kranken gewonnen hat, darf jetzt auch McConaughey auf den wichtigsten Filmpreis der Welt hoffen. Und auch Kollege Jared Leto, der einen Transvestiten spielt, mit dessen Hilfe Woodroof neue Mitglieder für seinen Dallas Buyers Club anwerben will, gilt in der Kategorie der besten Nebendarsteller als Favorit.
    "Ihre Tests waren positiv auf HIV."
    Ganze 30 Tage gab Arzt Ron Woodroof nach seiner Diagnose 1985. So lange würde ihm noch Zeit bleiben, seine Angelegenheiten zu regeln. Ron Woodroof konnte dafür noch mehr als sieben Jahre einplanen.